TE OGH 1990/8/23 12Os53/90 (12Os54/90)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Friedrich H*** wegen des Vergehens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Mai 1988, GZ 12 c Vr 2835/86-693, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird erteilt.

Zur Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wurde ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt.

Text

Begründung:

Der Angeklagte behielt sich nach Verkündung des Urteiles am 17. Mai 1988 Bedenkzeit (S 107/XXXVI) und meldete am 19. Mai 1988 durch seinen ausgewiesenen Verteidiger die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche an (ON 700/XXXVI). Die schriftliche Urteilsausfertigung wurde dem Verteidiger am 31. Jänner 1990 zugestellt (Antrags- und Verfügungsbogen, S 3 ttt), die Ausführung der Rechtsmittel wurde aber erst am 15. Februar 1990 zur Post gegeben (ON 774/XXXVI).

Schon am 2. März 1990 langte bei Gericht der am 1. März 1990 zur Post gegebene Antrag des Angeklagten ein, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der rechtzeitig angemeldeten Rechtsmittel zu bewilligen, in dem er im wesentlichen ausführt, daß die seit dem Jahr 1972 bei seinem Verteidiger beschäftigte, ansonsten zuverlässige Kanzleileiterin im Vormerkkalender des Verteidigers irrtümlich den 15. Februar 1990 als letzten Tag zur Ausführung der Rechtsmittel in der Strafsache Dr. H*** eingetragen habe und dem Verteidiger dieses Versehen auch deshalb nicht aufgefallen sei, weil es ihm nach zahlreichen Interventionen erst am 14. Februar 1990 gelang, Akteneinsicht bei Gericht zu bekommen, wodurch er das Rechtsmittel unter Zeitdruck habe ausführen müssen, so daß er erst bei einer neuerlichen Durchsicht der Handakten am 19. Februar 1990 das Versehen seiner Angestellten bemerkt habe (ON 776/XXXVI).

Rechtliche Beurteilung

Das Wiedereinsetzungsbegehren ist gerechtfertigt:

Gemäß § 364 Abs 1 StPO ist dem Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zu erteilen, wenn er nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten und er die Wiedereinsetzung innerhalb von 14 Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses beantragt. Aus der vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Ablichtung des Kanzleikalenders des Verteidigers für die Tage 8. bis 21. Februar 1990 ergibt sich zweifelsfrei, daß am 14. Februar 1990 keine Dr. H*** betreffende Eintragung zu finden ist, während am 15. Februar 1990 die (teilweise stenografisch abgefaßte) Notiz:

"Letzter Tag: Dr. H***, Berufg" aufscheint. Die Erklärung, weshalb dieser Fehler nicht rechtzeitig erkannt wurde, findet in dem aus dem Antrags- und Verfügungsbogen ersichtlichen Aktenlauf insoweit eine Stütze, als die Akten nach Abfertigung der Urteilszustellungen und Durchführung der verfügten Ausscheidungen am 2. Februar 1990 der Staatsanwaltschaft Wien unter anderem zur Rechtsmittelausführung gegen einen weiteren Angeklagten zugestellt wurden und erst am 14. Februar 1990 wieder bei Gericht einlangten (S 3 ttt bis 3 uuu verso).

Nach ständiger Rechtsprechung bildet aber der Umstand, daß eine sonst verläßliche Kanzleiangestellte durch ein einmaliges Versehen das Ende einer Frist unrichtig vorgemerkt hat, einen unabwendbaren Umstand, den weder der Angeklagte noch sein Verteidiger zu vertreten haben, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß eine besonders genaue Kontrolle im Einzelfall angezeigt gewesen wäre (Mayerhofer-Rieder2 E 40 bis 54 zu § 364 StPO). Da im übrigen kein Grund besteht, dem Vorbringen des Angeklagten - soweit es nicht zweifelsfrei belegt ist - zu mißtrauen, die vorliegenden Beweise vielmehr für die Richtigkeit der Antragsbegründung sprechen und der Antrag auch fristgerecht nach Aufhören des Hindernisses eingebracht wurde, war dem Wiedereinsetzungsbegehren spruchgemäß stattzugeben. Über die sohin als rechtzeitig ausgeführt zu betrachtenden Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird bei einem gesondert durchzuführenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu befinden sein.

Anmerkung

E21803

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00053.9.0823.000

Dokumentnummer

JJT_19900823_OGH0002_0120OS00053_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten