Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mende als Schriftführer in der Strafsache gegen Rüdiger (Hans) R*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14.Mai 1990, GZ 20 u Vr 8543/89-67, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und der Verteidigerin Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Rüdiger (Hans) R*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 30.August 1989 in Wien seine Ehegattin Leopoldine R*** und seine (zehn Monate alte) Tochter Jasmine R*** durch wuchtige Stiche mit einem Küchenmesser vorsätzlich getötet, und zwar erstere durch siebzehn Stiche gegen den Oberkörper und letztere durch sieben Stiche gegen die linke Brustkorbseite.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 345 Abs 1 Z 8 und Z 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.
Nicht stichhältig ist die Instruktionsrüge (Z 8), mit der er die den Laienrichtern erteilte Rechtsbelehrung als mehrfach unvollständig bemängelt.
Denn eine schriftliche Darlegung des bei der Bejahung von Schuldfragen jeweils aktuell werdenden Strafrahmens ist in der Prozeßordnung (§ 321 Abs 2 StPO) nicht vorgesehen
(vgl EvBl 1985/97 ua), und der Ausdruck "Privilegierung", mit dem der Schwurgerichtshof jene gesetzliche Besserstellung umschrieb, die dem Täter eines Totschlags (§ 76 StGB) im Vergleich zu dem eines Mordes (§ 75 StGB) zukommt, ist durchaus in diesem Sinn verständlich, also keineswegs seinerseits erklärungsbedürftig. Das in § 76 StGB normierte Erfordernis einer "allgemeinen Begreiflichkeit" aber ist in der Instruktion zur betreffenden Eventualfrage so unmißverständlich dem Tatbestandsmerkmal der heftigen Gemütsbewegung des Täters zugeordnet, daß sich ein zusätzlich klärender Hinweis des Inhalts, jene Prämisse müsse sich nicht (auch) auf die in diesem Zustand begangene Tat erstrecken, jedenfalls erübrigte.
Richtig ist freilich, daß den Geschwornen entgegen § 321 Abs 2 StPO das prozessuale Verhältnis zwischen der Hauptfrage nach Mord und der Eventualfrage nach Totschlag sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung der beiden Fragen nicht schriftlich klargelegt wurden, wobei auch das Fragenschema selbst darüber keinen Aufschluß gibt. Eine (solcherart unterlaufene) Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung indessen kommt nur dann einer Unrichtigkeit gleich, wenn sie im Einzelfall geeignet war, einen Irrtum der Laienrichter über den Inhalt der betreffenden (unerörtert gebliebenen) gesetzlichen Regelung nach sich zu ziehen und dadurch das Verdikt zu beirren (vgl Mayerhofer/Rieder StPO2 § 345 Z 8 ENr 66): im vorliegenden Fall ist für eine dahingehende Besorgnis kein Raum. Haben doch die Geschwornen die Bejahung der Hauptfrage im Stimmenverhältnis von 6 : 2 in der - insoweit zu beachtenden (vgl Mayerhofer/Rieder aaO ENr 68 f.) - Niederschrift über ihre Erwägungen (§ 331 Abs 3 StPO) ausdrücklich damit begründet, daß "keine allgemeine heftige Gemütsbewegung" des Täters vorgelegen sei; damit haben sie zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß für die besagte Mehrheit von ihnen eine (nach dem konkreten Inhalt der beiden Fragen rein logisch gesehen gewiß denkbare) Bejahung (auch) der Eventualfrage - ganz unabhängig davon, daß dies der ihnen nicht schriftlich erläuterten prozessualen Rechtslage (§ 317 Abs 2 StPO) widersprochen hätte, derzufolge Eventualfragen nur im Fall der Verneinung einer anderen Frage (hier: der Hauptfrage) zu beantworten sind - schon nach dem Ergebnis ihrer Beweiswürdigung keinesfalls in Betracht gekommen wäre. Auf Grund der ihnen erteilten Belehrung zur Hauptfrage kann aber auch nicht mit Fug bezweifelt werden, daß sie mit deren Bejahung auf einen Schuldspruch wegen Mordes abzielten. Die Möglichkeit, daß die zuletzt erörterte Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung in prozessualer Hinsicht zu einem für den Wahrspruch bedeutsam gewesenen Mißverständnis der Laienrichter geführt haben könnte, ist demgemäß nach der Lage des Falles auszuschließen (vgl Mayerhofer/Rieder aaO ENr 67); das dementgegen aktuelle Beschwerdeargument, die Geschwornen hätten die erörterte Begründung ihres Verdikts sinnwidrig der Hauptfrage zugeordnet, obwohl sie sich sachlich auf die Eventualfrage beziehe, geht deswegen fehl, weil die Frage, ob sich der Beschwerdeführer zur Tatzeit in einem ihn privilegierenden Affekt im Sinn des § 76 StGB befand, sehr wohl ein schon für die (bejahende oder verneinende) Beantwortung der Hauptfrage entscheidendes Kriterium betraf. Von einer als Unrichtigkeit zu beurteilenden Unvollständigkeit der Instruktion kann demnach auch insoweit nicht gesprochen werden. Das einer sorgfältigen Prüfung unterzogene Beschwerdevorbringen zur Tatsachenrüge (Z 10 a) schließlich, mit dem der Angeklagte wahrscheinlich zu machen trachtet, daß er sich entgegen dem Wahrspruch doch nur in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat habe hinreißen lassen, ist im Licht der gesamten Aktenlage nicht geeignet, gegen die Richtigkeit der im Verdikt festgestellten, dem bekämpften Schuldspruch wegen Mordes zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen Bedenken zu erwecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB unter Bedacht auf die vorliegenden Strafzumessungsgründe sowie auf seine Täterpersönlichkeit zu lebenslanger Freiheitsstrafe; hiebei wertete es sein Geständnis zum objektiven Tatbild und seine Selbststellung am Tag nach der Tat als mildernd, seine Vorstrafe (wegen mehrerer im Familienkreis begangener, zum Teil mit Gewalt ausgeführter und längere Zeit hindurch fortgesetzter Sittlichkeitsdelikte sowie wegen schwerer Nötigung), seinen raschen Rückfall und die Ermordung zweier Personen hingegen als erschwerend. Auch seiner Berufung, mit der er die Verhängung einer zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Von einem "überaus reumütigen" Geständnis des Berufungswerbers oder davon, daß die Umstände der Tatbegehung denen eines Totschlags nahekämen, kann nach den Verfahrensergebnissen keine Rede sein. Angesichts der dementgegen darin zutage getretenen exzeptionellen Gefühlskälte und Grausamkeit des Angeklagten, der den Doppelmord an zwei seiner Obhut bedürftigen engsten Angehörigen während der Probezeit nach seiner zwei Jahre vorher veranlaßten bedingten Entlassung aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verübte, ist die Verhängung der gesetzlichen Höchststrafe über ihn nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) vollauf gerechtfertigt.
Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
E21587European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00067.9.0807.000Dokumentnummer
JJT_19900807_OGH0002_0150OS00067_9000000_000