Kopf
Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch den stellvertretenden Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Dkfm. Dr. Grünwald, Dr. Lettner, Dr. Placek, Dr. Reindl und Dr. Schwarz in der Kartellrechtssache des Antragstellers Österreichischer A***, 1041 Wien, Prinz Eugen-Straße 20-22, wider die Antragsgegnerin Z*** C*** mbH, 6025 Innsbruck,
Sternbachplatz 2, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufforderung zur Anzeige eines Bagatellkartells gemäß §§ 57 f KartG 1988, infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Stellvertreters des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien vom 7.2.1990, Kt 1289/89-2, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Der Österreichische Arbeiterkammertag stellte (gemäß §§ 57 und 58 KartG 1988) den Antrag, die Antragsgegnerin aufzufordern, 1. die hinterlegte Vertriebsbindung als Bagatellkartell anzuzeigen und
2. nachzuweisen, daß die Voraussetzungen gemäß § 16 KartG 1988 vorliegen. Er brachte vor, die hinterlegte Vertriebsbindung enthalte in Punkt I. der Partnerschaftsvereinbarung eine Gebietsbeschränkung. Gemäß § 17 Abs 3 KartG und der hiezu ergangenen Freistellungsverordnung, BGBl 1989/185, seien Gebietsbeschränkungen von der Freistellung nicht erfaßt. Nach eigenen Angaben habe die Antragsgegnerin weniger als 5 % Marktanteil. Daher wäre sie aufzufordern, ein Bagatellkartell anzumelden und zugleich ihren entsprechenden Marktanteil nachzuweisen. Berechnungsgrundlage für die Marktanteile sei der Umsatz an Depotkosmetik in Österreich. Unter Depotkosmetik werde eine über Parfümerien und Fachabteilungen von Kaufhäusern vertriebene Kosmetik verstanden. Ziel dieser Vertriebsart sei eine spezifische Beratung, Imagepflege und Präsentation der jeweiligen Marke. Depotkosmetik werde von Konsumkosmetik (weniger intensive Beratung, Verkauf auch in Selbstbedienungsläden) unterschieden. Sollte man die - nach Ansicht des Antragstellers unrichtige - Auffassung vertreten, Berechnungsgrundlage sei der gesamte Kosmetikmarkt, so würde sich die Bagatelleigenschaft nicht verändern, sondern nur verstärken. Wegen der außergewöhnlichen Bedeutung des Prestiges, das der Depotkosmetik zukomme, sei diese für den Konsumenten durch Konsumkosmetik nicht substituierbar. Depotkosmetik und Konsumkosmetik deckten somit einen verschiedenen Bedarf, da ansonsten der Sinn des Vertriebssystems von Depotkosmetik in Frage gestellt wäre. Bei Vorliegen einer Gebietsbeschränkung sei somit die Voraussetzung der §§ 57 und 58 KartG gegeben.
Mit dem angefochtenen Beschluß forderte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien die Antragsgegnerin gemäß §§ 57 und 58 KartG auf, als Mitglied eines Bagatellkartells (§ 16 KartG) binnen einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses das Kartell beim Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien anzuzeigen. Dieser Teil des Beschlusses wurde in der Folge über Antrag der Antragsgegnerin dahin abgeändert, daß die Frist erst mit Rechtskraft der Aufforderung zur Anzeige des Bagatellkartells zu laufen beginnt. Gleichzeitig wurde die Antragsgegnerin darüber belehrt, daß die Pflicht zur Einbringung der Anzeige unmittelbar die Kartellmitglieder trifft. Werde die Anzeigefrist versäumt, dann sei die weitere - auch nur teilweise - Durchführung des Kartells solange verboten, bis die Kartellmitglieder der Aufforderung nachkommen. Die verbotene Durchführung eines Kartells sei strafbar (§ 130 KartG). Die Antragsgegnerin wurde ferner gemäß §§ 57 Abs 2, die Bestimmung des § 54 KartG im Wortlaut zur Kenntnis gebracht. Dagegen wies das Kartellgericht den weiteren Antrag des Österreichischen Arbeiterkammertages, die Antragsgegnerin auch zum Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 16 KartG aufzufordern, ab.
Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien begründete seinen Beschluß mit dem Hinweis auf § 57 KartG 1988. Dem Antrag der Amtspartei sei gemäß § 57 Abs 2 KartG ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen zu entsprechen. Die Vorschriften der §§ 60, 62 und 65 KartG seien in diesem Verfahren nicht anzuwenden. Auch die Voraussetzungen gemäß § 16 KartG unterlägen in diesem Verfahrensstadium keiner Überprüfung durch das Kartellgericht. Punkt 2. des Antrages setze die Anzeige eines Bagatellkartells voraus. Da eine solche nicht erfolgt sei, sei dieser Teil des Antrages als verfrüht gestellt abzuweisen gewesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der durch einen gewählten Rechtsanwalt vertretenen Antragsgegnerin mit den Anträgen, ihn im Sinne einer Abweisung des Antrages abzuändern oder ihn aufzuheben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Kartellgericht zurückzuverweisen, eventuell auf Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B-VG wegen Verfassungswidrigkeit des § 57 Abs 2 erster Satz iVm § 58 KartG.
