Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als Richter in der Konkurssache der "A*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH", Bauunternehmen, Tränkeweg 4, 6700 Bludenz, infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters Dr. Christian K***, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Mai 1990, GZ 1 R 80/90-276, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. Jänner 1990, GZ S 14/84-266, teilweise aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab den Erinnerungen der S***
I***-H***, T*** S***, Innsbruck, und der
Ö*** L*** Aktiengesellschaft Wien gegen den Schlußverteilungsentwurf des Masseverwalters im Konkurs der "AKB Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH" Folge. Es erkannte dahin, daß hinsichtlich der Forderung der S*** I***-H***, T*** S***, auf der Grundlage des Betrages von S 30,174.117,29 sowie hinsichtlich der Forderung der Ö*** L*** Aktiengesellschaft auf der Grundlage des Betrages von S 6,096.689,21 die auf die Konkursgläubiger der III. Klasse entfallende Quote durch Gerichtserlag zu leisten ist. Der Schlußverteilungsentwurf des Masseverwalters wurde als integrierender Bestandteil der Entscheidung erklärt. In der Begründung führte das Erstgericht aus:
Die beiden Gläubigerinnen versuchten in ihren Erinnerungen darzulegen, daß sie vor Konkurseröffnung erlangte Sicherheiten verwertet hätten; die Verwertungserlöse hätten jedoch keine gänzliche Tilgung ihrer im Anschlußkonkurs festgestellten Konkursforderungen erbracht, vielmehr sei ein Teil unberichtigt geblieben. Die Geltendmachung von Zinsen seit Konkurseröffnung sei durch ein die Zinsen deckendes Absonderungs- oder Vorzugsrecht zulässig. Demgegenüber sei jedoch zu berücksichtigten, daß es sich nicht um Absonderungsrechte an Liegenschaften der Gemeinschuldnerin handle. Die beiden Gläubigerinnen verlangten vielmehr vom debitor cessus Zahlungen. Da aber mit dem Tag der Konkurseröffnung das Kreditkonto abzuschließen sei, könnten die von den Gläubigern mit der Gemeinschuldnerin vor der Konkurseröffnung vereinbarten Zins-, Abrechnungs- und sonstigen Konditionen für Zeiträume nach der Konkurseröffnung nicht unverändert weiterlaufen. Welche Konditionen für den Zeitraum ab Konkurseröffnung vereinbart wurden oder zu gelten haben, welcher Abrechnungsmodus zugrundezulegen ist usw, demgemäß die gesamte, dem betreffenden Kapitalausfall vorgelagerte Tatfrage, sei zwischen dem Masseverwalter und den beiden Gläubigern strittig. Das bedeute, daß die Willensbildung, also Tatumstände strittig seien, über die nicht im Rahmen des Verteilungsverfahrens entschieden werden könne. Bei der Hinterlegung nach §§ 131, 133 KO sei die Konkursmasse zum Erlag verpflichtet.
Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Gläubigerinnen im hier relevanten Bereich Folge, hob insoweit den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteigt und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Den Masseverwalter verwies es mit seinem Rekurs auf die vorstehende Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand ebenfalls mit über S 50.000,- und ließ den Revisionsrekurs zu. Das Erstgericht habe keine Verhandlung über die Erinnerungen der Gläubigerinnen gegen den Verteilungsentwurf durchgeführt. Eine solche wäre notwendig gewesen, weil hinsichtlich
