TE OGH 1990/7/12 7Ob558/90

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Veröffentlicht am 12.07.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martha F***, Pensionistin, Wien 14., Linzerstraße 128/1/8, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Josef R***, Angestellter, Wien 15., Preysinggasse 34/24, vertreten durch Dr. Kurt Lux, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (Streitwert S 16.000,- für RAT S 12.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 28.Dezember 1989, GZ 48 R 779/88-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 3.Juni 1988, GZ 6 C 246/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.634,24 (darin S 439,04 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der (am 9.Jänner 1986) verstorbene Karl W*** war Eigentümer der Wohnung top Nr 7 im Haus Wien 12., Zeleborgasse 14-18, 2.Stiege. Er hat diese Wohnung am 14.Dezember 1985 (richtig 1984) für fünf Jahre der Beklagten vermietet. Am 8.Jänner 1985 kaufte der Beklagte die Eigentumswohnung von Karl W*** gegen Bezahlung einer monatlich im vorhinein fälligen Leibrente von S 3.500,-- ab 1. Februar 1985. W*** stimmte auch der Verbücherung dieses von beiden Teilen beglaubigt unterfertigten Leibrentenvertrages zu. Der Beklagte hat in der Folge die Leibrentenbeträge, wenn auch nicht immer pünktlich anläßlich seiner Besuche bei W*** im Pensionistenheim bezahlt. Die Klägerin, eine Nichte W***, verlangte von ihm, daß der Beklagte seine Zahlungen auf ein Konto leiste, worauf W*** erklärte, er wolle den Beklagten nicht drängen. Am 2.Mai 1985 holte die Klägerin aus der (verkauften) Wohnung einige Sachen ab und forderte dabei den Beklagten auf, den Zins nunmehr an sie zu bezahlen. Dieser lehnte mit der Begründung ab, daß er die Wohnung gekauft habe und daß er die monatlichen Leibrentenbeträge weiterhin an Karl W*** bezahlen werde. Am 6. Mai 1985 schenkte Karl W*** der Klägerin mit notariellem Vertrag die Eigentumswohnung. Unmittelbar darauf wurde das Eigentumsrecht der Klägerin auch verbüchert. Ab diesem Zeitpunkt schrieb die Gemeinnützige Allgemeine Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft die Betriebskosten für die Wohnung der Klägerin vor. Der Beklagte leistete aber weiterhin die monatlichen Zahlungen an W***, weil ihm von der Schenkung nichts bekannt war. Die Klägerin stützte ihr Räumungsbegehren ursprünglich auf einen qualifizierten Mietzinsrückstand mit der Behauptung, daß ein Mietvertrag mit dem Beklagten vorläge, später aber auf die Behauptung, daß der Beklagte die Wohnung titellos benütze. Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, die Wohnung auf Leibrente von Karl W*** gekauft zu haben und beantragte die Klagsabweisung.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab und traf die oben wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der vom Beklagten ursprünglich mit W*** abgeschlossene Mietvertrag durch den folgenden Leibrentenvertrag aufgehoben worden sei. Dieser Eigentumserwerb des Beklagten sei auch durch die folgende Schenkung der Wohnung an die Klägerin nicht untergegangen. Der Beklagten benütze die Wohnung daher nicht titellos. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der klagenden Partei mit dem angefochtenen Urteil diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und erwog rechtlich, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Karl W*** und dem Beklagten ab dem Leibrentenvertragsabschluß nach den Grundsätzen des Kaufvertragsrechtes zu beurteilen seien. Bei Prüfung der Frage, ob die Schenkung der Eigentumswohnung an die Klägerin gegenüber dem früheren Erwerber, dem Beklagten, rechtswirksam geworden sei, müsse sich die Klägerin entgegenhalten lassen, daß ihr noch vor der Schenkung bekannt gewesen sei, daß der Beklagte im Besitz der Wohnung ist und er diesen Besitz mit der Behauptung rechtfertigte, die Wohnung auf Leibrente gekauft zu haben. Da die Klägerin in Kenntnis eines früheren Kaufvertrages über die Wohnung Karl W*** zum Abschluß eines zweiten Veräußerungsgeschäftes verleitet habe, stehe dem Beklagten ein auf Naturalrestitution im Sinne des § 1323 ABGB gestütztes Schadenersatzbegehren zu. Daraus ergebe sich, daß die Räumungsklage rechtsmißbräuchlich erhoben werde, die Einrede des Beklagten, der Klägerin sei sein Eigentumserwerb schon vor der Schenkung bekannt gewesen, könne inhaltlich nur der exceptio doli gleichgehalten werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dieses im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerberin ist zuzugestehen, daß sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen keine Verleitung Karl W*** durch die Klägerin, ihr die Wohnung trotz der bereits erfolgten Veräußerung an den Beklagten zu schenken, ableiten läßt, wiewohl der Beklagte, dem das Erstgericht uneingeschränkt Glauben schenkte, ausgesagt hat, daß die Klägerin auf die Mitteilung hin, daß ihm die Wohnung verkauft worden ist, erwidert hat, das lasse sie sich nicht bieten, sie werde weitere Schritte unternehmen (vgl AS 46 f) und daß sie trotz der Schenkung der Wohnung keinen Einwand gegen die weitere Leibrentenzahlung des Beklagten an Karl W*** erhob. Der dem Berufungsgericht unterlaufenen Aktenwidrigkeit kommt jedoch aus folgenden Gründen keine Relevanz zu (vgl ZPO MGA14 § 503/84). Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Oberste Gerichtshof bei der Beurteilung der Doppelveräußerung von Liegenschaften auch dem von Schilcher-Holzer (Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerungen von Liegenschaften, JBl 1974, 445 ff, 512 ff) in Fortentwicklung der Lehre Koziols von der Verleitung zum Vertragsbruch (Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 120 ff) aufgegriffenen Gedanken von der Funktion des Besitzes als Ausdrucksmittel der typischen Erkennbarkeit von Forderungsrechten folgt. Darnach steht dem ersten Käufer einer Liegenschaft gegenüber dem zweiten Erwerber dann ein Schadenersatzanspruch nach § 1323 ABGB mit dem Ziel auf Übergabe der gekauften Liegenschaft zu, wenn das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Ersterwerbers für seinen Gegner deutlich erkennbar war. In diesem Falle genügt es bereits, daß sein Gegner seine obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen mußte (JBl 1981, 535, SZ 56/125, 5 Ob 4/87, zuletzt 7 Ob 602/89 sowie Aicher in Rummel ABGB Rz 13 und 14 zu § 1053). Wer sieht, daß eine unbewegliche Sache, die er kaufen will, von jemandem bewohnt oder benützt wird, muß sich fragen, ob dieses Wohnen oder Benützen einen rechtlichen Hintergrund haben kann: Nur in einem solchen Fall verliert eine allenfalls dahinterstehende Forderung die einer solchen sonst mangelnde Erkennbarkeit - wird "sozial typisch erkennbar" - und kann daher auch ohne die sonst für einen Schadenersatzanspruch gegen den bücherlichen Eigentümer geforderte Schädigungsabsicht oder arglistige Kollusion zu einem ebenfalls über das Schadenersatzrecht zu schützenden Rechtsgut werden (vgl Schilcher-Holzer aaO 454, 513). Sonst gilt der Grundsatz, daß derjenige Eigentümer wird und bleibt, der früher um die Einverleibung seines Eigentumsrechtes angesucht hat (§ 440 ABGB). Sieht man davon ab, daß die wenigen Tage, die zwischen der Kenntnis der Klägerin vom Erwerb der Wohnung durch den Beklagten bis zur Schenkung verstrichen sind, nach der Lebenserfahrung allein schon dafür sprechen, daß sie versucht hat, möglichst schnell Eigentum zu erwerben, muß sie sich noch entgegenhalten lassen, daß es ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit leicht möglich gewesen wäre, die Behauptung des Beklagten durch eine Aufforderung, eine entsprechende Urkunde vorzuweisen, auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Sie hätte dann den Geschenkgeber vor Abschluß des Schenkungsvertrages zu einer Stellungnahme über diesen Umstand aufzufordern gehabt und hätte erst bei Aufklärung durch diesen in dem Sinne, daß dem behaupteten Eigentumserwerb keine Rechtsbedeutung mehr zukommt, das Geschenk annehmen und darnach ihr Eigentumsrecht einverleiben lassen dürfen. All dies hat die Klägerin jedoch nicht getan. Bei der vorliegenden Situation muß daher gar nicht von einer wissentlichen Verleitung Karl W*** durch die Klägerin ausgegangen werden, weil ihr Fahrlässigkeit bei der Geschenkannahme zur Last zu legen ist, die den Beklagten zur Erhebung eines Schadenersatzanspruches nach § 1323 ABGB mit dem Begehren auf Naturalrestitution berechtigte. Zu Recht wurde daher dem Räumungsbegehren vom Beklagten inhaltlich eine der exceptio doli gleichzuhaltende Einwendung entgegengesetzt. Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E21429

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00558.9.0712.000

Dokumentnummer

JJT_19900712_OGH0002_0070OB00558_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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