TE OGH 1990/7/12 7Ob618/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.07.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö***,

vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Mag. Helmut D***, Kaufmann, Wien 22., Konstanziagasse 41/10, vertreten durch Dr. Heinz Künzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zur Ausfolgung (Streitwert S 262.967,52), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. März 1990, GZ 14 R 220/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 17. Juli 1989, GZ 1 Cg 293/88-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 23.393,50 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 40 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Abgabenforderung von S 6,396.673 wurde mit Bescheid vom 28. März 1980 die dem Beklagten gegen die Konkursmasse der A*** GmbH zustehende Forderung von S 261.294,16 sA gepfändet und der klagenden Partei gemäß § 71 Abgabenexekutionsordnung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung zur Einziehung überwiesen. Der Masseverwalter erlegte den von der Gemeinschuldnerin dem Beklagten geschuldeten Betrag an Kapital und Zinsen, zusammen S 262.967,52 gemäß § 1425 ABGB bei Gericht und machte als Erlagsgrund widersprechende Behauptungen der Streitteile, der Erlagsgegner, über die Aufhebung der Pfändung geltend. Der Erlag wurde vom Erlagsgericht angenommen.

Das Erstgericht gab dem auf Zustimmung zur Ausfolgung gerichteten Klagebegehren statt. Es stellte über den eingangs dargestellten, nicht strittigen Sachverhalt hinaus fest, daß die Zustellung des Bescheides vom 28. März 1980 an den Beklagten am 31.3.1980 gemäß § 104 Abs. 3 BAO durch öffentliche Bekanntmachung erfolgte.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei das Gericht an den vollstreckbaren Bescheid des Finanzamtes gebunden. Zufolge der Überweisung der Forderung des Beklagten an die klagende Partei sei diese berechtigt, den Betrag einzuziehen. Entgegen der Meinung des Beklagten komme der klagenden Partei ein Rechtsschutzinteresse zu, weil die Pfändung und Überweisung nicht die erforderliche Zustimmung des Beklagten zur Ausfolgung des Erlages ersetze.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes sei durch die Überweisung zur Einziehung das Recht des Beklagten (Zweiterlagsgegner), die Zustimmung zur Ausfolgung an die klagende Partei (Ersterlagsgegner) zu erklären oder zu versagen auf die klagende Partei als Überweisungsgläubigerin übergegangen. Begehre diese vom Erlagsgericht die Ausfolgung des erlegten und zuvor gepfändeten Betrages, könne von einer fehlenden Zustimmung des Beklagten nicht gesprochen werden. Ein gegen den Verpflichteten gerichtetes Urteil auf Zustimmung zur Ausfolgung stelle nur einen überflüssigen Formalakt dar.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Zu Unrecht beruft sich die zweite Instanz für ihre Rechtsansicht auf die Entscheidung JBl. 1974, 625 (mit Kritik von Hoyer), weil dieser ein anderer Sachverhalt zugrundelag. Dort war der Anspruch eines der Erlagsgegner auf Ausfolgung des Erlages gepfändet und einem anderen Erlagsgegner zur Einziehung überwiesen worden. Richtig ist zwar, daß die Überweisung zur Einziehung gemäß § 308 Abs. 1 EO den Betreibenden ermächtigt, namens des Verpflichteten vom Drittschuldner die Entrichtung des im Überweisungsbeschluß bezeichneten Betrages nach Maßgabe des Rechtsbestandes der gepfändeten Forderung zu begehren und alle zur Erhaltung und Ausübung des Forderungsrechtes notwendigen sonstigen Handlungen vorzunehmen. Die Überweisung zur Einziehung schafft aber nur eine zusätzliche Rechtsbeziehung zwischen dem betreibenden Gläubiger und dem Drittschuldner - andere Personen sind an diesem Verfahren nicht beteiligt - in der Weise, daß der betreibende Gläubiger Rechte des Verpflichteten gegen den Drittschuldner auszuüben berechtigt wird. Sie enthält hingegen keine Ermächtigung des betreibenden Gläubigers Erklärungen anderen Personen als dem Drittschuldner gegenüber abzugeben oder Rechtsbeziehungen zu diesen Personen zu gestalten (SZ 52/37). Nichts anderes kann auch im finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren gelten, weil die Bestimmungen des § 73 AbgEO den Vorschriften der §§ 308, 312 und 313 EO entsprechen (Reeger-Stoll, Abgabenexekutionsordnung 176). Hat der Drittschuldner den Betrag nach § 1425 ABGB bei Gericht erlegt, kommt dem betreibenden Gläubiger auf Grund der Überweisung zur Einziehung nicht auch das Recht zu, namens des Verpflichteten als Erlagsgegner die Zustimmung zur Ausfolgung zu erklären.

Die Ausfolgung eines gemäß § 1425 ABGB zu Gunsten mehrerer Personen erlegten Betrages an eine von ihnen darf nur erfolgen, wenn alle Erlagsgegner zugestimmt haben. Die fehlende Zustimmung kann nur durch eine erfolgreiche Klage auf Zustimmung ersetzt werden (Reischauer in Rummel ABGB Rz 37 zu § 1425 mwN). Es ist hier nicht strittig, daß der Beklagte der Ausfolgung an die klagende Partei nicht zustimmte. Seine Einwände gegen die Ausfolgung des Betrages an die klagende Partei, die mit der Überweisung das Recht erlangte, den geschuldeten Betrag in Empfang zu nehmen und auf die Abgabenforderung zu verrechnen (vgl. Reeger-Stoll, aaO, 180 f), sind jedoch nicht berechtigt. Gemäß § 104 Abs 3 BAO können Zustellungen an Personen, deren Wohnung unbekannt ist, durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden und gelten als vollzogen, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Abgabenbehörde zwei Wochen verstrichen sind. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes erfolgte die Zustellung des im finanzbehördlichen Exekutionsverfahren ergangenen, die Pfändung und Überweisung betreffenden Bescheides vom 28. März 1980 an den Beklagten nach dieser Bestimmung. Daß die Voraussetzungen hiefür nicht vorlagen, wurde schon in erster Instanz nicht einmal behauptet. Ist der Bescheid aber in Rechtskraft erwachsen, sind die Gerichte daran gebunden (MietSlg. 32.659 uva). Auf den Einwand der Einhebungsverjährung im Sinne des § 238 Abs. 1 BAO war daher nicht einzugehen, abgesehen davon, daß hiezu die erforderlichen Tatsachenbehauptungen fehlen. Dem Beklagten stand es frei, Einwendungen gegen den Anspruch und gegen die Zulässigkeit der Pfändung und Überweisung im Abgabenexekutionsverfahren zu erheben, über die seitens der Abgabebehörde mit rechtsmittelfähigem Bescheid abzusrpechen gewesen wäre (Reeger-Stoll aaO 158).

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E21965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00618.9.0712.000

Dokumentnummer

JJT_19900712_OGH0002_0070OB00618_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten