Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***, Wien 4., Schwarzbergplatz 14, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei F*** F.M.Z*** Gesellschaft mbH & CO, Dornbirn, Wallenmahd 46, vertreten durch Dr.Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 220.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 18.Mai 1990, GZ 4 R 6/90-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 24.Oktober 1989, GZ 8 Cg 238/89-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 8.649 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.441,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt an zahlreichen Standorten - darunter auch in Dornbirn - Verbrauchermärkte (Großmärkte). Sie hat am 25.8.1988 in den "Vorarlberger Nachrichten" in einem ganzseitigen Inserat "Happy day"-Apfelsaft (100 % Saft, 1-l-Packung), welcher von der R*** Fruchtsaft GmbH in Rankweil (im folgenden kurz: Firma R***) erzeugt wird, um S 5 statt S 6,90 angeboten und um diesen herabgesetzten Preis auch verkauft.
Die Beklagte gehört zur sogenannten Z***-Gruppe. Diese umfaßt eine Vielzahl von Gesellschaften, die in Österreich etwa 100 "F***"-Märkte und einige "D***"-Märkte betreiben; sie erreichte 1988 5 Milliarden S und 1989 (voraussichtlich) 6,4 bis 7 Milliarden S Gesamtumsatz. Die in derselben Branche tätige S***-Gruppe erreichte (mit den einzelnen "S***-Kaufleuten") einen Umsatz von 18 bis 19 Milliarden S; die A***-Gruppe erzielt derzeit 8 bis 9 Milliarden S, die Firma W*** & D*** ca 2,5 Milliarden S Umsatz. In der Zeit, in der die Beklagte "Happy day"-Apfelsaft um S 5 anbot und verkaufte, betrug der Preis, zu dem dieser Artikel in Österreich größenmäßig vergleichbaren Mitbewerbern im Großhandel allgemein angeboten wurde, nach Abzug sämtlicher Rabatte, Preisnachlässe und Sonderkonditionen sowie des österreichweit gewährten Zentralrabattes, jedoch ohne Steuern, mehr als S 4,70. Bei Annahme eines solchen Preises müßte der Verkaufspreis, um über dem Einkaufspreis (samt Steuern) zu liegen, S 6,21 betragen. Auch bei Gewährung allfälliger weiterer Sonderkonditionen und Rabatte wäre für diesen Artikel von vergleichbaren Großhandelsunternehmen ein Einkaufspreis von S 3,78 (ohne Steuern) nie zu erreichen gewesen. Die Z***-Gruppe steht seit mindestens 20 Jahren mit der Firma R*** in Geschäftsverbindung. Zu welchem Preis und in welcher Menge die F.M.Z*** GmbH (als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten) die in Rede stehenden Fruchtsäfte von der Firma R*** bezogen hat und ob dieser Preis unter ihrem Wiederverkaufspreis liegt, kann nicht festgestellt werden; auch die für diese Lieferungen der F.M.Z*** GmbH allenfalls gewährten Sonderkonditionen, Rabatte und Preisnachlässe sind nicht feststellbar. In jedem Fall wurde "Happy day"-Apfelsaft im fraglichen Zeitraum von vergleichbaren Mitbewerbern im Großhandel bei Berücksichtigung sämtlicher Sonderkonditionen, Preisnachlässe und Rabatte allgemein zu einem Preis eingekauft, der über dem Verkaufspreis der Beklagten liegt
Die M***-Warenhandels AG hat in der Zeit vom 16.5. bis 18.8.1988 diesen Artikel wiederholt um S 4,90 pro Liter zum Verkauf angeboten.
Der klagende Schutzverband behauptet, daß die Beklagte "Happy day"-Apfelsaft unter dem Einstandspreis verkauft und damit gegen § 3 a NVG und § 1 UWG verstoßen habe. Er beantragt (ua), die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Waren, nämlich Apfelsaft der Marke "Happy day" der Firma R*** Fruchtsaft GmbH zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der von ihr geforderte Preis von S 5 liege nicht unter dem Einstandspreis, weil ihr die Firma R*** sachlich gerechtfertigte Sonderkonditionen gewähre. Selbst wenn aber ein Verkauf unter dem Einstandspreis vorläge, wäre er gemäß § 3 a Abs 2 Z 4 NVG gerechtfertigt, weil die Preiserstellung in Anpassung an den von der M*** AG geforderten Preis von S 4,90 erfolgt sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger habe bewiesen, daß der im Großhandel allgemein übliche Einstandspreis unter dem von der Beklagten verlangten Verkaufspreis liegt. Damit hätte aber die Beklagte den Nachweis erbringen müssen, daß ihr der Apfelsaft um einen Preis angeboten und verkauft wurde, der unter ihrem Verkaufspreis von S 5 liegt; dieser Beweis sei ihr aber nicht gelungen. Damit sei ein Verstoß gegen § 3 a NVG anzunehmen, welcher nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch einen Verstoß gegen § 1 UWG begründe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Da es in der Regel einem Kläger, der Verstöße gegen § 3 a NVG verfolgt, unmöglich sei, den konkreten Einstandspreis des Beklagten nachzuweisen, genüge es, wenn er die allgemeinen Marktgegebenheiten (nämlich die handelsüblichen Einstandspreise unter Berücksichtigung der darauf üblicherweise gewährten Nachlässe) sowie den sich daraus ergebenden Verkauf des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis beweise. Dieser Beweis sei dem Kläger gelungen, lägen doch die üblichen Einkaufspreise des Großhandels weit über dem Preisniveau, zu dem die Beklagte den Apfelsaft verkauft habe. Die Beklagte hätte daher die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun und eine Art Anscheinsbeweis dafür erbringen müssen, daß der Schluß vom allgemeinen Preisniveau auf ihren eigenen Einstandspreis nicht zwingend sei. Den Anforderungen, die an einen derartigen Gegenanscheinsbeweis zu stellen seien, habe jedoch die Beklagte in keiner Weise genügt. Je stärker der Verkaufspreis den prima facie bewiesenen Einstandspreis unterschreite, um so höhere Anforderungen seien an den Gegenanscheinsbeweis zu stellen. Daß auch die M*** AG den Apfelsaft um einen noch geringfügig niedrigeren Preis als die Beklagte verkauft hat, genüge für diesen Gegenanscheinsbeweis nicht, weil die Preise der Beklagten und der M*** AG auffallend weit unter dem übrigen Großhandelspreisniveau lägen.
