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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;Norm
AVG §68 Abs4 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der P GmbH in S in T, vertreten durch DDr. Christian C. Schwaighofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Juli 2005, GZ. Ve1-8-1/237-11, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung gemäß § 54 lit. b TBO 2001 i.V.m. § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG (mitbeteiligte Parteien: 1. MM in S, vertreten durch Dr. Simon Brüggl und Dr. Günter Harasser, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II; 2. Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erteilte mit Bescheid vom 10. Jänner 2005 der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch des bestehenden Gebäudes und Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück 151/2 (früher bestehend aus den Grundstücken .811, .62, 151/2, 152 und 153) in der mitbeteiligten Marktgemeinde nach Maßgabe der vorgelegten Planunterlagen und unter Einhaltung näher angeführter Auflagen.
Die von der Erstmitbeteiligten dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 17. Mai 2005 ab. Die dagegen erhobene Vorstellung der Erstmitbeteiligten wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. Juni 2005 als unbegründet ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den angeführten Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Mai 2005 gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG sowie § 54 lit. b zweiter Fall Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 in der Fassung LGBl. Nr. 89/2003, und § 60 Abs. 2 und 3 Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 (TROG 2001), LGBl. Nr. 93, auf.
Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der in Geltung stehende allgemeine und ergänzende Bebauungsplan (aufsichtsbehördlich zur Kenntnis genommen am 26. März 2003) im straßenseitigen Teil des Areals die geschlossene Bauweise in Verbindung mit ergänzenden Festlegungen zur Gebäudehöhe und zur Dachneigung definiere, während die Gebäudeerscheinung zur Straße hin mittels einer gestaffelten Baufluchtlinie fixiert sei. Im hinteren (nördlichen) Planungsbereich werde die offene Bauweise festgelegt. Dieser Bebauungsplan beziehe sich auf die Grundstücke .811, .62 und die Grundstücke 151/2, 152 und 153, alle KG S. Der Bebauungsplan lege eine Bauplatzhöchstgröße von 1036 m2 sowohl für den südlichen als auch für den nördlichen Planungsbereich fest. Das neu gebildete Grundstück Nr. 151/2, KG S, weise nach der Digitalen Katastralmappe (Stand Februar 2005) eine Fläche von 1048 m2 auf. Ebenso weise dieses Grundstück entsprechend der Vermessungsurkunde des Dipl. Ing. Dr. techn. B. und Dipl. Ing. R. vom 30. Juli 2004 eine Größe von 1048 m2 auf. Auch die Auszüge aus dem Grundbuch vom 16. November 2004 bzw. 24. März 2005 bestätigten, dass das Grundstück Nr. 151/2 eine Größe von 1048 m2 aufweise. Das Vermessungsbüro Dipl. Ing. Dr. techn. B. und Dipl. Ing. R. habe in einer Stellungnahme vom 7. April 2005 einen Messfehler von 12 m2 im Jahr 2001 eingeräumt. Dies ändere jedoch nichts an den eingereichten und bewilligten Projektsunterlagen, welche nach wie vor einen Bauplatz in der Größe von 1048 m2 beinhalteten. Eine Korrektur der angeführten Vermessungsurkunde vom 30. Juli 2004 sei ebenso wenig vorgenommen worden wie eine Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages auf Erteilung einer Baubewilligung.
Die Grundstücke .811, .62, 151/2, 152 und 153, alle KG S, seien als Kerngebiet nach § 40 Abs. 3 TROG 2001 gewidmet und es bestehe ein allgemeiner und ergänzender Bebauungsplan. Mittlerweile seien sämtliche Grundstücke in dem nunmehr bestehenden Grundstück 151/2, KG S, vereinigt. Der Planungsbereich dieses allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes beziehe sich somit auf dieses Grundstück. Eine Bewilligung der Änderung von Grundstücksgrenzen nach § 14 TBO 2001 sei nicht erteilt worden, eine Eintragung in das Grundbuch sei entgegen § 15 TBO 2001 dennoch erfolgt.
Aus der Zusammenschau der §§ 12 ff TBO 2001 und §§ 54 TROG 2001 ergebe sich eindeutig, dass Bebauungspläne auch die Funktion einer Festlegung über zukünftige Änderungen von Grundstücksgrenzen zum Inhalt hätten, zumal die Änderung von Grundstücksgrenzen eine diesen Bebauungsplänen entsprechende Bebauung der Grundstücke nicht verhindern oder erschweren dürfe. Demnach hätte eine Bewilligung nach § 14 TBO 2001 in dieser Form nicht erteilt werden können. Die dennoch grundbücherlich durchgeführte Grundstücksvereinigung gehöre dem Rechtsbestand an, verhindere jedoch die im Bebauungsplan vorgesehenen Bauweisen.
