Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Graf und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Helmut E***, Bauingenier, 5500 Bischofshofen, Neubaugasse 6, vertreten durch Dr.Fritz Krissl, Rechtsanwalt in Bischofshofen, wider die beklagten Parteien 1) Johann S*** jun., Versicherungsangestellter, 4611 Buchkirchen, Schickenhäuser 9, 2) Helmut Ö***, Versicherungskaufmann, 4600 Wels, Flemingstraße 10, beide vertreten durch Dr.Gernot Kusatz, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 100.000 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.Juni 1989, GZ 2 R 107/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 18.Jänner 1989, GZ 1 Cg 278/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die vorinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"1.) Die Klageforderung besteht mit S 100.000 samt 4 % Zinsen seit 17.7.1988 zu Recht.
2.) Die vom Zweitbeklagten eingewendete Gegenforderung von
S 15.000 besteht nicht zu Recht.
3.) Die beiden Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution den Betrag von
S 100.000 samt 4 % Zinsen seit 17.7.1988 zu bezahlen und die mit
S 29.590,90 bestimmten Prozeßkosten (einschließlich S 3.065,15 Umsatzsteuer und S 11.200 Barauslagen) zu ersetzen.".
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger beteiligte sich im August 1986 in Salzburg an dem auf die gewürfelte Augenzahl abstellenden Würfelspiel "Seventy-Leven", verlor dabei zunächst sein mitgeführtes Bargeld und anschließend dreimal je 100.000 S, die ihm der Erstbeklagte zum Weiterspielen geliehen hatte. In den nächsten Tagen führte er mit dem Erstbeklagten Gespräche über die Rückzahlung dieses Darlehens und vereinbarte mit ihm die Begebung eines Wechsels, weil er über kein Bargeld verfügte. Der dem Kläger vom Erstbeklagten vermittelte Zweitbeklagte, der vom Entstehungsgrund der Darlehensschuld Kenntnis hatte, war bereit, einen vom Erstbeklagten ausgestellten und vom Kläger akzeptierten, auf S 300.000 lautenden Wechsel "bei seiner Bank unterzubringen". Das Wechselakzept wurde an den Zweitbeklagten indossiert, von diesem der Bank zum Eskompte gegeben und der vereinnahmte Betrag von S 300.000 wurde dem Erstbeklagten ausgefolgt. Vereinbarungsgemäß sollte der Kläger sein "Spieldarlehen" durch Überweisung der Wechselsumme an die Bank begleichen, und zwar bei Fälligkeit des Wechsels S 100.000, über den Restbetrag sollte dann ein Prolongationswechsel ausgestellt werden. Tatsächlich entrichtete der Kläger die vereinbarte erste Rate von S 100.000 an die Bank. Wegen Nichtbezahlung des Restbetrages von S 200.000 wurde der Prolongationswechsel sodann vom Zweitbeklagten eingelöst. Ein von diesem wegen des vorgenannten Betrages gegen den Kläger geführter Rechtsstreit endete rechtskräftig mit Klageabweisung.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von den beiden Beklagten die Rückzahlung des Betrages von S 100.000 aus dem Titel der irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld und aus jedem sonst erdenklichen Rechtsgrund.
Die Beklagten beantragten Klageabweisung, weil sie mit dem Glücksspiel des Klägers nichts zu tun gehabt hätten und der Kläger eine Wechselschuld bezahlt habe. Der Zweitbeklagte wendete gegen die Klageforderung aufgewendete Wechselspesen von S 15.000 aufrechnungsweise ein.
