TE OGH 1990/7/11 3Ob78/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois H***, Postbeamter, Vinzenzgasse 78, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger und Dr. Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Klaudia W***, Studentin, Brunnerweg 14, 8052 Graz, vertreten durch Dipl.Ing.Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 EO (Unterhaltsrückstand: 37.600 S; laufender Unterhalt: 4.700 S monatlich) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 20. November 1989, GZ 4 R 511/89-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 31. Juli 1989, GZ 11 C 1/89-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die am 18.Februar 1964 geborene Beklagte ist die eheliche Tochter des Klägers. Die Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten wurde 1982 geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Kläger zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.200 für die damals noch minderjährige Beklagte.

Mit der am 10.Dezember 1985 zu 33 C 183/85 des Erstgerichtes eingebrachten Klage begehrte die zu diesem Zeitpunkt bereits eigenberechtigte nunmehrige Beklagte, welche damals noch den Familiennamen H*** führte, die Erhöhung des Unterhaltes auf monatlich S 4.700 mit der Begründung, sie studiere Medizin und finde mit dem bisher geleisteten Unterhalt nicht mehr das Auslangen. Der Beklagte sei auf Grund seines Einkommens als Angestellter der Post- und Telegraphendirektion Graz zur Zahlung des begehrten Unterhaltes in der Lage. Nach der damals eingeholten Lohnauskunft der Post- und Telegraphendirektion Graz bezog der Kläger einschließlich einer Reihe von Zulagen mehr als S 29.000 monatlich an Einkommen. Am 15.Jänner 1986 erging ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14.November 1988, 11 E 15616/88-1, wurde der Beklagten, die im Exekutionsantrag angegeben hatte, nunmehr W*** zu heißen, auf Grund des genannten Versäumungsurteiles zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von S 37.600 (ab 1.April 1988) und des monatlichen laufenden Unterhaltes von S 4.700 ab 1.Dezember 1988, die Exekution durch Pfändung und Überweisung des Diensteinkommens, welches dem Kläger gegenüber der Post- und Telegraphendirektion Graz zusteht, bewilligt. Der Kläger bekämpft diese Exekutionsführung mit der vorliegenden Oppositionsklage mit dem Vorbringen, sein Einkommen sei nach Durchführung der technischen Aus- und Umbauten seiner Dienststelle durch Wegfall von Überstunden und Sonderleistungen gesunken, sodaß ein allfälliger Unterhaltsanspruch der Beklagten nur mehr monatlich S 2.000 betrage.

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei auch deshalb zur Gänze erloschen, weil sie am 25.Juli 1987 mit Andreas W***, der durchaus in der Lage sei, für ihren Unterhalt aufzukommen, die Ehe geschlossen habe. Der Kläger habe sich wohl bei der Hochzeitsfeier bereit erklärt, freiwillig weiterhin Unterhalt zu leisten, doch habe dies nur für die Zeit gegolten, in der er infolge der geleisteten Überstunden ein besonders hohes Einkommen bezogen habe. Dieses sei nun weggefallen.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, sie habe sich zunächst dem Drängen des Klägers widersetzt, Andreas W***, den Vater ihres Kindes, mit dem sie schon längere Zeit in Lebensgemeinschaft gelebt habe, zu ehelichen, weil dadurch ihr Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kläger gefährdet werde. Der Kläger habe ihr zugesagt, weiterhin den ihm mit Versäumungsurteil auferlegten Betrag von monatlich S 4.700 zuzüglich weiterer S 100 monatlich zu leisten. Das Erstgericht gab den Einwendungen des Klägers Folge und erklärte die Exekution für unzulässig. Es stellte fest:

Die Beklagte war schon vor der Eheschließung mit Andreas W*** am 25.Juli 1987 eine Hausgemeinschaft eingegangen. Andreas W*** ist seit 9.Juni 1986 als Vertragsbediensteter beim Land Steiermark beschäftigt und bezog von April bis Dezember 1988 ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von rund S 9.900, ab Jänner 1989 ein solches von zumindest S 13.200.

Der Kläger verdiente als Postbeamter der Post- und Telegraphendirektion von April 1988 bis Dezember 1988 monatlich durchschnittlich rund S 17.400 netto, ab Jänner 1989 rund S 17.800 netto.

