Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Horst N***, Kaufmann, Rodlergasse 8, 1190 Wien, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Maria Theresia S***, Pensionistin, Firmiangasse 53/5, 1130 Wien, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Dezember 1989, GZ 41 R 549/89-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 7. April 1989, GZ 6 C 3657/87b-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.634,24 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 439,04 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger kündigte die von der Beklagten gemietete Wohnung im Haus Firmiangasse 53 im 13.Wiener Gemeindebezirk aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs.2 Z 4 und 6 MRG auf. Die Beklagte erhob fristgerechte Einwendungen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kündigungsgründe lägen nicht vor. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es kam zu dem Schluß, daß die Beklagte die Wohnung nach wie vor als Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen verwende und ein dringendes Wohnbedürfnis daran habe.
Das Berufungsgericht erkannte in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung die Aufkündigung für wirksam und verpflichtete die Beklagte zur Räumung der Wohnung binnen 14 Tagen. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und erklärte die Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz nahm eine Beweiswiederholung vor und stellte fest:
Der Kläger ist seit Mitte des Jahres 1987 Eigentümer des Hauses Firmiangasse 53 in Wien. Bis zum Frühjahr 1988 bewohnte er zusammen mit seiner Ehegattin die Wohnung Nr.4 gegenüber der von der Aufkündigung betroffenen Wohnung. Seit Frühjahr 1988 wohnt er in einer Wohnung im Dachboden des Hauses. Die Beklagte bewohnt die von ihr gemietete Wohnung Nr.5 seit einigen Jahren nicht mehr. Sie hält sich bei einem Bekannten auf, der eine erheblich größere Wohnung in der St.Veitgasse besitzt. Die Beklagte betreut ihren Bekannten, einen betagten Herrn, und lebt mit ihm in seiner Wohnung zusammen. Sie verbringt die Urlaube mit ihm in Kärnten oder Jugoslawien, kocht und wäscht in seiner Wohnung und sucht ihre von der Aufkündigung betroffene Wohnung nur fallweise auf, um Post zu beheben und nach dem Rechten zu sehen. Sie verläßt die Wohnung kurz nach dem Eintreffen wieder.
Rechtlich erachtete das Berufungsgericht den Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 6 MRG für gegeben. Verfahrensrechtlich stellte sich das Gericht zweiter Instanz auf den Standpunkt, daß die von der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 29.11.1989 gestellten Beweisanträge unzulässig gewesen seien, weil sie im Sinne der §§ 468 Abs.2, 482 Abs.2 ZPO nicht rechtzeitig gestellt wurden. Der Oberste Gerichtshof habe zwar ausgesprochen, daß im Falle der Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung neue Behauptungen aufgestellt und neue Beweismittel angeboten werden könnten; dies gelte aber nach Auffassung des Berufungsgerichtes nicht für den vorliegenden Fall der Wiederholung der in erster Instanz aufgenommenen Beweise und die Behandlung eines primären Verfahrensmangels. Dazu liege noch keine oberstgerichtliche Judikatur vor.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Beklagte meint, daß ihr Beweisantrag in der Berufungsverhandlung zulässig gewesen sei, weil die Sache, wenn das Berufungsgericht die Durchführung einer Beweisergänzung beschließt, in das Stadium vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz trete. Im übrigen habe die Beklagte an der aufgekündigten Wohnung nach wie vor ein schutzwürdiges Interesse.
Das Berufungsgericht hat jedoch richtig erkannt, daß die von der Revisionswerberin zur Stützung ihrer Auffassung herangezogene Judikatur (vgl. SZ 59/134; RZ 1989/106 und 4 Ob 19/89) auf den vorliegenden Fall der Wiederholung der in erster Instanz aufgenommenen Beweise nicht auszudehnen ist. Im Falle der Beweiswiederholung (weil das Berufungsgericht Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes hat) bleibt der entscheidungserhebliche Sachverhalt und damit der Entscheidungsstoff unverändert; es soll nur seine Wertung geändert werden (Fasching IV, 168). Neue Beweise dürfen gemäß §§ 468 Abs 2, 482 Abs 2 ZPO nur zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe nach vorheriger Mitteilung im Wege der Berufungsschrift oder der Berufungsbeantwortung vorgebracht werden. Der von der Beklagten unmittelbar vor Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung gestellte Beweisantrag lautete aber nur auf Einvernahme eines weiteren Zeugen zu den bisherigen Beweisthemen. Dies widerspricht eindeutig dem dargelegten Neuerungsverbot.
Die Einvernahme des in erster Instanz mit den Buchstaben N.N. bezeichneten Zeugen erübrigte sich für das Berufungsgericht aber schon deshalb, weil hiefür kein Beweisthema angegeben wurde, das für die Entscheidung des Rechtsfalles maßgeblich wäre (vgl AS 53 und 101). Das Berufungsgericht hat daher zutreffend die erst in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen Gerhard H*** und Anna K*** zurückgewiesen. Steht fest, daß die aufgekündigte Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wird, hat der Mieter zu behaupten und zu beweisen, daß dies in naher Zukunft mit Sicherheit der Fall sein wird. Eine solche Behauptung hat die Beklagte nicht erhoben, und sie konnte auch nicht aufzeigen, inwieweit der Beurteilung dieser Frage Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs.4 ZPO zukommt. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 6 MRG wurde mit Recht als verwirklicht angesehen. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes stimmen mit der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs überein (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht10, Rz 39 zu § 30 und MietSlg.31.428).
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E21459European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00606.9.0726.000Dokumentnummer
JJT_19900726_OGH0002_0080OB00606_9000000_000