Nach § 60 Abs. 1 TROG 2001 werde die Art der Anordnung der Gebäude gegenüber den nicht straßenseitig gelegenen Grundstücksgrenzen durch die Bauweise bestimmt. Dabei könne eine geschlossene, offene oder besondere Bauweise festgelegt werden. Aus dieser eindeutigen Bestimmung könne nicht entnommen werden, dass die Bauweisen auch miteinander kombiniert werden könnten. Zwar könnten für einen Planungsbereich verschiedene Bauweisen festgelegt werden, jedoch nicht für einen Bauplatz. Bauplatz sei gemäß § 2 Abs. 12 TBO 2001 ein Grundstück, auf dem ein Gebäude errichtet werden solle. Grundstück sei eine Grundfläche, die im Grenzkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet sei oder die in einem Zusammenlegungsverfahren als Grundabfindung gebildet worden sei.
Bei geschlossener Bauweise seien die Gebäude - soweit keine Baugrenzlinien festgelegt seien - an den an die Baufluchtlinie anstoßenden Grundstücksgrenzen zusammenzubauen. Gegenüber den anderen Grundstücksgrenzen seien die Gebäude freistehend anzuordnen (§ 60 Abs. 2 TROG 2001). Bei offener Bauweise seien die Gebäude allseits freistehend anzuordnen (§ 60 Abs. 3 TROG 2001). Der gegenständliche Bebauungsplan sehe gegenüber dem Grundstück 146/1, KG S einerseits die geschlossene, andererseits aber auch die offene Bauweise vor. Die Bauweise regle die Anordnung der Gebäude gegenüber den nicht straßenseitig gelegenen Grundstücksgrenzen. Die Grenze zwischen dem Grundstück 146/1 und 151/2 sei nicht straßenseitig gelegen, Baugrenzlinien seien keine festgelegt worden. Es sei somit dem eindeutigen Wortlaut des § 60 Abs. 2 TROG 2001 entsprechend an den an die Baufluchtlinie angrenzenden Grundstücksgrenzen (also über die gesamte gemeinsame Grundstücksgrenze zwischen dem Grundstück 146/1 und 151/2) zwingend zusammenzubauen. Andererseits seien entsprechend diesem Bebauungsplan auch zwingend die Gebäude allseits (also auch gegenüber dem Grundstück 146/1) freistehend anzuordnen. Damit erweise sich nach Ansicht der belangten Behörde das verfahrensgegenständliche Baugrundstück derzeit als unbebaubar, da zwei einander ausschließende Bauweisen für ein und denselben Bauplatz festgelegt seien.
Entsprechend den Einreichunterlagen zum Bauvorhaben solle im Erdgeschoß zum Grundstück .146/1 eine Passage in der Länge von ca. 9,90 m und im Anschluss daran ein Innenhof errichtet werden. Zum Grundstück 149/2 solle das Gebäude freistehend angeordnet werden. Das Geschäft samt Lager und Nebenräumen sowie in den Obergeschoßen die Wohnräume würden jeweils über die Grenzen der verschiedenen Festlegungen der Bauweisen hinweg errichtet. Sollte man die Ansicht der Beschwerdeführerin teilen und tatsächlich zwei verschiedene, einander ausschließende Bauweisen für einen Bauplatz als zulässig erachten, wäre es immer noch denkunmöglich, ein Gebäude einerseits an den an die Baufluchtlinie angrenzenden Grundstücksgrenzen zusammenzubauen und gleichzeitig allseits freistehend anzuordnen. Es müsste somit ein Gebäude gleichzeitig die Kriterien der offenen und der geschlossenen Bauweise erfüllen. Wenn die Beschwerdeführerin das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2004, Zl. 2001/06/0109, heranziehe, so sei dem entgegenzuhalten, dass sich dieses Erkenntnis auf die Rechtslage vor der 5. Raumordnungsgesetznovelle, LGBl. Nr. 73/2001, beziehe. Da mit dieser Novelle eine wesentliche inhaltliche Änderung des § 60 Abs. 2 TROG 1997 erfolgt sei, sei dieses Erkenntnis auf den gegenständlichen Fall nach Ansicht der Aufsichtsbehörde nicht mehr anwendbar.
