Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***,
Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "F***" F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co, Dornbirn,
Marktstraße 67, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 330.000,--) infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. April 1990, GZ. 2 R 10/90-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. Oktober 1989, GZ. 8 Cg 67/89-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:
"Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, nachstehende Waren, nämlich die 250 Gramm-Packung "Soletti"-Salzstangerln und die 0,7 Liter-Flasche "Scharlachberg" 3-Stern-Weinbrand, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstiger Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, in eventu als Wiederverkäufer vom Lieferanten bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen und ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen, insbesondere Rabatte oder Sonderkonditionen, ohne entsprechende Gegenleistung zu fordern oder anzunehmen; der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, binnen 6 Monaten nach Rechtskraft den stattgebenden Teil des Urteilsspruches und den Urteilskopf samt vorangehender Überschrift "Im Namen der Republik" auf Kosten der beklagten Partei in einer Samstagausgabe der "Tiroler Tageszeitung", des "Kuriers" und der "Neuen Kronen-Zeitung" im Textteil in Normallettern, wie für redaktionelle Artikel verwendet, mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und gesperrt- und fettgeschriebenen Prozeßparteien veröffentlichen zu lassen,
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 35.547,60 (darin enthalten S 5.924,60 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 55.143,80 (darin enthalten S 7.857,30 Umsatzsteuer und S 8.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt an verschiedenen Standorten, insbesondere in Dornbirn und in Innsbruck, den Handel mit Waren aller Art, darunter auch mit Lebensmitteln. Im November 1988 kündigte sie in einem in Innsbruck und Umgebung verteilten Flugblatt ua die 250 Gramm-Packung "Soletti"-Salzstangerln um S 9,90 und die 0,7 Liter-Flasche "Scharlachberg" 3-Stern-Weinbrand um S 49,90 an. Sie hat diese Waren auch zu den angekündigten Preisen verkauft. Die Beklagte erwarb diese Produkte von ihrer Komplementärgesellschaft - der F.M. Z*** GmbH -, welche sie ihr betriebsintern samt Steuern fakturierte und dabei keine Großhandels-, sondern nur eine Lagerfunktion ausübte. Mit der Behauptung, daß die Beklagte diese Artikel unter ihrem Einstandspreis verkauft habe, weil die Großhandels-Einstandspreise vergleichbarer Konkurrenten für diese Artikel höher seien als die von der Beklagten im Einzelhandel verlangten Preise, beantragt der klagende Schutzverband, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, die 250 Gramm-Packung "Soletti"-Salzstangerln und die 0,7 Liter-Flasche "Scharlachberg" 3-Stern-Weinbrand zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, in eventu als Wiederverkäufer von Lieferanten bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen und ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen, insbesondere Rabatte oder Sonderkonditionen, ohne entsprechende Gegenleistung zu fordern oder anzunehmen; ferner beantragt der Kläger die Urteilsveröffentlichung im Textteil von Samstagausgaben der "Tiroler Tageszeitung", des "Kuriers" und der "Neuen Kronen-Zeitung". Der Verkauf unter den - nach Umfragen der Tiroler Handelskammer bei vergleichbaren Betrieben, insbesondere bei "A***" und "S***", ermittelten - Einstandspreisen verstoße gegen § 3 a NVG und - wegen des damit verbundenen sittenwidrigen Anlockeffektes - auch gegen § 1 UWG. Sollte die Beklagte aber von den Lieferanten Sonderkonditionen erlangt haben, dann wäre dies ein sittenwidriges Anzapfen bzw. Ausnützen von Sondervorteilen, die anderen gleichartigen Unternehmen nicht gewährt würden; ein solches Verlangen und Annehmen von Sonderrabatten ohne Gegenleistung widerspreche dem § 1 Abs 2 NVG und dem sog. "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe die in der Klage genannten Waren nicht unter ihrem Einstandspreis verkauft. Den vom Kläger behaupteten "äußerst möglichen Großhandelseinstandspreis" gebe es nicht; Mitbewerber, beispielsweise I*** und H***Diskont, hätten im Herbst 1988 die 250 Gramm-Packung "Soletti" ebenfalls um S 9,90 verkauft. Selbst wenn aber die Beklagte unter ihrem Einstandspreis verkauft hätte, läge der Ausnahmetatbestand des § 3 a Abs 2 Z 4 NVG vor. Das Erstgericht gab dem Unterlassungs-Hauptbegehren statt und erteilte dem Kläger die Ermächtigung, den stattgebenden Teil des Urteils auf Kosten der Beklagten in einer Samstagausgabe der "Tiroler Tageszeitung" im Textteil veröffentlichen zu lassen; das darüber hinausgehende Veröffentlichungsbegehren wies es ab. Das Erstgericht traf folgende weitere Feststellungen:
Der Preis, zu dem die gegenständlichen Waren in Österreich im November 1988 größenmäßig mit der Beklagten vergleichbaren Mitbewerbern im Großhandel allgemein angeboten wurden, betrug unter Berücksichtigung sämtlicher Rabatte, Preisnachlässe und Sonderkonditionen bei der 250 Gramm-Packung "Soletti" immer über S 9,50, bei der 0,7 Liter-Flasche "Scharlachberg" 3-Stern-Weinbrand immer über S 38. Nach Hinzurechnung der beim Verkauf anfallenden Steuern hätte demnach der Verkaufspreis der Beklagten bei der 250 Gramm-Packung "Soletti mindestens 10,46 S, bei der 0,7 Liter-Flasche "Scharlachberg" 3-Stern-Weinbrand mindestens S 54,72 betragen müssen.
Die Firma I*** hat in einem Inserat in der "Tiroler Tageszeitung" vom 8. 9. 1988 die 250 Gramm-Packung "Soletti" um S 9,90 angeboten; auch die Firma H***Diskont hat dieses Produkt zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt um diesen Preis angeboten. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht - ausgehend davon, daß der Kläger nur den typischen Einkaufspreis gleichartiger Mitbewerber nachzuweisen habe, die Beklagte im Fall des Gelingens dieses Beweises durch den Kläger aber ihren konkreten Einstandspreis nachweisen müsse - einen Verstoß der Beklagten gegen § 3 a NVG und damit auch gegen § 1 UWG. Die Ausnahme vom Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis gemäß § 3 a Abs 2 Z 4 NVG komme der Beklagten nicht zustatten, weil nicht nachgewiesen worden sei, daß Mitbewerber den gleichen Preis offenbar zulässigerweise gefordert hätten.
Das Berufungsgericht hob das - in seinem abweisenden Teil unangefochten gebliebene - Urteil des Erstgerichtes im übrigen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; weiters sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei.
Das Berufungsgericht lehnte es - ohne Beweiswiederholung - ab, die Feststellungen des Erstgerichtes über die Einstandspreise verlgeichbarer Mitbewerber für die verfahrensgegenständlichen Waren zu übernehmen, weil diese Feststellungen in den Aussagen der Zeugen Anton F*** und Kurt S*** - auf welche sie das Erstgericht ausschließlich gestützt habe - keine Deckung fänden. Zur Feststellung der allgemeinen Marktgegebenheiten und eines sich daraus allenfalls ergebenden Verkaufes der Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis bedürfe es weiterer Beweisanbote und Beweisaufnahmen, zu denen das Erstgericht den Kläger gemäß §§ 182 f ZPO anzuleiten haben werde. Damit erweise sich die Entscheidungsgrundlage als noch nicht ausreichend, so daß eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Rechtssache derzeit nicht möglich sei.
Beide Parteien bekämpfen diesen Aufhebungsbeschluß mit Rekurs. Der Kläger macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst der Klage stattzugeben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte führt die Rekursgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung aus und beantragt, den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und in der Sache selbst die Klage abzuweisen; auch die Beklagte stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, den Rekurs der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben; die Beklagte beantragt, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Auch der Rekurs der Beklagten ist - entgegen der in der Rekursbeantwortung des Klägers vertretenen Auffassung - zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Grenzen der richterlichen Anleitungspflicht abgewichen ist; nur er ist auch berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgeführt hat (ÖBl 1989, 174; RdW 1990, 254, 4 Ob 3/90; 4 Ob 18/90; 4 Ob 52/90), kommt bei der Geltendmachung von Verstößen gegen das Verbot des Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis eine Umkehr der Beweislast nicht in Betracht; vielmehr ist es Sache des Klägers, den Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis - allenfalls nach den Grundsätzen des Prima-facie-Beweises (RdW 1990, 254, ÖBl 1989, 183, 4 Ob 3/90; 4 Ob 18/90; 4 Ob 52/90) - nachzuweisen. Demzufolge hat aber der Kläger nur den "üblichen Einstandspreis" von Unternehmen nach Art des Beklagten, nicht aber dessen konkreten Einstandspreis zu beweisen (RdW 1990, 254 unter Billigung der von Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis - Zur Auslegung und Kritik des § 3 a Nahversorgungsgesetz, RdW 1989, 241 ff Ä245 ffÜ vertretenen Auffassung); der Beklagte kann dann die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun, also seinerseits eine Art von Anscheinsbeweis dafür erbringen, daß der Schluß vom allgemeinen Einstandspreisniveau auf seinen Einstandspreis nicht zwingend ist (RdW 1990, 254; ÖBl 1989, 183, 4 Ob 52/90; Fitz-Roth aaO). Dem Argument des Klägers, daß beim Verkauf unter dem Einstandspreis eine gleichartige Interessenlage gegeben sei wie bei der Alleinstellungswerbung, weshalb der Beklagte, der sich einer derart aggressiven Werbemethode bedient hat, auch seinen eigenen Einstandspreis konkret beweisen müßte, ist lediglich entgegenzuhalten, daß eine Alleinstellungswerbung von jedermann leicht erkannt werden kann; eine Beweislastverschiebung wurde in solchen Fällen damit begründet, daß derjenige, der sich einer Alleinstellung rühmt, diese dann zu beweisen habe, wenn der Kläger im Einzelfall mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat, während dem Beklagten die entsprechenden Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben (ÖBl 1984, 97 ua). Ob jedoch der Beklagte unter dem Einstandspreis verkauft hat, ist in einem Verfahren wegen eines Verstoßes gegen § 3 a NVG zunächst nur eine (unbewiesene) Behauptung des Klägers, welche für sich allein noch keine Umkehr der Beweislast rechtfertigt; da der Einstandspreis als Betriebsgeheimnis anzuerkennen ist, kann dem Beklagten auch nicht zugemutet werden, den Beweis des Gegenteils zu führen.