a) der Forderungen der S*** I***-H*** Konkursgläuber, die zur Sicherung ihrer Ansprüche bestimmte Vermögensstücke des Gemeinschuldners, insbesondere Buchforderungen, erworben haben, im Konkursverfahren grundsätzlich den Absonderungsberechtigten gleichstehen. Nur im Verteilungsverfahren würden sie nicht schlechthin wie Absonderungsgläubiger behandelt, sondern nach Art jener, denen Absonderungsrechte an ausländischen Grundstücken zustehen (§ 132 Abs 4 KO). Bei der Schlußverteilung werde ein solcher Gläubiger daher nur mit dem von ihm bis zur Schlußverteilung nachgewiesenen wirklichen Ausfall berücksichtigt. Haben die Vermögensstücke noch keinen oder haben nur einzelne von ihnen einen Erlös ergeben, etwa weil nur einzelne abgetretene Forderungen bezahlt worden sind, so obliege es dem Sicherungseigentümer, die Höhe seines voraussichtlichen Ausfalls abzuschätzen und das Schätzungsergebnis glaubhaft zu machen, um auch dann nur zur Sicherstellung der Ausfallsquote zu kommen. Der Nachweis und die Glaubhaftmachung seien bei sonstigem Ausschluß von der Verteilung binnen der 14tägigen Frist für die Erinnerungen zu erbringen. Nach den Behauptungen der S*** I***-H*** im Antrag auf Forderungseinschränkung vom 13. 4. 1989, ON 240, soll eine unbesicherte Kapitalsforderung von S 15,555.070,76 verblieben sein. Demnach wären sämtliche Zessionen der Gläubigerin bereits abgerechnet worden. Auf diese Forderungseinschränkung nehme die Rekurswerberin in ihren Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf des Masseverwalters neuerlich Bezug, die oben erwähnte 14tägige Frist sei daher gewahrt. Es werde also auf dieser Grundlage zu verhandeln sein. Obwohl das Erstgericht die Grundsätze der Verhandlung über die Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf des Masseverwalters angeführt habe, sei nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles über die Erinnerungen nicht kontradiktorisch verhandelt und seien auch keine Beweise aufgenommen worden.
b) Der Ö*** L*** gegenüber sei nur mehr der
vom Erstgericht angeordnete Gerichtserlag von S 6,096.689,21 strittig. Die Erinnerungen seien dem Masseverwalter erst in der Verhandlung vom 15. 9. 1989 ausgefolgt worden. Nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles sei hierüber nicht verhandelt worden. Eine Stellungnahme des Masseverwalters hiezu liege nicht vor. Das Verfahren leide daher auch in diesem Fall aus den schon bei der Behandlung des Rekurses der S*** I***-H*** angestellten Erwägungen an einem wesentlichen Mangel, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zum Zwecke der Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht im bekämpften Umfang nach sich ziehe.
Zusammenfassend halte das Rekursgericht an seiner Auffassung fest, daß Zinsen aus dem Kapital seit Eröffnung des Vorverfahrens aus Zahlungseingängen zufolge verwerteter Sicherheiten vor dem Kapital ungeachtet der Bestimmungen der §§ 28 AO, 58 KO (früher §§ 27 AO, 57 KO) anzurechnen seien und nur im Ausfallsbetrag, zu dem die konkursmäßige Befriedigung beansprucht wird, seit Konkurseröffnung laufende Zinsen nicht enthalten sein dürfen. Die Beurteilung der Frage, ob Zahlungseingänge während des Konkurses aus zur Sicherung abgetretenen Forderungen ungeachteter des Umstandes,daß während des Konkurses Zinsen von der Geltendmachung ausgeschlossen sind, dennoch zunächst auf Zinsen angerechnet werden können, sei von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Masseverwalters, in dem er die Auffassung des Rekursgerichtes bekämpft, nach welcher Eingänge aus sicherungsweise abgetretenen Forderungen zunächst auf Zinsen und dann erst auf das Kapital zugerechnet werden dürfen und ein allenfalls ungedeckter Ausfall unter anderem von der Höhe des vereinbarten Zinssatzes und des Kapitalisierungszeitraumes abhängig sei. Auch zur Frage, ob die Tatsachengrundlagen im Verfahren nach § 130 Abs 3 KO stets im Konkursverfahren oder in einem eigenen Streitverfahren zu schaffen seien, liege keine oberstgerichtliche Judikatur vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Im Verteilungsentwurf wurde die Forderung der S***
I*** unter Nr. 341 mit "Null" ausgewiesen, jene der Ö*** L*** unter Nr. 192 mit S 16,876.780,88