Zunächst war zu prüfen, ob der Rekurs zulässig ist oder allenfalls mangels Beschwer zurückzuweisen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig.
Gemäß § 43 KartG 1988 entscheiden das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Nach § 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein schlüssig behaupteter Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (SZ 42/176; SZ 50/41 ua). Unter einer anfechtbaren Verfügung ist eine auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes zu verstehen, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt. Bei Prüfung in dieser Richtung ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist also mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung nur dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung des Beteiligten nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN).
Durch den angefochtenen Beschluß wird die Rechtsstellung der Antragsgegnerin verändert und sie wird hiedurch auch - sollte tatsächlich ein Bagatellkartell vorliegen - beschwert. Bis zum Ablauf der gesetzten Frist durfte die Antragsgegnerin nämlich gemäß § 18 Abs 1 Z 1 KartG ein allenfalls bestehendes Bagatellkartell auch ohne Anzeige durchführen. Nach fruchtlosem Verstreichen der im angefochtenen Beschluß gesetzten Frist wäre ihr jedoch die auch nur teilweise weitere Durchführung gemäß § 58 iVm § 57 Abs 3 KartG sogar unter strafgerichtlicher Sanktion (§ 130 Abs 1 KartG) verboten. Der Rekurs ist daher zulässig.
Die Erhebung des vorliegenden Rekurses durch einen gewählten Rechtsanwalt statt einen Kartellbevollmächtigten war erlaubt. Die vom Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichts gemäß § 58 iVm § 57 Abs 2 KartG 1988 in den Beschluß aufgenommene Belehrung über die Bestimmung des § 54 KartG - wonach sich die Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müssen - gilt noch nicht für das Rechtsmittelverfahren über die Aufforderung durch das Kartellgericht zur Anzeige, weil hier noch keine Gemeinschaftsrechte auszuüben sind oder betroffen werden (siehe die Möglichkeit nach § 57 Abs 1 KartG ohne Bestellung eines Kartellbevollmächtigten um Fristverlängerung anzusuchen; vgl auch § 54 Abs 2 KartG und Jelinek in ÖBl 1968, 25 Ä28Ü). Der Rekurs ist im Ergebnis auch berechtigt.
Bei der allseitigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ist zunächst wahrzunehmen, daß der bekämpfte Auftrag des Stellvertreters des Vorsitzenden des Kartellgerichts dem § 58 iVm § 57 Abs 1 KartG 1988 schon formell nicht entspricht. Auf Antrag einer Amtspartei sind nämlich gemäß § 58 iVm § 57 Abs 1 KartG bei Bagatellkartellen d e r e n M i t g l i e d e r aufzufordern, binnen einem Monat das Kartell dem Kartellgericht anzuzeigen. Nach dieser klaren Gesetzesbestimmung kann die Aufforderung nicht wirksam allein an ein angebliches Mitglied eines Bagatellkartells gerichtet werden. Eine solche Aufforderung wäre auch sachlich ohne Sinn. Dem einzelnen Aufgeforderten wäre zwar sodann die weitere Durchführung des Kartells untersagt (§ 58 iVm § 57 Abs 3 KartG), nicht aber allen übrigen möglichen Kartellanten. Nur die Z u s t e l l u n g der Aufforderung genügt gemäß § 58 iVm § 57 Abs 2 KartG an ein einziges Kartellmitglied. Das ist zwar auch nicht immer zielführend, weil sich ein Kartellmitglied, dem kein Verschulden an einer weiteren Durchführung des Kartells vorgeworfen werden kann (etwa infolge nicht einmal fahrlässiger Unkenntnis der Aufforderung), sich nicht nach § 130 KartG strafbar macht; die Bestimmung mag aber bei vermuteten Bagatellkartellen großen Umfangs und häufig wechselnden Teilnehmern ihren Sinn haben. Im allgemeinen ist jedoch auch die Zustellung an alle bekannten Kartellmitglieder zu empfehlen. Das Erstgericht wird daher den vorliegenden Antrag der Amtspartei Österreichischer Arbeiterkammertag zunächst dahin zu prüfen haben, welche gerichtsbekannten oder von dieser Amtspartei namhaft gemachten Mitglieder des angeblichen Bagatellkartells im Sinne des § 58 iVm § 57 Abs 1 KartG zur Anzeige des Kartells aufzufordern sind.
Auf die weiteren im Rekurs angeschnittenen Rechtsfragen betreffend die Zulässigkeit dieses Auftrages ist vorläufig nicht einzugehen, um die übrigen möglichen Antragsgegner nicht zu präjudizieren.
Anmerkung
E21062European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:000OKT00021.9.0705.000Dokumentnummer
JJT_19900705_OGH0002_000OKT00021_9000000_000