Mit seinen weiteren Ausführungen, daß die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gebilligte Möglichkeit der Widerlegung des vom Kläger erbrachten Anscheinsbeweises durch den Beklagten mit Hilfe des (weiteren) Anscheinsbeweises der ernstlichen Möglichkeit eines atypischen Verlaufes nur dort gelten könne, wo für die Entscheidung eine "in-etwa"-Feststellung ausreiche, was aber bei einem Verstoß gegen § 3 a NVG nicht der Fall sei, vermag der Kläger die Zulässigkeit dieses Prima-facie-Gegenbeweises ebenfalls nicht zu erschüttern. Eine solche Widerlegung durch den Nachweis der ernstlichen Möglichkeit eines atypischen Verlaufes ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen § 3 a NVG vorliegt, nicht die einzige Entscheidungsgrundlage; im Fall des Gelingens dieses Gegenbeweises ist es nämlich dann Sache des Klägers, den konkreten Gesetzesverstoß des Beklagten zu beweisen. Das Institut des Prima-facie-Beweises bedient sich nur der Beweisthemenverschiebung, nicht aber einer Verschiebung oder einer Umkehr der Beweislast; der Beweis des Gegenteils ist nur bei gesetzlichen Vermutungen und bei einer Umkehr der Beweislast zu erbringen (Fasching, LB2 Rz 895).
Die im Rekurs des Klägers aufgeworfene weitere Frage, wodurch der Beklagte den Gegenbeweis der ernstlichen Möglichkeit eines atypischen Verlaufes erbringen kann, ist hier nicht streitentscheidend, weil dem Kläger der Beweis der allgemeinen Marktgegebenheiten und des sich daraus ergebenden Verkaufes des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis nicht gelungen ist (vgl ÖBl 1989, 174). Auch trifft es nicht zu, daß das Berufungsgericht dem Kläger eine höhere Behauptungs- und Beweislast auferlegt hätte; ob jedoch der Kläger den ihm obliegenden (Anscheins-)Beweis bereits erbracht hat, ist eine Frage der Beweiswürdigung, welche vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen ist (Fasching aaO Rz 897). Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rekurs des Klägers ist daher nicht einzugehen.
Mit Recht rügt aber die Beklagte in ihrem Rekurs, daß das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz aufgehoben hat, um dem Erstgericht Gelegenheit zu geben, den beweispflichtigen Kläger zu weiteren Beweisanboten anzuleiten. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, die Feststellungen des Erstgerichtes über die Einstandspreise vergleichbarer Mitbewerber zu übernehmen, und dieses Vorgehen ausschließlich mit dem - dem Bereich der Beweiswürdigung zugehörigen - Argument begründet, daß aus den Aussagen der vom Kläger dazu angebotenen Zeugen Anton F*** und Kurt S*** nicht auf die handelsüblichen Großhandelspreise und die darauf üblicherweise gewährten Nachlässe geschlossen werden könne; darüber hinaus hätten sich diese Zeugen hinsichtlich der ihren Unternehmen zugegebenermaßen gewährten Sonderkonditionen auf das Geschäftsgeheimnis berufen. Damit hat das Berufungsgericht den Aussagen dieser Zeugen über die Einstandspreise vergleichbarer Mitbewerber den Glauben versagt. Die Anleitungspflicht des Gerichtes (§ 182 ZPO) geht jedoch nicht so weit, daß der Richter zu erkennen geben mußte, welchen Beweismitteln er Glauben schenken werde und welchen nicht, und in diesem Zusammenhang zu neuen Beweisanträgen anzuleiten hätte (EvBl 1960/282). Schon aus diesem Grund durfte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes nicht aufheben und die Sache an das Erstgericht zurückverweisen. Davon abgesehen, steht aber auch der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung einer Aufhebung des Urteils der ersten Instanz unter Bindung an die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes entgegen (EvBl 1960/119); § 488 ZPO trägt vielmehr dem Berufungsgericht die Wiederholung der Beweisaufnahmen auf, wenn es gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes Bedenken hat (SZ 53/117 uva). In einem solchen Fall hat das Berufungsgericht gemäß § 488 Abs 4 ZPO den Parteien auch bekanntzugeben, daß es gegen die Würdigung der Beweise durch das Erstgericht Bedenken habe, und ihnen Gelegenheit zu geben, eine neuerliche Aufnahme dieser Beweise durch das Berufungsgericht zu beantragen.