Auf der Grundlage der oben angeführten Außerstreitstellung und Sachverhaltsfeststellungen sowie der Ausführung, es könne nicht festgestellt werden, inwieweit der Kläger den Geldbetrag von S 100.000 in Unkenntnis der Rechtslage bezahlt habe, wies das Erstgericht die Klage mit der Begründung ab, der rückgezahlte Darlehensbetrag könne gemäß den §§ 1174 Abs 2, 1432 ABGB keinesfalls zurückgefordert werden.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei und nahm zur Rechtsrüge wie folgt Stellung:
Voraussetzung für eine Rückforderung nach § 1431 ABGB sei die irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld. Wer eine Leistung erbringe, die er nicht schuldig sei, und sie aus diesem Grund zurückfordere, müsse dann, wenn nach der Sachlage die wissentliche Zahlung einer Nichtschuld in Frage komme, grundsätzlich behaupten und beweisen, daß er geirrt habe. Ein zum Zwecke eines verbotenen Spieles gegebenes Darlehen könne nicht zurückgefordert werden (§ 1174 Abs 2 ABGB). Für den Ausschluß der Klagbarkeit eines derartigen Darlehens genüge in subjektiver Hinsicht, daß der Darlehensgeber diesen Verwendungszweck ernstlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe. Im vorliegenden Fall erübrige es sich, auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen, insbesondere zwischen den Beklagten, auf die Grundlage der Wechselbegebung, auf allfällige Konsequenzen, die sich aus der Einschaltung eines Dritten (der Bank) ergeben könnten usw, näher einzugehen. Den Streitteilen sei von vornherein bewußt gewesen, daß der Kläger das Darlehen zweifellos und unstrittig zur Finanzierung eines verbotenen Glückspiels im Sinne des § 1174 Abs 2 ABGB verwende und daher keine klagbare Rückzahlungsverpflichtung eingehe. Dem Kläger sei jedoch der ihm obliegende Beweis irrtümlicher Zahlung nicht gelungen. Die gewählte Abwicklungsart sei nicht nach ihrem formellen Gehalt, sondern allein nach den dahinterstehenden Intentionen der Vertragspartner zu beurteilen. Demzufolge habe der Kläger durch die Überweisung des Klagebetrages an die Bank zumindest mittelbar ausschließlich das nicht klagbare Spieldarlehen teilweise zurückerstatten wollen. Die Rückforderung nach § 1431 ABGB müsse ihm daher versagt bleiben. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Kläger eine auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagestattgebung. Er bringt im wesentlichen vor, die Bestimmung des § 1174 Abs 2 ABGB stelle "eine lex specialis dar, die die Bestimmung des § 879 ABGB nicht derogiert". Eine - im verbotenen Glücksspiel gelegene - Gesetzwidrigkeit begründe entsprechend dem Normzweck eine amtswegig wahrzunehmende absolute Nichtigkeit. Bei einem Verstoß gegen § 879 Abs 1 ABGB entstehe nicht einmal eine Naturalobligation. Gleichgültig, ob die Hingabe des Wechsels einen Sachverhalt nach § 1375 ABGB oder eine Novation gemäß § 1376 ABGB darstelle, sei es jedenfalls Voraussetzung, daß das ursprüngliche Geschäft zumindest eine Naturalobligation darstelle. Die Novation einer Verpflichtung, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoße, sei unwirksam. Richtig sei, daß eine Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld nicht zurückgefordert werden könne. Die Kenntnis der Nichtschuld sei jedoch bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen gemäß § 879 ABGB unschädlich. Bei Zahlung einer Nichtschuld sei überdies prima facie auf Grund der praktischen Vermutung ein Irrtum anzunehmen, wenn nicht bestimmte Gründe dagegen sprächen. Die Urteilsausführung, der Beweis eines Irrtums sei dem Kläger nicht gelungen, erscheine ohne rechtliche Bedeutung. Auch die ratio des § 1174 Abs 2 ABGB gehe eindeutig dahin, daß jeglicher Vermögensnachteil durch ein verbotenes Spiel hintangehalten werden sollte.
Rechtliche Beurteilung
Den Revisionsausführungen ist im Ergebnis Berechtigung zuzuerkennen.
Gemäß § 1174 Abs 2 ABGB kann ein zum Zwecke eines verbotenen Spiels gegebenes Darlehen nicht zurückgefordert werden. Zivilrechtlich verbotene Spiele im Sinne dieser Gesetzesstelle sind jedenfalls die in § 168 StGB und § 1 Abs 1 Glücksspielgesetz BGBl 169/1962 idF BGBl 626/1976 angeführten Spiele, bei welchen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (SZ 54/157; SZ 59/117). Dies ist grundsätzlich bei Würfelspielen der Fall. Der Charakter des vom Kläger mit höheren Spieleinsätzen geführten Spieles als eines verbotenen ist demgemäß unzweifelhaft und im Verfahren auch völlig unbestritten. Aufgrund der ausdrücklichen Gesetzesanordnung des § 1174 Abs 2 ABGB - Wilburg in Klang2 IV/2 488, 489, bezeichnet diese Vorschrift als in ihrer Allgemeinheit zu weitgehend und rechtspolitisch zweifelhaft - folgt daraus, daß der Erstbeklagte vom Kläger das in Kenntnis der beabsichtigten Verwendung gewährte Darlehen aus keinem Rechtsgrund zurückfordern kann. Ein an sich erlaubter Darlehensvertrag wird nach seiner unzulässigen Zwecksetzung, nämlich der Ermöglichung eines gesetzlich verbotenen (vgl Krejci in Rummel ABGB2, Rz 19 und 32 zu § 879; SZ 50/132) Spieles selbst zum unerlaubten Rechtsgeschäft (vgl Krejci aaO Rz 11 zu § 879). Er ist daher gemäß § 879 Abs 1 ABGB ungültig (Krejci aaO Rz 68 zu §§ 1267-1274, Rz 1 zu § 1174; Ehrenzweig Schuldrecht 616). Es entsteht also nicht einmal eine Naturlaobligation. Eine Rückforderung des Geleisteten durch den Geber wegen Ungültigkeit des Darlehensvertrages wird durch die - gegenteiligenfalls ja inhalts- und sinnlose - Sonderregelung des § 1174 Abs 2 ABGB ausgeschlossen (vgl Ehrenzweig aaO). Diese Unwirksamkeit des Darlehensvertrages hat aber zur Folge, daß unabhängig von der Bestimmung des § 1432 ABGB eine auf das Darlehen geleistete Rückzahlung wiederum zurückgefordert werden kann (vgl Krejci aaO Rz 66 zu §§ 1267 bis 1274; Rummel in Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 1432 ABGB; Koziol-Welser8 I 379). Das Ergebnis, daß der Darlehensnehmer einerseits das beim verbotenen Spiel Verlorene vom Gewinner wiederum zurückfordern (so auch Wilburg aaO 488 ff; Ehrenzweig aaO 615) und andererseits in jedem Fall das Darlehen aber behalten kann, erscheint zwar unbefriedigend, da es zwangsläufig zu seiner Bereicherung führt, ist aber notwendige Folge der Gesetzesanordnung des § 1174 Abs 2 ABGB (Ehrenzweig aaO 617). Wilburg, aaO 489, verweist darauf, daß die Verleitung durch den Darlehensgeber auch für dessen Belastung mit dem Schaden spricht. Nach dieser Rechtslage kann der Kläger somit den von ihm in teilweiser Erfüllung seiner Rückzahlungsverpflichtung aus dem unwirksamen Darlehensvertrag geleisteten Betrag von S 100.000 unter analoger Heranziehung des § 877 ABGB wiederum zurückfordern. Dieser - einseitige, siehe oben - Rückforderungsanspruch steht ihm auch gegenüber dem Zweitbeklagten zu. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung SZ 59/173 ausgesprochen, daß durch die Übernahme einer Wechselverbindlichkeit eine Spielschuld nicht klagbar und durch die Indossierung eines Wechsels die Spielschuld nicht wirklich entrichtet wird, und daß der Erwerber eines Wechsels bewußt zum Nachteil des Wechselschuldners im Sinne des Art 17 WG handelt, wenn er beim Erwerb weiß, daß dem Wechsel eine Verbindlichkeit für eine bloß eine Naturalobligation begründende Spielschuld zugrunde liegt. Dies muß umsomehr gelten, wenn der Wechselerwerber weiß, daß die Wechselverbindlichkeit eine - nicht einmal eine Naturalobligation darstellende - Schuld aus verbotenem Spiel betrifft. Der Zweitbeklagte muß sich daher gemäß Art 17 WG die dem Kläger gegen den Erstbeklagten zustehenden Einwendungen aus seinen unmittelbaren Beziehungen zu diesem als Aussteller des Wechsels entgegenhalten lassen und kann seinerseits nicht mit aus der Geltendmachung des Wechsels entstandenen Spesen aufrechnen (vgl Kapfer, Wechsel- und ScheckG8, E 86 zu Art 17). Beide Beklagte hatten somit für die Rückerstattung des vom Kläger aufgrund unwirksamen Rechtsgeschäftes Geleisteten.
In Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen war demgemäß dem Klagebegehren Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E21466European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00680.89.0726.000Dokumentnummer
JJT_19900726_OGH0002_0080OB00680_8900000_000