TE OGH 1990/7/12 6Ob634/90

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Veröffentlicht am 12.07.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Erich K***, kaufmännischer Angestellter, 8010 Graz, Körösistraße 21/III/13;

2.) Dipl.Ing. Hans S***, Landesbeamter, 8010 Graz,

Körösistraße 23/II/18, beide vertreten durch Dr. Helmut Thomich, Rechtsawalt in Graz, wider die beklagte Partei B*** Handels-Gesellschaft mbH, 8010 Graz, Körösistraße 21, sowie des Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei Dr. Wilhelm S***, Unternehmer, 8010 Graz, Körösistraße 17, beide vertreten durch Dr. Guido Lindner, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen Entfernung von Werbetafeln (Streitwert: 30.000 S), infolge Revision der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 27. Februar 1990, GZ 27 R 17/90-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. November 1989, GZ 25 C 2885/88k-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind - neben anderen Personen - Miteigentümer (Wohnungseigentümer) des Wohnungseigentumshauses in Graz, Körösistraße 21-23. Dieses Haus wurde am Beginn der Siebzigerjahre im Auftrag der nunmehrigen Wohnungseigentümer von Dr. Candidus C*** sen. als Bauführer auf einer Liegenschaft errichtet, die damals noch in seinem Alleineigentum stand. Diese Liegenschaft grenzt im Südosten mit dem Grundstück 182/2 an das südlich anschließende Grundstück 182/1, welches zur EZ 2032 KG Geidorf gehört, deren grundbücherlicher Alleineigentümer der Nebenintervenient war und ist.

Die Beklagte ist Mieterin eines im Wohnungseigentum der V*** DER Ö*** B***,

Versicherungsaktiengesellschaft stehenden Geschäftslokales im Hause Körösistraße 21, dessen Osttrakt unter anderem auch auf dem Grundstück 182/2 errichtet wurde. Die Beklagte ließ mit Zustimmung des Nebenintervenienten auf der südlichen Feuermauer des Hauses Körösistraße 21 im Bereich des zweiten und dritten Obergeschoßes zwei Werbetafeln mit den Aufschriften "Bausatz-, Fenster- und Türenzentrum" und "Internorm sorgt für Wohnkomfort" anbringen. Sie hat diesbezüglich weder mit den Klägern noch mit den anderen Wohnungseigentümern des Hauses das Einvernehmen hergestellt und diese auch nicht um Zustimmung zur Anbringung der Werbetafeln gebeten.

Die Kläger stellten als "Miteigentümer der Liegenschaft 8010 Graz, Körösistraße 21-23", das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die "an der Südseite des Hauses .... angebrachten" beiden näher bezeichneten Werbetafeln zu entfernen. Die Beklagte habe von den Miteigentümern der Liegenschaft keine Zustimmung zur Anbringung der Werbetafeln eingeholt.

Die Beklagte hielt dem entgegen, daß die Feuermauer des Wohnungseigentumshauses auf dem Grundstück des Nebenintervenienten errichtet worden sei und daher in dessen Eigentum stehe. Der Nebenintervenient als Eigentümer der Feuermauer habe aber der Anbringung der Werbetafeln zugestimmt. Im übrigen fehle den beiden Klägern als bloßen Minderheitseigentümern auch die erforderliche Aktivlegitimation. Die übrigen Miteigentümer der Liegenschaft hätten gegen die Anbringung der Werbetafeln keinen Einwand erhoben beziehungsweise ausdrücklich erklärt, daß es aus optischen Gründe besser sei, diese an der Feuermauer zu belassen.

Die Kläger brachten dazu vor, der Nebenintervenient als Eigentümer des Nachbargrundes habe seinerzeit die teilweise Bauführung auf seinem Grund ausdrücklich bewilligt, sodaß ihr Rechtsvorgänger - der Bauführer - durch die Bauführung das Eigentum am Grund des Nebenintervenienten erworben habe (ON 15, AS 58). Die Beklagte behauptete demgegenüber, daß der Nebenintervenient der Bauführung nur "vorbehaltlich einer späteren grundbücherlichen Regelung" zugestimmt habe. Der seinerzeitige Bauführer sei daher unredlich gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es traf noch folgende Tatsachenfeststellungen:

