Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günther S***, Rechtsanwalt, Salzburg, Giselakai 51, wider die beklagte Partei Lydia K***, Hausfrau, Salzburg, Münchner Bundesstraße 38, vertreten durch Dr. Franz Meisnitzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 408.103,40 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 27. Juni 1989, GZ 3 R 80/89-37, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 7. Dezember 1988, GZ 5 Cg 47/87-23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 7.410,60 (einschließlich S 1.235,10 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von S 408.103,40 als Honorar für die Vertretung der Beklagten in verschiedenen Verfahren vor dem Bezirks- und dem Landesgericht Salzburg.
Die Beklagte wendete ein, es sei mit dem Kläger ein Pauschalhonorar von S 105.000 vereinbart worden, das sie bezahlt habe. Überdies habe der Kläger nicht alle verrechneten Leistungen erbracht und überdies ein überhöhtes Honorar verzeichnet. Die Anwendung der Autonomen Honorarrichtlinien (AHR) sei nicht vereinbart worden. Ferner werde die Einrede der Verkürzung über die Hälfte erhoben; die geleistete Zahlung von S 105.000 könne dem Kläger als bereicherungsrechtliches Rückabwicklungsentgelt verbleiben. Der Kläger hätte nach Verbrauch der Pauschalsumme der Beklagten entsprechende Aufklärung über das Auflaufen weiterer Kosten erteilen müssen, sie insbesondere über die Möglichkeit der Erlangung der Verfahrenshilfe zu belehren gehabt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 196.542,05 statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Im Feber 1986 betraute die Beklagte den Kläger mit ihrer Vertretung im Scheidungsverfahren und in den daraus sich ergebenden weiteren Angelegenheiten. Anläßlich der Vollmachtserteilung wurde der Gesamtkomplex der Rechtsstreitigkeiten, denen die Beklagte ausgesetzt war, erörtert. Zwischen den Streitteilen wurde kein Pauschalhonorar vereinbart. Die Beklagte unterfertigte jedoch ein Vollmachtsformular mit der Klausel, daß die Honorarabrechnung nach den Autonomen Honorarrichtlinien zu erfolgen habe. Mit Schreiben vom 26. November 1986 kündigte die Beklagte das Vollmachtsverhältnis "aus finanziellen Gründen" auf. Der Kläger legte daraufhin über die von ihm im einzelnen entfaltete Tätigkeit folgendermaßen (jeweils ohne Umsatzsteuer und Barauslagen) Rechnung:
a) Strafverfahren gegen Andrea
S*** (Ehebruchsverfahren) S 6.005,--
b) Unterhaltsverfahren S 111.944,50
c) Scheidungsverfahren S 17.381,50
d) Klagen wegen Detektivkosten
gegen Andrea S*** und Wolfgang
K*** S 6.314,--
e) Klage gegen Wolfgang K***
wegen Herausgabe S 7.780,--
f) Korrespondenz wegen Rechnungen S 13.895,--
g) Einzelleistungen bezüglich
der Gesamtsituation S 336.504,--.
Davon blieben der Höhe nach von der Beklagten unbestritten laut Punkt a) S 5.429, laut Punkt b) S 40.441, laut Punkt c) S 15.551,50, laut Punkt d) S 3.373 und laut Punkt e) S 7.780. Über die vom Kläger im einzelnen entfalteten Tätigkeiten traf das Erstgericht ins Detail gehende Feststellungen, darunter auch, wann und aus welchem Grund einzelne Tätigkeiten an einem Sonntag vorgenommen wurden. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt wie folgt:
a) Strafverfahren gegen Andrea S***:
Der strittige Differenzbetrag von S 576 entfalle auf eine Kommission zu Prof. R*** zwecks Einholung eines Privatgutachtens über die von Wolfgang K*** bestrittene Eintragung auf einem Gästebuchblatt. Das erstattete Gutachten wurde im Privatanklageverfahren verwendet, so daß die Beklagte die diesbezüglichen Bemühungen des Klägers zu honorieren habe.
b) Verfahren wegen Unterhaltes:
Da in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.11.1985 das Verfahren auf die beantragte einstweilige Verfügung eingeschränkt worden war, sei im folgenden nur noch von einer Bemessungsgrundlage von S 288.000 (einfacher Jahresbetrag nach § 9 RATG) auszugehen. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Tätigkeit des Klägers sei daher nur mit S 43.902 zu honorieren.