Zusammenfassend vertrete die belangte Behörde die Ansicht, dass das Bauvorhaben den festgelegten Bauweisen und somit dem Bebauungsplan widerspreche. Der Nichtigkeitsgrund des § 54 lit. b TBO 2001 liege daher vor.
Betreffend die in § 116 Abs. 1 TGO angeordnete Schonungspflicht vertrat die belangte Behörde zusammengefasst die Auffassung, dass der Verstoß gegen die Bauplatzgröße geringfügig sei und in dieser Hinsicht die Interessenabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausfalle. Der Widerspruch zu den festgelegten Bauweisen wiege jedoch schwerer als die Nachteile, die der Beschwerdeführerin aus der Aufhebung erwüchsen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzustellen, dass der Umstand, dass der im vorliegenden Fall anzuwendende Bebauungsplan nicht mehr in Kraft steht, nicht - wie die erstmitbeteiligte Partei meint - den Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall bewirkt. Auch der Umstand, dass erstinstanzlich mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 22. November 2005 der Beschwerdeführerin neuerlich die Errichtung eines unterschiedlich ausgestalteten Projektes auf dem verfahrensgegenständlichen Baugrundstück bewilligt wurde, hat keine derartige Wirkung.
Gemäß § 116 Abs. 1 Tiroler Gemeindeordnung 2001 - TGO, LGBl. Nr. 36/2001, ist das Aufsichtsrecht des Landes so auszuüben, dass die Rechte der Gemeinde und jene Dritter möglichst geschont werden. Stehen im Einzelfall verschiedene Aufsichtsmittel zur Verfügung, so ist das jeweils gelindeste, noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden.
Gemäß § 121 Abs. 1 TGO kann die Landesregierung einen rechtskräftigen Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Landesvollziehung nur aus den Gründen des § 68 Abs. 3 und 4 AVG aufheben.
Gemäß § 121 Abs. 2 TGO ist nach dem Ablauf von drei Jahren nach der Erlassung eines Bescheides dessen Aufhebung aus den Gründen des § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG nicht mehr zulässig.
Gemäß § 127 Abs. 2 TGO kommt im aufsichtsbehördlichen Verfahren, ausgenommen nach § 122, der Gemeinde, in den Verfahren nach den §§ 120 und 121 auch jenen Personen Parteistellung zu, die in dem von der Gemeinde durchgeführten Verwaltungsverfahren Parteistellung hatten.
Gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
"an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet."
Gemäß § 54 lit. b Tiroler Bauordnung 2001 - TBO 2001, LGBl. Nr. 94, leiden Bescheide, mit denen die Baubewilligung erteilt wird, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler, wenn
"b) die Baubewilligung erteilt wurde, obwohl das betreffende Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan oder einem Bebauungsplan widersprochen hat (§ 26 Abs. 3 lit. a) oder obwohl ein Abweisungsgrund nach § 26 Abs. 3 lit. b oder c vorgelegen ist".
Gemäß § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2001 ist das Bauansuchen ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits auf Grund des Ansuchens offenkundig ist, dass
"a) das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder örtlichen Bauvorschriften widerspricht ...".
