Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred T*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.März 1990, GZ 1 c Vr 8402/89-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Alfred T*** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er von Oktober 1988 an bis zum Frühjahr 1989 in Wien die Unmündige Karin D*** dadurch auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, daß er wiederholt die Hand des Kindes auf sein nacktes Glied legte. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten; gemäß dem § 43 a Abs 1 (richtig Abs 3) StGB wurde der Vollzug von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Vollzug eines Teiles der verhängten Strafe war nach Ansicht des Erstgerichtes notwendig, um dem Angeklagten "das Unrecht seines Verhaltens vor Augen zu führen" (S 100), womit das Erstgericht unzweifelhaft seine Überzeugung zum Ausdruck brachte, daß es des Vollzuges eines Teiles der Strafe bedarf, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeführer behauptet, daß im vorliegenden Fall weder general- noch spezialpräventive Erwägungen gegen die Anwendungen des § 43 Abs 1 StGB sprächen und daß sich das Gericht auch nicht auf solche berufen habe. Durch die Nichtanwendung der genannten Bestimmung sei daher in unvertretbarer Weise gegen die Bestimmung über die Strafbemessung verstoßen worden.
Der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des dritten Falles des § 281 Abs 1 StPO (nF) stellt nicht darauf ab, ob eine vom erkennenden Gericht ausgesprochene Unrechtsfolge tat- und tätergerecht ist, sondern darauf, ob das Gericht nach dem Inhalt des Urteiles zu der - ohne Überschreitung seiner
Strafbefugnis - ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungsvorschriften widersprechen (11 Os 64/88).
Im vorliegenden Falle hat das Gericht - entgegen dem Beschwerdevorbringen - die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht nach dem § 43 Abs 1 StGB mit dem Hinweis auf spezialpräventive Erwägungen, somit mit einem jener Kriterien begründet, die für die Anwendung (oder Nichtanwendung) dieser Gesetzesstelle den Ausschlag geben, sodaß also ein mit den in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmungen nicht zu vereinbarender Strafzumessungsvorgang nicht vorliegt.
Ob aber die unter dem Gesichtspunkt des § 43 Abs 1 StGB an sich vertretbare Begründung des Erstgerichtes für die bekämpfte Entscheidung den konkreten für den Ausspruch maßgeblichen Umständen gerecht wird, ist allein im Berufungsverfahren zu klären. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).
Demgemäß wird der Gerichtshof zweiter Instanz über die Berufung zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).
Anmerkung
E21300European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00074.9.0703.000Dokumentnummer
JJT_19900703_OGH0002_0130OS00074_9000000_000