c) Scheidungsverfahren:
Da der Streitwert von S 120.000 erst ab Verbindung von Klage und Widerklage maßgebend sei, gebühre dem Kläger an Honorar nur
S 15.551,50.
d) Detektivkosten:
Die Einbringung getrennter Klagen gegen Wolfgang K*** und Andrea S*** sei bei der gegebenen Situation zweckmäßig gewesen, zumal es sich um verschiedene Detektivkosten handelte. Die aus der Unterlassung der Verbindung der Rechtsstreitigkeiten von der Beklagten abgeleitete Honorarkürzung habe daher nicht zu erfolgen.
e) Klage wegen Herausgabe:
Die diesbezüglichen Kosten sind der Höhe nach unbestritten.
f) Vertretung in der Korrespondenz wegen Rechnungen:
Da sich diese Tätigkeit des Klägers auf den Unterhaltsanspruch als Ganzes und auf das Scheidungsverfahren bezogen habe, sei der Kläger zutreffend von einer Bemessungsgrundlage von S 984.000 (dreifacher Jahresbetrag des begehrten Unterhaltes von S 864.000 zuzüglich S 120.000 für die beiden Scheidungsklagen) ausgegangen.
g) Einzelleistungen hinsichtlich der Gesamtsituation unter Berücksichtigung der vereinbarten Anwendung der AHR:
Die Bemessungsgrundlage von S 2,990.000 (von der Beklagten begehrter Abfindungsbetrag von S 2,000.000, Unterhaltsstreitwert S 864.000, Scheidungsverfahren S 120.000, Ehebruchsklage S 6.000) sei nicht zu beanstanden. Allerdings seien Besprechungen mit der Beklagten nur in wesentlich geringerem Ausmaß notwendig gewesen, als sie vom Kläger tatsächlich durchgeführt worden seien. Dem Kläger gebühre daher statt der verzeichneten S 336.504 hiefür nur ein Honorar von S 214.048. Einschließlich Umsatzsteuer und Barauslagen ergäbe sich sohin ein Gesamtanspruch des Klägers von S 341.542,05, wovon S 145.000 (S 105.000 Kostenvorschüsse und S 40.000 auf die Honorarforderung verrechneter Geldeingang zugunsten der Beklagten) bereits beglichen seien. Der Zuspruch habe daher mit S 196.542,05 zu erfolgen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht, derjenigen der Beklagten hingegen teilweise Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und unbedenklicher Beweiswürdigung und führte im wesentlichen aus:
Eine Honoarvereinbarung in einem anwaltlichen Vollmachtsformular sei keine ungewöhnliche Vertragsbestimmung im Sinne des § 864 a ABGB, vielmehr sei sie allgemein üblich. Die Anwendung der AHR sei daher zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden. Es komme auch nicht darauf an, ob die Beklagte das Vollmachtsformular vor Unterfertigung gelesen habe oder ob sie vom Kläger ausdrücklich auf die Honorarvereinbarung hingewiesen worden sei.
Soweit die Beklagte Verkürzung über die Hälfte geltend mache und deswegen die rückwirkende Aufhebung des Vertrages mit der Folge begehre, daß dem Kläger nur ein angemessenes ortsübliches Entgelt auf Basis einer bereicherungsrechtlichen Abwicklung zu belassen sei, übersehe sie, daß § 934 ABGB mangels Vereinbarung eines Entgeltes für die Leistungen des Klägers nicht anwendbar sei und daß gerade das Hauptthema dieses Prozesses die Ermittlung des angemessenen oder ortsüblichen Entgeltes sei. Information über die Möglichkeit der Erlangung der Verfahrenshilfe habe der Kläger der Beklagten nicht erteilen müssen, weil bei Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen von monatlich S 24.000 ohnedies keine Aussicht auf Erlangung der Verfahrenshilfe bestehe.
Infolge unrichtiger Anwendung des Rechtsanwaltstarifes durch die Vorinstanzen sei jedoch der Honoraranspruch des Klägers um weitere S 29.403 zu kürzen gewesen, so daß dem Kläger nur noch S 167.139,05 sA zuzusprechen wären.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO in der hier noch maßgebenden Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983 zulässig (der Streitwert, über den das Berufungsgericht entschied, übersteigt S 300.000), aber nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 Satz 3 ZPO).