Auch der Ausnahmetatbestand des § 3 a Abs 2 Z 4 NVG liege nicht vor. Das Wort "offenbar" sei in dieser Gesetzesstelle im Sinne von "ausreichend" oder "vermutlich" zu lesen. Daß jeder Unternehmer mangels gegenteiliger Kenntnis davon ausgehen dürfe, daß sein Mitbewerber einen niedrigeren Preis "offenbar zulässigerweise" verlange, treffe nur dann zu, wenn der Preis, an den sich der Unternehmer anpassen will, nicht auffallend unter dem Durchschnittsniveau der Einkaufspreise liegt. Eine solche auffallende Unterschreitung sei aber hier gegeben, liege doch der Verkaufspreis der Beklagten um ca 20 % unter dem allgemeinen Großhandelseinkaufspreis. Es sei daher nicht Sache des Klägers, zu beweisen, daß die Beklagte wußte, daß die M*** AG den Preis nicht zulässigerweise gefordert hatte, oder daß ihr wenigstens Umstände bekannt sein mußten, aus denen auf eine unzulässige Preiserstellung zu schließen war.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt die Beklagte Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagte als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen der Meinung des Klägers zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmer als "vergleichbarer Mitbewerber" des Beklagten anzusehen ist, bisher nicht ausdrücklich Stellung genommen hat (§ 502 Abs 1 ZPO). Sie ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin ist der Ansicht, daß es zur Feststellung des üblichen Großhandelspreises nicht ausgereicht habe, die Einstandspreise von nur zwei Mitbewerbern heranzuziehen. Ob dem Kläger der Beweis der allgemeinen Marktgegebenheiten und des daraus zu erschließenden Verkaufs der Beklagten unter dem Einstandspreis gelungen ist, sei zwar eine Beweisfrage, welche der Oberste Gerichtshof nicht mehr überprüfen könne; nach welchen Kriterien der "übliche Großhandelseinstandspreis" zu bestimmen ist, sei aber eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Aus dem festgestellten Gesamtumsatz einiger Mitbewerber ergebe sich nicht, daß sie vergleichbare Mitbewerber seien.
Diese Ausführungen sind nicht berechtigt. Wie der Oberste Gerichtshof nunmehr bereits wiederholt ausgesprochen hat (ÖBl 1989, 174; ÖBl 1990, 82 = RdW 1990, 254; 4 Ob 3/90; 4 Ob 18/90; 4 Ob 52/90), kommt bei der Geltendmachung von Verstößen gegen das Verbot des Verkaufs zum oder unter dem Einstandspreis eine Umkehr der Beweislast nicht in Betracht; vielmehr ist es Sache des Klägers, den von ihm behaupteten Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis - allenfalls nach den Grundsätzen des prima facie-Beweises (ÖBl 1990, 82 = RdW 1990, 254; 4 Ob 3/90; 4 Ob 18/90; ÖBl 1989, 183 ÄKOGÜ) - dadurch nachzuweisen, daß er die allgemeinen Marktgegebenheiten, nämlich den handelsüblichen Großhandelspreis unter Berücksichtigung der darauf üblicherweise gewährten Nachlässe (ÖBl 1989, 174), und den daraus zu erschließenden Verkauf des Beklagten zum oder unter dem Einstandspreis nachweist (ÖBl 1989, 174; 4 Ob 3/90). Der Kläger braucht also nur den üblichen Einstandspreis von Unternehmern nach Art des Beklagten nachzuweisen, nicht aber dessen konkreten Einstandspreis, bestünde doch sonst die Gefahr, daß das Verbot des § 3 a NVG undurchsetzbar bliebe und seiner normativen Bedeutung beraubt würde (ÖBl 1990, 82 = RdW 1990, 254 unter Berufung auf Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis - Zur Auslegung und Kritik des § 3 a NahversorgungsG, RdW 1989, 241 ff Ä245Ü). Der Beklagte kann dann die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun, also seinerseits eine Art Anscheinsbeweis dafür erbringen, daß der Schluß vom allgemeinen Einstandspreis auf seinen Einstandspreis nicht zwingend ist (ÖBl
1989, 183; ÖBl 1990, 82 = RdW 1990, 254).