Die südliche Feuermauer des Hauses Körösistraße 21 steht bis zu ca 1,30 m im Grundstück Nr. 182/1 der EZ 2032 KG Geidorf. Als sich im Zuge der seinerzeitigen Bauführung die Notwendigkeit einer derartigen Bebauung des südlichen Nachbargrundstückes ergab, gab der Nebenintervenient als Eigentümer der Nachbarliegenschaft schriftlich am 28. 5. 1971 "vorbehaltlich einer späteren grundbücherlichen Regelung" seine Zustimmung, daß die Parzelle 182/1 entlang der Grundgrenze zur Parzelle 182/2 in einer Breite von ca 1,30 m mit dem Osttrakt des Wohn- und Geschäftshauses Körösistraße 21-23 überbaut wird. Diesem Vorbehalt lag ein zwischen ihm und Dr. Candidus C*** sen. beabsichtigter Grundstückstausch zugrunde: Es sollte nämlich ein Dr. Candidus C*** sen. gehöriger, dem Nebenintervenienten bereits als Zufahrtsweg dienender Grundstreifen an der Nordseite seiner Liegenschaft gegen den durch die Bauführung in Anspruch genommenen Grundstreifen des Nebenintervenienten grundbücherlich getauscht werden. In der Folge wurde zwar der Bau teilweise auf dem Grundstück des Nebenintervenienten errichtet, dieser benützte auch den Zufahrtsweg auf dem Grundstreifen des Dr. Candidus C*** sen. weiter und errichtete dort sogar einen Zaun, doch unterblieb die grundbücherliche Durchführung des Tauschgeschäftes. Als dann nach mehr als zehn Jahren über das Vermögen des Dr. Candidus C*** sen. der Konkurs eröffnet wurde, erwarb der Nebenintervenient das Grundstück, auf dem sich der Zufahrtsweg befand, im Wege einer Zwangsversteigerung. Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß der seinerzeitige Bauführer Dr. Candidus C*** sen. im Hinblick auf die Zustimmungserklärung des Nebenintervenienten redlich gewesen sei und daher er beziehungsweise seine Rechtsnachfolger an der durch die Bauführung in Anspruch genommenen fremden Grundfläche gemäß § 418, dritter Satz, ABGB "außerbücherliches Eigentum" erworben hätten. Der Nebenintervenient habe sich seines Eigentumsrechtes verschwiegen und sei daher nicht befugt gewesen, allein die Zustimmung zur Anbringung der Werbetafeln zu geben.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht meinte, die Kläger seien auch als Minderheitseigentümer für die vorliegende Negatorienklage aktiv legitimiert. Das gelte auch dann, wenn sie in Ansehung des überbauten Teiles des Grundstückes des Nebenintervenienten nicht Miteigentümer geworden seien, weil ihnen beziehungsweise ihrem Rechtsvorgänger vom Nebenintervenienten jedenfalls ein "dingliches" Benützungsrecht eingeräumt worden sei. Dem Nebenintervenienten stehe lediglich ein obligatorischer Anspruch auf eine "grundbücherliche Regelung" bezüglich des von Dr. Candidus C*** sen. in Anspruch genommenen Nachbargrundes zu. Weder Dr. Candidus C*** sen. noch dessen Rechtsnachfolger benützten aber nach der Vereinbarung vom 28. 5. 1971 den Nachbargrund titellos. Der Nebenintervenient sei vielmehr an die von ihm dem Bauführer eingeräumte Benützungsbefugnis gebunden und daher auch nicht berechtigt gewesen, der Beklagten die Verwendung der Feuermauer zu gestatten.

Das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft die Beklagte mit ihrer außerordentlichen Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO. Sie beantragt die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung, hilfsweise die Urteilsaufhebung. In der vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung beantragen die Kläger, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht zur Frage der Aktivlegitimation entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes einen von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwand nicht beachtet hat. Sie ist auch im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Die Kläger sind nach den Feststellungen in Wahrheit nicht nur - wie behauptet - schlichte Miteigentümer des Hauses in Graz, Körösistraße 21-23, sondern Wohnungseigentümer. Das Haus ist ein Wohnungseigentumshaus. Bei der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB sind aber auch Wohnungseigentümer wie Miteigentümer gegen Dritte klagslegitimiert (Petrasch in Rummel2, ABGB, Rz 4 zu § 523; Gamerith in Rummel2, ABGB, Rz 4 zu § 829; SZ 51/115; EvBl 1979/124). Allerdings steht den Klägern als Miteigentümern dieses Recht nach Lehre und Rechtsprechung nur insoweit zu, als sie sich damit nicht in Widerspruch zu den übrigen Miteigentümern setzen (Petrasch, aaO; Gamerith; aaO Rz 6 zu § 828; SZ 1/72; SZ 54/43; MietSlg 36.497). Da es sich bei der hier in Rede stehenden Anbringung von Werbetafeln an der Feuermauer eines Hauses um eine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung handelt (vgl Gamerith, aaO, Rz 4 ff zu § 833), wäre die vorliegende Rechtsverfolgung auch dann nicht mehr im Interesse der Gesamtheit der Miteigentümer, wenn deren Mehrheit mit dem bestehenden Zustand einverstanden ist. Die Beklagte hat aber Einwendungen in dieser Richtung erhoben (ON 4), die ungeprüft blieben. Es liegt daher im Sinne der zutreffenden Ausführungen der Revisionswerberin ein Feststellungsmangel zur Klagslegitimation vor, der bereits zur Aufhebung führen mußte.