Auch die Rechtsrüge der Beklagten ist berechtigt. Das Berufungsgericht hat - obzwar es dazu nur nach Beweiswiederholung berechtigt gewesen wäre (RZ 1936, 70; Rsp 1936/236 uva) - die Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen mit Beweiswürdigungsargumenten abgelehnt und dabei die Ansicht vertreten, daß die Behauptungen des Klägers über die Einstandspreise vergleichbarer Mitbewerber der Beklagten nicht erwiesen seien; darin liegt aber auch die entsprechende negative Feststellung, an welche der Oberste Gerichtshof gebunden ist, weil der Kläger die bei ihrer Gewinnung begangenen Verfahrensverstöße nicht gerügt hat. Entgegen der vom Kläger in seiner Rekursbeantwortung vertretenen Auffassung hat aber das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes nicht deshalb aufgehoben, weil das Erstgericht den Kläger zu konkreterem Vorbringen zu einem anderen Beweisthema anzuleiten gehabt hätte; es hat die Verletzung der Anleitungspflicht vielmehr nur deshalb bejaht, weil der Kläger nicht zu weiteren Beweisanboten angeleitet worden war.
Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichtes ist dem Kläger schon der Beweis dafür mißlungen, daß der übliche Einstandspreis von Handelsketten, die der Beklagten vergleichbar sind, über dem beanstandeten Verkaufspreis der Beklagten oder in dessen Höhe liegt. Damit stellt sich aber die Frage, ob und auf welche Weise die Beklagte nach dem Beweis eines höheren üblichen Großhandelspreises den dadurch begründeten Anschein, daß sie die beanstandeten Waren zum oder unter ihrem Einstandspreis angeboten habe, zu entkräften hätte, nicht mehr, weil ein Verstoß gegen § 3 a Abs 1 NVG in einem solchen Fall nicht nachgewiesen ist (ÖBl 1989, 174); aus diesem Grund war daher das auf einen derartigen Verstoß gegründete Hauptbegehren des Klägers abzuweisen.
Aber auch sein Eventualbegehren ist nicht berechtigt. Der Kläger verweist in der Rekursbeantwortung nur darauf, daß die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten bei der Lieferung der beanstandeten Waren an die Beklagte keine "Großhandelsfunktion", sondern lediglich eine "Lagerfunktion" ausgeübt habe; die Beklagte habe gegen Z 3 des Wohlverhaltenskataloges der Bundeswirtschaftskammer verstoßen, weil von einem Großhandelsunternehmen ein Rabatt beansprucht worden sei, ohne daß dieses Unternehmen eine solche Funktion auch ausgeübt habe. Daß aber die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten für die an die Beklagte gelieferten Waren einen Großhandelsrabatt in Anspruch genommen hätte, hat das Erstgericht gar nicht festgestellt; auf ein solches Verhalten ist das Eventualbegehren auch nicht gestützt worden. Es fehlt aber auch an einem schlüssigen Vorbringen des Klägers, aus dem sich ein Verstoß der Beklagten gegen § 1 NVG ergäbe, hat doch der Kläger gar nicht konkret behauptet, warum ein ungewöhnlicher Preisnachlaß, den die Beklagte oder ihre persönlich haftende Gesellschafterin erwirkt habe, im Einzelfall unzulässig gewesen wäre (vgl. ÖBl 1989, 174).
Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes war daher aufzuheben und in der Sache selbst im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klage zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO.
Anmerkung
E21684European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00105.9.0710.000Dokumentnummer
JJT_19900710_OGH0002_0040OB00105_9000000_000