Unter Unternehmern "nach Art des Beklagten" (= "vergleichbaren
Mitbewerbern") sind dabei Mitbewerber von etwa gleicher Unternehmensgröße (mit Gesamtumsätzen in etwa derselben Größenordnung) und regelmäßig auch mit gleicher Vertriebsform zu verstehen; Unternehmen dieser Art haben wegen der Abnahme ähnlich großer Mengen der betreffenden Ware erfahrungsgemäß auch ähnliche Einkaufskonditionen. Weiterer Kriterien für die Vergleichbarkeit bedarf es zur Erbringung des Anscheinsbeweises nicht, bleibt es doch auch in dieser Frage dem Beklagten überlassen, die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes etwa durch den Beweis darzutun, daß er trotz vergleichbarer Unternehmensgröße von den betreffenden Artikeln wesentlich größere Mengen abnimmt als seine Mitbewerber, zB weil diese vorwiegend gleichartige Waren anderer Herkunft anbieten; derartiges hat aber die Beklagte nicht behauptet.
Soweit die Beklagte geltend macht, die Vorinstanzen hätte der Feststellung des allgemeinen Großhandels-(Einkaufs)Preises vergleichbarer Mitbewerber nur die Einkaufskonditionen von zwei Mitbewerbern zugrunde gelegt, übersieht sie, daß das Erstgericht nicht nur Einkäufer der Mitbewerber S*** und A***, sondern auch Funktionär der Vorarlberger Handelskammer vernommen hat und die Vorinstanzen auf Grund dieser Beweisergebnisse festgestellt haben, der übliche Großhandelseinkaufspreis vergleichbarer Mitbewerber liege allgemein über dem Verkaufspreis der Beklagten. Dabei haben die Tatsacheninstanzen auch sämtliche Sonderkonditionen, Preisnachlässe und Rabatte einschließlich des österreichweit gewährten "Zentralrabattes" berücksichtigt. Die Ausführungen der Revisionswerberin zu dieser Frage richten sich daher in Wahrheit gegen die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen. Ob der Anscheinsbeweis im konkreten Fall erbracht wurde, ist aber eine Frage der Beweiswürdigung, die vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden kann (4 Ob 52/90).
Nicht berechtigt ist schließlich auch der Einwand der Revisionswerberin, sie habe nicht erkennen müssen, daß der von der M*** AG geforderte Endverbraucherpreis von S 4,90 auffallend unter dem gewöhnlichen Durchschnittspreisniveau lag; sie sei daher gemäß § 3 a Abs 2 Z 4 NVG berechtigt gewesen, ihren Verkaufspreis an diesen "offenbar zulässigerweise" geforderten Preis anzupassen. Tatsächlich vermochte sich die Beklagte nur auf einen einzigen Mitbewerber zu berufen, der den gleichen Artikel zu einem ähnlichen - sogar noch um 10 g niedrigeren - Preis angeboten und verkauft hat. Anders als in dem zu 4 Ob 104/90 entschiedenen Fall lagen aber besondere Umstände, die darauf schließen ließen, dieser Mitbewerber habe vom Lieferanten bessere Konditionen als die übrigen Mitbewerber bekommen, hier nicht vor. Der Einstandspreis, zu dem die vergleichbaren Mitbewerber der Beklagten diesen Artikel allgemein bezogen, lag aber (zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen) auffallend - nämlich um rund 24 % - höher als der Preis, zu dem die Beklagte diesen Artikel an Letztverbraucher verkauft hat. Die - allerdings nicht festgestellte - Differenz zu den üblicherweise bestimmte Aufschläge enthaltenden Verkaufspreisen dieser Mitbewerber, welche die Beklagte jeweils unschwer ermitteln konnte, muß daher noch entsprechend höher gewesen sein. Bei einem solchen Unterschied zum durchschnittlichen Preisniveau der Unternehmer mit vergleichbarer Unternehmensstruktur durfte aber die Beklagte mangels besonderer Umstände nicht davon ausgehen, daß der von der M*** AG für den gleichen Artikel verlangte Preis von S 4,90 im Sinne der Ausführungen in der Entscheidung ÖBl 1989, 167 = EvBl 1990, 23 = JBl 1990, 189 und der Ausführungen von Fitz-Roth (aaO 253) "offenbar zulässigerweise" gefordert wurde.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E21396European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00108.9.0710.000Dokumentnummer
JJT_19900710_OGH0002_0040OB00108_9000000_000