(ON 253). Das Erstgericht entschied über die dagegen eingebrachten Erinnerungen, mit welchen die S*** I*** die Zuweisung einer hier relevanten Quote von S 30,174.117,29 (ON 259) und die Ö*** L*** eine solche auf der Basis von
S 22,973.470,09 beantragten (ON 258), nachdem es diese Erinnerungen in der Tagsatzung über den Verteilungsentwurf "dargetan" hatte (ON 262). Es berücksichtigte die Forderungseinschränkung der S*** I*** im Anmeldungsverzeichnis (ON 37) auf
S 30,174.117,29 und erkannte letztlich auch die Forderung der Ö*** L*** mit zusätzlich S 6,096.689,21 als zur
quotenmäßigen Zuweisung durch Gerichtserlag geeignet. Mit der bloßen "Dartuung" der Erinnerungen hat das Erstgericht jedoch keine kontradiktorische Verhandlung durchgeführt, wie sie im § 130 Abs 3 KO unter Verweisung auf § 173 Abs 5 KO vorgeschrieben ist. Die auf die einzelnen Forderungen der beiden Gläubigerinnen entfallenden Beträge zu deren Klarstellung die Tagsatzung diente (vgl. Bartsch-Pollak, Konkursordnung I, 587), hätten danach zur Verhandlung gestellt werden müssen, sodaß sich das Gericht einen verläßlichen Überblick über deren tatsächlichen Bestand hätte verschaffen können. Hier sei nur darauf verwiesen, daß die S*** I*** in ihrem Antrag ON 240 ein genaues Verzeichnis ihrer Forderungseingänge "aus Zessionen" aufstellte, zu dem ebenso wie zu den schon behandelten Erinnerungen ON 258 und 259 der Masseverwalter im einzelnen zur Stellungnahme aufgefordert und mit ihm darüber verhandelt hätte werden müssen.
Nach § 58 Z 1 KO können die seit Konkurseröffnung laufenden Zinsen von Konkursforderungen nicht gefordert werden. Die Geltendmachung von Zinsen seit der Konkurseröffnung durch ein die Zinsen deckendes Absonderungsrecht ist hingegen zulässig (SZ 32/105; 8 Ob 49/89 ua). Gemäß § 10 Abs 3 KO gelten die für Absonderungsgläubiger getroffenen Bestimmungen auch für persönliche Gläubiger, die zur Sicherung ihrer Ansprüche bestimmte Vermögensstücke des Gemeinschuldners, insbesondere Buchforderungen, erworben haben. Auf sie finden grundsätzlich die Vorschriften für Absonderungsgläubiger Anwendung; sie unterscheiden sich von solchen insofern, als sie einen Teilnahmeanspruch im Verteilungsverfahren nur in der Höhe des mutmaßlichen Ausfalles haben (§ 132 Abs 4 KO; siehe auch Petschek-Reimer-Schiemer, Das Österreichische Insolvenzrecht, 546). Bei Feststellung desselben sind daher die Zinsen dem Kapital anzurechnen, es ist dabei aber zu berücksichtigen, daß im (mutmaßlichen) Ausfallsbetrag, für den die konkursmäßige Befriedigung beansprucht wird, seit Konkursbeginn laufende Zinsen nicht enthalten sein dürfen. Entgegen der sonstigen Anrechnungsregel (Zinsen vor Kapital) sind also ausnahmsweise die nach der Konkurseröffnung auflaufenden Zinsen für die Ermittlung des Ausfallsbetrages nicht mitzuberechnen (vgl EvBl 1959/364). Mangels Durchführung einer echten kontradiktorischen Verhandlung über die Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf ist die Höhe des Ausfalls der Forderungen der Gläubigerinnen noch ungeklärt geblieben, weil hiezu die abschließende Feststellung des Kontos bei Konkurseröffnung, die Höhe der seinerzeit vereinbarten Zinsen, ihr Kapitalisierungszeitraum und die einzelnen Zahlungseingänge keiner weiteren Prüfung unterzogen werden konnten. Das Erstgericht wird dies nachzuholen und dann im Sinne der §§ 130 Abs 3, 173 Abs 5 KO endgültig über den Verteilungsentwurf zu entscheiden haben (Bartsch-Pollak aaO, 588).
Dem Revisionsrekurs des Masseverwalters war demgemäß der Erfolg zwar zu versagen, beim Kostenausspruch aber auf § 171 und § 52 ZPO Bedacht zu nehmen gewesen.
Anmerkung
E21734European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00021.9.0726.000Dokumentnummer
JJT_19900726_OGH0002_0080OB00021_9000000_000