Die Beklagte hat kein eigenes Einkommen und lebt mit dem gemeinsamen Kind mit ihrem Ehemann im Haus seiner Eltern. Für die Wohnung ist ein monatliches Benützungsentgelt von S 1.500 zu zahlen. Rechtlich leitete das Erstgericht aus diesem Sachverhalt ab, der Unterhaltstitel der Beklagten sei erloschen, weil analog § 143 Abs. 2 ABGB die Unterhaltspflicht des Ehegatten jener der Eltern vorgehe. Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber einem verheirateten Kind bleibe nur dann aufrecht, wenn ein nicht selbsterhaltungsfähiges Kind einen ebenfalls nicht selbsterhaltungsfähigen Partner eheliche. Dies sei bei dem festgestellten Durchschnittseinkommen des Ehemannes der Beklagten aber nicht der Fall. Ein allfälliger vertraglicher Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger könne nicht berücksichtigt werden, weil für ihn noch kein Exekutionstitel bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es gab den Einwendungen des Klägers nur hinsichtlich eines Unterhaltsrückstandes von S 13.600 und eines laufenden Unterhaltes ab 1.April 1988 von monatlich S 1.700 Folge, sodaß der Exekutionstitel für einen Rückstand von S 24.000 und für laufende Unterhaltsbeträge von S 3.000 monatlich aufrechterhalten wurde. Nach Beweiswiederholung durch Verlesung aller Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren mit Zustimmung beider Streitteile traf das Berufungsgericht die ergänzende Feststellung, daß der Kläger vor der Eheschließung, zu der sich die Beklagte und Andreas W*** auf Drängen des Klägers entschlossen haben, erklärte, er sei bereit, auch nach der Eheschließung weiterhin für die Beklagte Unterhalt zu leisten.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, die Unterhaltspflicht der Eltern falle bei Eheschließung eines noch nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes nur dann weg, wenn dieses gleichzeitig einen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB gegen den Ehepartner erwerbe. Diese Bestimmung begründe einen Unterhaltsanspruch der Ehegatten untereinander unabhängig von der Haushaltsführung aber nur im Rahmen der Lebensverhältnisse, also auf Grund einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung, er leite sich aus der einvernehmlichen Gestaltung der Lebensverhältnisse ab. Die Eheleute W*** hätten sich bei dieser Gestaltung aber gerade von der ausdrücklichen Zusage des Klägers leiten lassen, er werde auch nach der Eheschließung für die Beklagte Unterhalt leisten. Es wäre geradezu widersinnig, aus der Zusage der Weiterleistung des Unterhaltes das Erlöschen gerade dieses Anspruches abzuleiten. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger sei jedoch seit der Erlassung des Versäumungsurteiles vom 15.Jänner 1986 umfänglich geringer geworden, weil sich dessen Einkommensverhältnisse wesentlich verschlechtert hätten. Unter Heranziehung der Umstandsklausel berechtige das Absinken des Einkommens des Klägers eine Herabsetzung des Unterhaltes auf monatlich S 3.000 ab 1.April 1988.

Gegen den abändernden Teil sei die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO (aF) zulässig, weil zur Frage des Erlöschens der väterlichen Unterhaltspflicht bei Eheschließung der Tochter (bei Zusage der Weiterleistung des Unterhaltes) eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle und dieser Frage über den Einzelfall hinaus für die Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes fehlt es aber an dieser Voraussetzung. Die Entscheidung über die Unterhaltspflicht des Klägers hängt hier nicht von der vom Berufungsgericht behandelten Rechtsfrage ab, inwieweit die Eheschließung und die einvernehmliche Gestaltung der Lebensverhältnisse der Eheleute die Unterhaltspflicht eines Elternteiles erlöschen lassen und letztere also nur subsidiär in Betracht kommt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung können Unterhaltsschuldner und Unterhaltsberechtigter auf die Geltendmachung der sonst einer Unterhaltsvereinbarung innewohnenden Umstandsklausel wirksam verzichten (JBl 1989, 724 ua). Die vom Berufungsgericht ergänzend festgestellte, nach Entstehung des hier teilweise in einem Unterhaltsvergleich bestehenden Exekutionstitels zustandegekommene Vereinbarung, der Kläger werde der Beklagten trotz ihrer Verehelichung weiterhin Unterhalt leisten, bedeutete im Zweifel einen solchen Verzicht, nämlich den Verzicht auf die Geltendmachung des Umstandes der Verehelichung der Beklagten als Grund für ein Erlöschen oder die Herabsetzung des bisher geschuldeten gesetzlichen Unterhaltes.

Soweit der Beklagten nach der Eheschließung ein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann zustand, verlor zwar der Unterhaltsanspruch gegen den Kläger dadurch den Charakter eines gesetzlichen Unterhalts und wurde insoweit zu einem vertraglichen. Die Wirksamkeit der beiden vorhandenen Exekutionstitel wurde dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Der Kläger hat vielmehr gerade darauf verzichtet, den Umstand der Eheschließung der Beklagten als Oppositionsgrund nach § 35 EO geltend zu machen.

Von einer überraschenden Anwendung des § 281 a ZPO idF vor der WGN 1989 kann im Zusammenhang mit der Feststellung der strittigen Verzichtsvereinbarung nicht gesprochen werden, weil die Beklagte in ihrer Berufung eine solche Feststellung ausdrücklich beantragt hatte. Auf eine abgesehen von der Eheschließung der Beklagten gegebene sonstige wesentliche Änderung der beiderseitigen Verhältnisse erstreckte sich der Verzicht des Klägers hingegen zumindest im Zweifel nicht. Bei einer sonstigen Änderung der Verhältnisse nach Abschluß des Verzichtsvertrages käme daher die gänzliche oder teilweise Aufhebung des Unterhaltsanspruches der Beklagten gegen den Kläger in Betracht.

Die von den Vorinstanzen überschießend festgestellte Steigerung des Einkommens des Ehemannes der Beklagten, der schon im Zeitpunkt des Verzichtes als Vertragsbediensteter beim Land Salzburg beschäftigt war, wurde in der Klage nicht als Oppositionsgrund geltend gemacht.

Als einziger berechtigter Oppositionsgrund verbleibt damit die Verminderung des Einkommens des Klägers. In der Beurteilung der Auswirkungen dieser Änderung auf die Höhe des der Beklagten gegen den Kläger noch zustehenden Unterhaltsanspruches ist aber keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO idF vor der WGN 1989 erkennbar, sodaß die Revision insgesamt unzulässig ist.

Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, hat sie deren Kosten gemäß den §§ 40, 41 und 50 ZPO selbst zu tragen.

Anmerkung

E21157

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00078.9.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19900711_OGH0002_0030OB00078_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten