Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Juli 1990 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer, in der Strafsache gegen Albert T*** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 28.November 1989, GZ 17 Vr 1081/89-96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Wegrostek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, insoweit der Schuldspruch die Qualifikation nach dem § 99 Abs. 2 zweiter Fall StGB vernachlässigte, sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 3 Z 2 StPO in der Sache selbst erkannt:
Albert T*** ist ferner schuldig, er hat durch die unter den Punkten II/1/b bis d/ und III/2/ des Urteilssatzes angeführten Tathandlungen die ihm zu Punkt I/ des Urteilssatzes zur Last liegende Freiheitsentziehung seiner Ehegattin Daniela T*** auf solche Weise begangen, daß sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereitete.
Er hat hiedurch zu Punkt I/ des Urteilssatzes das Verbrechen der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm weiterhin zur Last fallende Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB, sowie für die Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und für das Vergehen nach dem § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG gemäß dem § 99 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und gemäß den §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichtes Heidelberg vom 12.Juli 1988, AZ 4 Ls 16/88, zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 (einundzwanzig) Monaten verurteilt.
Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft und über die Einziehung werden aus dem Ersturteil übernommen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.Juni 1957 geborene, zuletzt beschäftigungslose Albert T*** des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB (Punkt I/ des Urteilssatzes), des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB (Punkte II/1/a/-d/ und II/2 des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (Punkt III/1/ des Urteilssatzes), der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Punkt III/2/ des Urteilssatzes) und nach dem § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG (Punkt IV/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Dem Schuldspruch zufolge hat er insbesondere - soweit für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren meritorisch von Bedeutung ist - in Völkermarkt
I./ in der Zeit zwischen dem 5.September 1987, 23.35 Uhr und dem 6. September 1987, 1.50 Uhr, seiner Gattin Daniela T*** dadurch die persönliche Freiheit entzogen, daß er sie während dieses Zeitraumes in der Früh-Bar "K***" festhielt;
II./ Daniela T*** durch gefährliche Drohung zu
Handlungen und Unterlassungen genötigt bzw. zu nötigen versucht, und
zwar
1./ am 5.September 1987 und am 6.September 1987 unter Verwendung seiner Pistole, deren Funktionsunfähigkeit für die Bedrohte nicht erkennbar war,
b/ durch Drohung mit dem Tode oder zumindest mit einer auffallenden Verunstaltung, nämlich dadurch, daß er ihr seine Pistole an der linken Schläfe ansetzte und - unter Bezugnahme auf ihre erklärte Absicht, sich von ihm zu trennen - äußerte: "Ich schieße dir ein Loch in den Schädel - oder in den Bauch - oder soll ich dich entstellen ?!", dazu sich nicht von ihm zu trennen und nicht aus der bisherigen Ehewohnung auszuziehen, sondern die eheliche Gemeinschaft fortzusetzen;
c/ durch Drohung mit dem Tode, nämlich dadurch, daß er ihr neuerlich seine Pistole an den Kopf setzte, zum Entkleiden und zur Durchführung eines Oralverkehrs mit ihm;
d/ durch Drohung mit dem Tode, nämlich mit dem Erschießen, wobei er seine Pistole in der Hand hatte, dazu, sich in dem gemeinsamen Versteck still zu halten und es zu unterlassen, die nachsuchenden Gendarmeriebeamten auf sich bzw. ihre Lage aufmerksam zu machen; III./ Daniela T*** am Körper verletzt, und zwar
2./ am 5.September 1987 durch Versetzen von Schlägen und Fußtritten, wodurch Daniela T*** eine Rißquetschwunde an der Oberlippe, eine Prellung des Brustkorbes sowie eine Prellung der linken Brust mit Bluterguß erlitt.