Entgegen der Meinung der Beklagten hat aber das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannt, daß sie aus der bloßen Zustimmung des Nebenintervenienten zur Anbringung der Werbetafeln keine Rechte gegenüber den Klägern ableiten kann. Das Gericht zweiter Instanz hat dies auch nicht auf einen Eigentumserwerb des Bauführers gemäß § 418, letzter Satz, ABGB zurückgeführt, sondern auf die der Zustimmungserklärung des Nebenintervenienten vom 28. 5. 1971 zugrundeliegende Vereinbarung mit dem Bauführer. Es hat daher im Gegensatz zum Erstgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, daß nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften des § 418 ABGB, insbesondere jene des letzten Satzes dieser Gesetzesstelle, nur insoweit eingreifen, als zwischen dem Grundeigentümer und dem Bauführer kein Vertragsverhältnis besteht, das die sachenrechtlichen Folgen regelt (Koziol-Welser, Grundriß8, II, 66; Spielbüchler in Rummel2, ABGB, Rz 7 zu § 418; Schwimann/Pimmer, ABGB, II, § 418 Rz 14; SZ 50/123 und 141; JBl 1985, 741 = NZ 1986, 226; SZ 58/12; SZ 59/38). Nur dann, wenn nach einem solchen Übereinkommen der Grund dem Bauführer zufallen sollte und sich der Grundeigentümer in der Folge nicht an die Vereinbarung über die Überlassung des Grundes an den Bauführer hält, ist der Bauführer so zu behandeln, als ob kein Übereinkommen vorläge; es ist dann wieder auf § 418 ABGB zurückzugreifen (Schwimann/Pimmer, aaO, Rz 15; SZ 50/123; SZ 59/38; JBl 1989, 582 ua). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor, weil der Nebenintervenient gegenüber dem Bauführer der teilweisen Bauführung auf seinem Grund "vorbehaltlich einer späteren grundbücherlichen Regelung" zugestimmt hat und diesem Vorbehalt ein zwischen den Beiden beabsichtigter Grundstreifentausch zugrunde lag. Dieser ist auch körperlich realisiert worden und nur die grundbücherliche Durchführung unterblieben. Letzteres ist von keinem der beiden Kontrahenten vereitelt worden. Es ist nur der Bauführer später in Konkurs verfallen und der Nebenintervenient hat daraufhin nicht nur den getauschten Grundstreifen des Gemeinschuldners, sondern das ganze Grundstück ersteigert. Der Nebenintervenient ist daher zwar formell immer noch der Eigentümer des Grundes mit dem entsprechenden Gebäudeteil des Wohnungseigentumshauses, er hat aber jedenfalls seinerzeit die Bauführung auf seinem Grund gestattet. Er ist daran nach wie vor zumindest insoweit gebunden, als er dem Bauführer und dessen Rechtsnachfolgern bereits ein ausschließliches Benützungsrecht an dem auf seinem Grund errichteten Gebäudeteil eingeräumt hat (vgl Spielbüchler, aaO; SZ 58/12). Mit der Gestattung der Bauführung hat demnach der Nebenintervenient auf die Ausübung seines Eigentumsrechtes am überbauten Teil seines Grundstückes im Hinblick auf das vereinbarte und faktisch auch durchgeführte Tauschgeschäft verzichtet. Damit ist aber die von ihm der Beklagten erteilte Zustimmung zur Anbringung der Werbetafeln auf der Feuermauer den Klägern gegenüber unwirksam.

In Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Die Rechtssache war zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21200

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00634.9.0712.000

Dokumentnummer

JJT_19900712_OGH0002_0060OB00634_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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