Die Vorinstanzen legten der Bemessung des Honoraranspruchs den Rechtsanwaltstarif und, soweit dieser für bestimmte verzeichnete Leistungen des Beklagten keine Ansätze enthält, die AHR zugrunde. Da nach den getroffenen Feststellungen keineswegs Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Klägers vereinbart war und die von der Beklagten behauptete Pauschalvereinbarung des Honorars in Höhe der von ihr geleisteten Vorschüsse nicht erwiesen wurde, hat der Kläger - auch ohne besondere Vereinbarung betreffend die Honorarhöhe - Anspruch auf angemessene Entlohnung (EvBl. 1972/124; jüngst 8 Ob 508/89). Soweit für Leistungen ein besonderer Tarifansatz besteht (§ 1 Abs 1 RATG), ist im allgemeinen nur der entsprechende Tarifansatz als angemessenes Entgelt anzusehen (SZ 51/27); für andere Leistungen sind die Ansätze der AHR angemessen, auch wenn diese Richtlinien dem Mandanten gegenüber keine normative Kraft besitzen (8 Ob 508/89; 7 Ob 222/72). Es kommt daher bei dem hier gegebenen Sachverhalt der Frage, ob die AHR zwischen dem Kläger und der Beklagten gültig vereinbart wurden, gar keine entscheidende Bedeutung zu: Der Honorarzuspruch durch die Vorinstanzen erfolgte nämlich ohnedies nach dem Rechtsanwaltstarif und, soweit er auf einzelne Leistungen anzuwenden ist, nur subsidiär nach den AHR.
Verletzung über die Hälfte ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, nicht weiter zu prüfen, weil dem Honorarzuspruch nur das angemessene Entgelt zugrundegelegt wurde, also genau das, was die Beklagte durch die Berufung auf § 934 ABGB erreichen will.
Eine spezielle Pflicht des Rechtsanwaltes, den Mandanten bei
sonstigem Verlust seiner Honoraransprüche darauf hinzuweisen, daß
durch die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entfaltete Tätigkeit
Honoraransprüche in Höhe des geleisteten Kostenvorschusses
entstanden sind, besteht nicht. Ob eine entsprechende Obliegenheit
unter dem Gesichtspunkt standesrechtlicher (d.h.
disziplinarrechtlicher) Verantwortung des Rechtsanwaltes besteht,
ist hier nicht zu prüfen.
Nach den für den Obersten Gerichtshof maßgebenden Feststellungen
der Vorinstanzen wurde die Besprechung am Sonntag, dem 13.4.1986
deswegen durchgeführt, weil der Kläger danach beruflich sehr
ausgelastet war und vom Gericht kurzfristig eine Verhandlung
anberaumt war, so daß Zeitdruck bestand. Unter diesen Umständen ist
in der Durchführung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendigen Besprechung an einem Sonntag kein gegen die Treueverpflichtung des Rechtsanwaltes gegenüber seinem Mandanten verstoßendes Verhalten zu sehen. Die in der Revision in Erwägung gezogene Möglichkeit, eine Verlegung des Unterhaltsverfahrens zu erwirken, ändert daran nichts, weil die wahrheitsgetreue Geltendmachung dieses Erstreckungsgrundes nach anwaltlichem Ermessen zu keinem Erfolg geführt hätte.
Nicht zielführend sind die Ausführungen der Beklagten in der Revision zum Honorarzuspruch für die Konferenz vom 29.6.1986 (Sonntag) im angeblichen Ausmaß von S 43.200. Schon das Erstgericht billigte nämlich dem Kläger anstatt des von ihm unter dem Titel "Gesamtsituation" geltend gemachten Gesamtbetrages von S 103.920 (darin enthalten S 45.200 für die Konferenz am Sonntag, dem 29.6.1986) für den Zeitraum vom 29.6.1986 bis 23.10.1986 ohnedies nur Honorar für eine Besprechung in der Dauer von drei halben Stunden und für eine weitere in der Dauer von einer halben Stunde (= S 13.520 und S 4.520) zu.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E21474European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00688.89.0726.000Dokumentnummer
JJT_19900726_OGH0002_0080OB00688_8900000_000