Mit ihrer ausschließlich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde macht die Staatsanwaltschaft - sieht man von jenen Beschwerdeausführungen ab, mit denen sie sich über die eine Droheinwirkung auf das Tatopfer auch während der abermaligen (späteren) Gendarmerieintervention verneinenden Urteilsannahmen hinwegsetzt, sodaß sie ihre Rüge insoweit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung bringt - zu Recht geltend, daß die dem Angeklagten idealkonkurrierend mit den vorangeführten Nötigungshandlungen nach den §§ 105, 106 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB angelastete Freiheitsentziehung auf eine dem Tatopfer besondere Qualen bereitende Weise begangen worden ist und demgemäß (auch) der Verbrechensqualifikation nach dem § 99 Abs. 2 zweiter Fall StGB zu unterstellen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Besondere Qualen im Sinne des § 99 Abs. 2 zweiter Fall StGB liegen vor, wenn die durch die Freiheitsentziehung hervorgerufenen Empfindungen entweder schon wegen ihrer außergewöhnlichen Intensität das Opfer schwer treffen oder bei diesem einen für eine gewisse Zeitspanne fortdauernden Zustand einer erheblichen psychischen oder physischen Beeinträchtigung bewirken (ÖJZ-LSK 1978/44, 11 Os 168/80, SSt. 49/33, SSt. 55/58, 14 Os 20/89 ua).
Im vorliegenden Falle ist Daniela T*** vom Angeklagten während der mehr als zwei Stunden dauernden Anhaltung mit einer auffallenden Verunstaltung sowie - auch durch Ansetzen der Pistole gegen den Kopf - mehrfach mit dem Tode bedroht worden; ferner drohte ihr der Angeklagte auch mit dem Erschießen, falls die Gendarmeriebeamten ihn finden und einer von ihnen den Raum betreten werde. Auf solche Weise hat Albert T*** sein Opfer mehrfach in Todesangst versetzt (vgl. US 18 und 21); der Zustand der Todesangst zählt aber zu jenen schwersten seelischen Erschütterungen, die zufolge ihrer erheblichen Intensität eine außerordentliche psychische Beeinträchtigung darstellen (Leukauf-Steininger, StGB2, § 99 RN 30). Dazu kommt noch, daß der Angeklagte seinem Opfer während der Anhaltung auch durchaus schmerzhafte Verletzungen zufügte und durch Todesdrohung unter Anhalten der Pistole in der oben beschriebenen Art zum Entkleiden und zur Durchführung eines Oralverkehrs gezwungen hat. Der gesamte Unwert dieses Tatverhaltens des Angeklagten wäre durch eine Tatbeurteilung bloß als schwere Nötigung unter Bedrohung mit dem Tod nicht voll erfaßt. Im Hinblick auf die Dauer und die oben geschilderte Art dieser psychischen Beeinträchtigung wurde Daniela T*** - objektiv, aber auch aus ihrer Sicht - so außergewöhnlich belastet, daß unter diesen Umständen das Vorliegen von besonderen, mit der Freiheitsentziehung verbundenen Qualen angenommen werden kann, denen ein eigenständiger Handlungsunwert zukommt.
Es war der Nichtigkeitsbeschwerde daher Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.
Bei der Neubemessung der Strafe war von den durch das Erstgericht im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungsgründen auszugehen. Dabei fiel das Geständnis des Angeklagten, das im Hinblick auf den Tod der Belastungszeugin Daniela T*** (vgl. ON 94) und der damit gegebenen Beweislage ganz wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, als positiv soziale Leistung zu werten ist (vgl. Kunst, WK, § 34 Rz 48) und auch auf Schuldeinsicht hinweist, ganz erheblich ins Gewicht. Die aus dem Spruch ersichtliche Zusatzfreiheitsstrafe entspricht nach Lage des Falles auch beim Strafrahmen des § 99 Abs. 2 StGB der personalen Tatschuld des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Tat und nimmt auch auf die Täterpersönlichkeit des Angeklagten gebührend Bedacht. Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E21572European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00048.9.0719.000Dokumentnummer
JJT_19900719_OGH0002_0130OS00048_9000000_000