Die Beschwerdeführerin macht im Hinblick auf die Frage des Flächenausmaßes des verfahrensgegenständlichen Grundstückes geltend, dass das befasste Vermessungsbüro, wie dies auch von der belangten Behörde festgestellt werde, mit Stellungnahme vom 7. April 2005 den im Jahre 2001 unterlaufenen Messfehler von 12 m2 aufgeklärt habe. Dem sei auch im Berufungsverfahren Rechnung getragen worden. Der Berufungsbescheid beziehe sich auf Seite 7, vierter Absatz, ausdrücklich auf einen Grundbuchsauszug vom 31. März 2005, durch welchen die Grundstücksgröße des Bauplatzes mit 1036 m2 erwiesen werde. Eine einfache - und der belangten Behörde wohl zumutbare - Nachschau in den öffentlichen Büchern hätte ergeben, dass das Grundstück im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides in der Digitalen Katastermappe und im Grundbuch ein Flächenausmaß von 1036 m2 aufgewiesen habe. Erhebungen beim zuständigen Vermessungsamt K hätten ergeben, dass der im Grundbuchsauszug zum verfahrensgegenständlichen Grundstück ersichtliche Änderungshinweis am 31. März 2005 in die Katastralmappe eingearbeitet worden sei. Es habe sich dabei um eben jene Berichtigung des Flächenausmaßes gehandelt. Das im Grundbuch berichtigte Flächenmaß sei bereits dem Berufungsbescheid vom 17. Mai 2005 zu Grunde gelegen. Stattdessen beziehe sich die belangte Behörde in ihrem Bescheid auf einen Grundbuchsauszug vom 24. März 2005, der schon aus chronologischen Gründen nicht von ihr hergestellt worden sein konnte, sei der Vorgang doch erst mit Erhebung der Vorstellung im Mai 2005 bei ihr aktenkundig geworden. Offenbar meine die Behörde, dass im Rahmen einer Baubewilligung ein bestimmtes Flächenausmaß bewilligt werden könnte und deshalb der Baubescheid mit Nichtigkeit bedroht wäre. Dies sei eine mehrfach qualifizierte Verkennung der Rechtslage, die umso unbegreiflicher sei, als es sich im vorliegenden Fall immerhin um die Aufsichtsbehörde in Bausachen handle.
Die Größe eines Bauplatzes (= Grundstückes) sei ein Tatbestandsmerkmal, das über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Bauvorhabens aus dem Blickwinkel der maximalen Bauplatzgröße entscheidend sein könne. Die Größe des Bauplatzes könne allenfalls Vorfrage, niemals aber Gegenstand einer rechtsgestaltenden baubehördlichen Genehmigung sein. Die Auffassung, dass die - bereits lange vor Erlassung des bekämpften Bescheides im Grundbuch bzw. der Katastralmappe berichtigte - Fläche des Bauplatzes in irgendeiner denkmöglichen Weise einen Widerspruch des Vorhabens zum Bebauungsplan zu konstituieren vermöchte, verstoße gegen sämtliche Denkgesetze und zulässige Methoden einer Gesetzesauslegung. Auch wenn die belangte Behörde diesen Umstand im Lichte des Schonungsprinzipes als nicht relevant für eine Aufhebung erachtet habe, erachte sich die Beschwerdeführerin durch diese Auffassung der belangten Behörde in ihren Rechten verletzt.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kommt Berechtigung zu. Mit Schreiben der beiden Sachverständigen Dipl. Ing. Dr. B.B. und Dipl. Ing. G.R. vom 7. April 2005 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass bei den Grundstücken Nr. 151/2, 152 und 153 im Hinblick auf den Gesamtumfang ein ursprünglicher Berechnungsfehler von 12 m2 vorliege. Dieser Grundteilungsplan sei nach dieser Stellungnahme nur zum Teil zur grundbücherlichen und katastertechnischen Durchführung gelangt. Die Bebauungsplanfestlegung sei jedoch auf Basis der berichtigten Fläche erfolgt. Im Juli 2004 sei von Rechtsanwalt Dr. N.W. die Vereinigung dieser Grundstücke im Vermessungsamt K, Dienststelle K, beantragt worden. Die Flächenberichtigung auf Basis der Vermessung der Sachverständigen aus dem Jahre 2001 sei in der Grundstücksdatenbank der letzten Woche auf Grund des Hinweises der Sachverständigen erfolgt.
In dem im Akt einliegenden Grundbuchsauszug vom 31. März 2005 ist für das Grundstück 151/2 eine Fläche von 1036 m2 angegeben. Im Berufungsbescheid vom 17. Mai 2005 findet sich die auch von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Feststellung, dass die Bauplatzhöchstgröße im Bebauungsplan mit 1036 m2 festgelegt worden seien und feststehe, dass die Bauplatzgröße 1036 m2 betrage. Ein Widerspruch zum Bebauungsplan sei somit mithin nicht gegeben.
Damit wurde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Bauverfahren ausreichend klargestellt, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück im Einklang mit dem Bebauungsplan eine Größe von 1036 m2 hat. Der Umstand, dass die unzutreffende Angabe betreffend die Bauplatzgröße auf dem Vermessungsplan der angeführten Sachverständigen vom 30. Juli 2004 nicht ausdrücklich durchgestrichen wurde, führt zu keiner Rechtswidrigkeit.
Zu der ins Treffen geführten Grundstücksveränderung macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die ursprünglich bestandenen Grundstücke von Amts wegen zu dem aktuell bestehenden Grundstück 151/2 vereinigt worden seien. Es könne dabei dahingestellt bleiben, ob es dazu einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätte oder nicht, da das zuständige Grundbuchsgericht den Verbücherungsbeschluss der mitbeteiligten Gemeinde ordnungsgemäß zugestellt habe. Diese habe keinen Rekurs erhoben, womit ein allfälliger Mangel jedenfalls als geheilt anzusehen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu einem solchen Sachverhalt ausdrücklich judiziert, dass die Behörden (und zwar alle) vom neuen Grundbuchsstand auszugehen hätten, wenn die rekursberechtigte Gemeinde gegen die ohne ihren Bewilligungsbescheid durchgeführte Verbücherung kein Rechtsmittel erhebt (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 97/05/0043). Es sei nicht erkennbar, dass für den Fall der Verbücherung einer Grundstücksveränderung ohne behördliche Bewilligung eine Nichtigkeitsfolge gesetzlich normiert wäre. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin seien die Voraussetzungen zur Genehmigung der Grundstücksvereinigung vorgelegen, zumal die notwendigen Bebauungspläne bestanden und ein Vereinigungshindernis nicht bestanden hätte. Dies gelte insbesondere auch hinsichtlich der Festlegung unterschiedlicher Bauweisen, weil diese jedenfalls zulässig gewesen seien, was sich nicht zuletzt auch an den Ergebnissen der aufsichtsbehördlichen Prüfung der genannten Bebauungspläne ablesen lasse.
Der Standpunkt der belangten Behörde, dass der geltende Bebauungsplan der stattgefundenen Grundstücksvereinigung entgegengestanden bzw. die dennoch durchgeführte Grundstücksveränderung eine rechtliche Unbebaubarkeit des Grundstückes herbeigeführt hätte, sei nicht nachvollziehbar.
Das vorliegende Bauvorhaben halte sich in allen Punkten an die Festlegungen des Bebauungsplanes, indem nämlich dort, wo geschlossene Bauweise verordnet sei, an den Grundgrenzen zusammengebaut werde, und dort, wo offene Bauweise verordnet sei, die Mindestabstände nach der TBO 2001 eingehalten würden. Die in der TBO 2001 vorgesehene Nichtigkeitsfolge bestehe nur dann, wenn der Bescheid dem Bebauungsplan widerspreche, d.h. dessen Festlegungen missachte. Die Grundstücksvereinigung selbst, die nach Ansicht der belangten Behörde nicht vorgenommen hätte werden dürfen, könne nicht als Mangel des Baubescheides gewertet werden. Das Argument, dass die Festlegungen nur für die ursprüngliche Grundstückskonfiguration gegolten hätten, ermangle ebenfalls jeder Begründung. Gerade für das Nachbargrundstück 146/1, das seit jeher nur eine einzige Parzelle dargestellt habe, seien praktisch idente Festlegungen hinsichtlich der Bauweise getroffen worden, ohne dass die Aufsichtsbehörde hier Anlass zur Beanstandung gefunden hätte. Eine angebliche Änderung der Rechtslage (§ 60 TROG 2001) habe es nicht gegeben.
Dem Einwand der belangten Behörde, dass für das Grundstück "zwei einander ausschließende Bauweisen" festgestellt worden wären, könne nur gefolgt werden, wenn es sich dabei um Festlegungen für den selben Planungsbereich handeln würde. Die von der belangten Behörde versuchte Auslegung des § 60 Abs. 1 TROG 2001 verlasse die zulässigen Grenzen der Interpretation. Nur weil es dort nicht ausdrücklich erlaubt sei, unterschiedliche Festlegungen auf einem Bauplatz zu haben, sei dies noch nicht verboten. Gerade die Bestimmung des § 60 Abs. 1 TROG 2001 vermeide es wohlweislich, auf einen Begriff wie "Bauplatz" Bezug zu nehmen. Es solle nur die "Art der Anordnung der Gebäude gegenüber den nicht straßenseitig gelegenen Grundstücksgrenzen bestimmt" werden. Das "oder" im zweiten Satz des § 60 Abs. 1 TROG 2001 sei kein exklusives "entweder - oder", sondern vielmehr eine die mögliche Vielfalt der Planungsoptionen andeutende Formulierung im Sinne eines "und/oder".
Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. 2001/06/0109, genau diese Frage zu beurteilen gehabt und habe sie dahingehend beantwortet, dass die geschlossene Bauweise nur dort zum Tragen komme, wo geschlossene Bauweise angeordnet sei, nicht aber auch auf Grundstücken oder - wie in diesem Fall - auf Grundstücksteilen, wo dies nicht der Fall sei. Die Behauptung der belangten Behörde, dass dieser Entscheidung keine Relevanz für den vorliegenden Fall zukäme, weil seitdem in § 60 Abs. 2 TROG 2001 eine Änderung der Rechtslage eingetreten wäre, sei nicht nachvollziehbar. Ein Unterschied zwischen den Textierungen, die eine Unanwendbarkeit des zitierten Erkenntnisses zur Folge haben könnte, sei nicht erkennbar. Es werde in der Fassung 2001 lediglich konkret auf Baugrenzlinien Bezug genommen. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch in dem Erkenntnis vom 30. März 2005, Zl. 2003/06/0173, die Ansicht vertreten, aus § 62 Abs. 2 TROG 2001 könne nicht abgeleitet werden, "dass sich daraus die Verpflichtung ergäbe, die an die Baufluchtlinie anstoßenden Grundstücksgrenzen bis zu dem Abstand, der zur hinteren Grundstücksgrenze einzuhalten ist, zu verbauen".
Im Übrigen wäre nur ein Mangel des Bebauungsplanes möglich, der als solcher ein Nichtigerklärungsverfahren betreffend den Baubescheid nicht rechtfertigte. Selbst wenn der Bebauungsplan insoweit nicht gesetzeskonform sein sollte, berührte dies im Falle seiner Aufhebung nicht die Bestandskraft des gegenständlichen Baubescheides, weil dieser zum Zeitpunkt der in voller Geltung stehenden Bebauungsplanung in Rechtskraft erwachsen sei.
Auch diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin kommt Berechtigung zu. Der im vorliegenden Verfahren anzuwendende Bebauungsplan vom 17. Dezember 2002, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid vom 26. März 2003 (in Kraft getreten am 8. Jänner 2003), sah für den Bereich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes (damals noch die Grundstücke 151/2, .811, .62, 153 und 152, KG S) innerhalb der Grundstücke 152 und .62 etwa parallel zur Grundstücksgrenze zur öffentlichen Verkehrsfläche eine Grenze verschiedener Festlegungen vor. Im Bereich nördlich dieser Grenze ist u.a. eine offene Bauweise angeordnet, im südlichen Bereich geschlossene Bauweise. Diese unterschiedliche Festlegung der Bauweise hat vor der mittlerweile grundbücherlich durchgeführten Grundstücksvereinigung all dieser Grundstücke für die Grundstücke 152 und .62 bewirkt, dass für den südlichen Bereich dieser Grundstücke geschlossene Bauweise und für den verbleibenden nördlichen Bereich offene Baubeweise angeordnet war. Aus dem § 60 Abs. 2 TROG 2001 kann - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht abgeleitet werden, dass auf einem Grundstück bzw. Bauplatz zur Gänze entweder nur geschlossene oder nur offene Bauweise angeordnet werden dürfte. Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof in dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. 2001/06/0109, zu dem damals in Geltung stehenden § 60 Abs. 2 TROG 1997 schon vertreten.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde auch nicht darin folgen, dass sich § 60 Abs. 2 TROG 2001 im Vergleich zu § 60 Abs. 2 TROG 1997 im Hinblick auf diese Frage maßgeblich geändert hätte. Die belangte Behörde begründet diesen behaupteten Unterschied auch in keiner Weise. Wenn in § 60 Abs. 2 TROG 2001 in der geänderten Fassung nach dem Beginn "Bei geschlossener Bauweise sind die Gebäude" der Nebensatz ", soweit keine Baugrenzlinien festgelegt sind," eingefügt wurde, ergibt sich daraus nicht, dass es verboten sei, für ein Grundstück auf verschiedenen Grundstücksteilen unterschiedliche Bauweisen festzulegen.
Der angefochtene Bescheid ist schon aus diesen Gründen inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Im Hinblick darauf brauchte auf die weitere Problematik, ob die belangte Behörde das Schonungsprinzip zutreffend angewendet hat, nicht mehr eingegangen zu werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. November 2005
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005060247.X00Im RIS seit
13.01.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008