Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bekir S*** wegen des (teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebenen) Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG (und § 15 StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Februar 1990, GZ 6 e Vr 12080/89-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Philipp, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 1.Jänner 1950 geborene türkische Staatsangehörige Bekir S*** wurde des (teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebenen) Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG (und § 15 StGB) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien vom Frühjahr bis November 1989 jeweils in fünf Teilmengen der Silvia C*** rund 80 g und dem Albin C*** rund 105 g Heroin mittlerer Qualität verkauft sowie am 1.Dezember 1989 der Silvia C*** weitere 20 g Heroin zu verkaufen getrachtet.
Er bekämpft dieses Urteil mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Beschwerde, mit der er die Unterstellung seiner Taten unter den Vergehenstatbestand des § 16 (Abs. 1) SuchtgiftG anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Die Subsumtionsrüge versagt:
Anders als nach der früheren Rechtslage (vor dem Inkrafttreten der Suchtgiftgesetznovelle 1985) ist für die Tatbildlichkeit nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG die (konkrete) Art der Weitergabe einer großen Menge - des die sogenannte Grenzmenge erreichenden oder übersteigenden Quantums - eines Suchtgiftes im Sinne einer Gemeingefahr nicht mehr entscheidend. Die Gemeingefahr ist nur mehr als Mittel der Quantifizierung der Grenzmenge von Bedeutung. Dies drückt das Gesetz durch den zweiten Satz des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG aus, wonach eine Suchtgiftmenge dann als groß anzusehen ist, wenn die (gedachte) Weitergabe einer solchen Menge geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen enstehen zu lassen (vgl. auch Kodek, Suchtgiftgesetz RN 3 zu § 12; LSK 1986/84; nv 9 Os 156/86, 11 Os 61/86, 12 Os 111/87, 12 Os 66/88 uam). Es kommt daher im gegenständlichen Fall nicht darauf an, ob die Weitergabe des Heroins (mittlerer Qualität), dessen Menge jeweils die verbrechensqualifizierende Quantität (rückgerechnet von der bei Reinsubstanzen maßgeblichen Menge von 1,5 g; EvBl. 1988/3, 1988/131; JBl. 1990, 332 uva) um ein Vielfaches übersteigt, zur Bedarfsdeckung bereits Süchtiger geschah. Demnach hat das Gericht die (teils versuchte) Weitergabe großer Suchtgiftmengen rechtsrichtig dem Tatbild des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG unterstellt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und nach § 13 Abs. 1 SuchtgiftG eine Geldstrafe von 240.500 S (drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe). Dabei waren erschwerend das (durch zwei einschlägige massive Freiheitsstrafen nach dem Suchtgiftgesetz gekennzeichnete) schwer getrübte Vorleben des Angeklagten und der Umstand, daß das Suchtgiftquantum knapp an der Qualifikationsmenge des § 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG lag, mildernd hingegen das Geständnis sowie, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an, sei doch unberücksichtigt geblieben, daß er von Silvia C*** zur Beschaffung der Drogen gedrängt wurde und einer besonders verlockenden Gelegenheit zum Suchtgifterwerb erlegen sei. Verfehlt sei aber insbesondere die Heranziehung der Qualifikationsnorm des § 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG, da die dort normierte Menge im besonderen Fall eindeutig nicht erreicht worden sei.
Auch die Berufung schlägt fehl.
Der anzuwendende Strafsatz des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG reicht bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, doch ist die Strafbefugnis im Falle des Angeklagten gemäß § 39 StGB bis auf siebeneinhalb Jahre erweitert. Angesichts der durch das einschlägig schwer belastete Vorleben gekennzeichneten Täterpersönlichkeit des selbst nicht süchtigen (S 13, 51, 179, 207, 209) Angeklagten, aber auch der durchaus zu Recht bloß durch Zitierung - keineswegs aber Anwendung - der Qualifikationsnorm des § 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG charakterisierten großen Menge des involvierten Suchtgifts erscheint die im Mittelbereich geschöpfte Sanktion selbst unter Berücksichtigung der übrigen, von der Berufung hervorgekehrten, wenn überhaupt, so nur in der Verantwortung des Angeklagten möglicherweise gedeckten mildernden Aspekte keineswegs überhöht, vielmehr bei der gewichtigen Konkurrenz erschwerender Umstände geradezu geboten, um die legitimen Strafzwecke sowohl general- wie spezialpräventiv erreichen zu können.
Anmerkung
E21559European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00082.9.0823.000Dokumentnummer
JJT_19900823_OGH0002_0120OS00082_9000000_000