Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter H***, geboren am 16. Mai 1945, Maurer, Haiming, Schlierenzau 28, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser, Dr. Friedrich Hohenauer und Dr. Martin Zanon, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Melitta H***, gesch. H***, geb. K***, geboren am 8. August 1938, Hausfrau, Haiming, Winkelweg 4 b, vertreten durch Dr. Hermann Schöpf, Rechtsanwalt in Landeck, wegen Ehescheidung, infolge der Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. Dezember 1989, GZ 3 a R 565/89-31, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Silz vom 10. August 1989, GZ 1 C 1/89t-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben einander am 26. April 1969 geehelicht. Aus ihrer Verbindung sind Walter, geboren am 4. Dezember 1968, Priska, geboren am 5. September 1971, und Nicole, geboren am 18. Dezember 1976, hervorgegangen. Die Beklagte brachte den am 12. Juli 1967 unehelich geborenen Michael in die Ehe, dem der Kläger seinen Namen gab.
Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem (alleinigen) Verschulden der Beklagten.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung, in eventu die Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers. Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus beiderseitigem Verschulden und sprach aus, daß die Schuld der Beklagten überwiege. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger war bei der Eheschließung Eigentümer einer Landwirtschaft mit Wohn- und Wirtschaftsgebäude in Schlierenzau mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rund 5 ha. Die Beklagte hat kein Vermögen in die Ehe eingebracht. Sie ist angelernte Kellnerin und war mehrere Jahre als Schankkassierin tätig. Auch nach der Eheschließung übte sie diesen Beruf aus, allerdings nur zeitweise. Um nicht auswärts arbeiten gehen zu müssen, entwickelte die Beklagte den Plan, auf einem Baugrund des Klägers ein Kaffeehaus zu errichten. Mit diesem Plan war der Kläger einverstanden. 1974 wurde das Cafe eröffnet. Das Haus, in dem sich der Betrieb befand, besteht aus einem Keller und einem Erdgeschoß. Im Erdgeschoß war das Cafe, im Keller eine Kellerbar untergebracht. Die Ehewohnung befand sich noch einige Jahre im Elternhaus des Klägers.
Das neue Haus wurde mit Fremdmitteln errichtet. Bei der Eröffnung des Cafes betrugen die Schulden 700.000 S (Aussagen des Klägers) bis 1 Mill. S (Aussagen der Beklagten). In der Folge haben die Streitteile einen Zubau zum Kaffeehaus errichtet. Auch dieser Zubau wurde mit Krediten (laut Aussagen des Klägers 500.000 S) finanziert. Der Kläger hat beim Bau des Kaffeehauses und des Zubaues tatkräftig mitgearbeitet.
Vor der Errichtung des Kaffeehauses übergab der Kläger der Beklagten schenkungsweise den Baugrund, auf dem das Objekt errichtet werden sollte. Der Zubau zum Kaffeehaus stand dann auch auf dem der Beklagten allein gehörenden Grund. Im Jahr 1980 übergab die Beklagte dem Kläger einen Hälfteanteil am Haus, wohl aus der Erkenntnis, daß der Kläger zur Finanzierung des Neubaues eigenen Besitz verkaufen mußte.
Die Schulden waren wegen verschiedener Umbauarbeiten im Kaffeehaus, die über Initiative der Beklagten erfolgten, beträchtlich angewachsen. Außerdem warf das Cafe keinen Gewinn ab. Der Kläger verkaufte nach und nach Eigenwald, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und drei Baugründe und erlöste daraus rund 3,5 Mill. S. Dieser Betrag ist größtenteils in Baukosten für das Kaffeehaus und den Zubau aufgegangen. Den letzten Besitz verkaufte der Kläger noch im Jahre 1980. Durch diese Verkäufe konnte das neue Haus 1985 bis auf einen Kredit der Sparkasse Imst von 300.000 S schuldenfrei gestellt werden.
Im Jahr 1984 kaufte der Kläger einen neuen Traktor auf Kredit. Mit diesem Traktor wollte er Transportleistungen für sich und fremde Kunden verrichten.
1985 wurden im Haus der Streitteile erneut Umbauarbeiten vorgenommen. Die Beklagte wollte das Cafe, das damals im Kellergeschoß geführt wurde, in das Erdgeschoß verlegen, wo bisher die Ehewohnung war. Die Ehewohnung sollte in den Zubau verlegt und die Mietpartei K*** gekündigt werden. Das Cafe im Erdgeschoß wäre für die Beklagte ein Vorteil gewesen, weil ihr das beschwerliche Stiegensteigen erspart geblieben wäre. Tatsächlich sind aber dann der Kläger, der Sohn Walter und die Tochter Priska in die bis dahin an die Familie W*** vermietete Wohnung gezogen, während die Beklagte in der alten Ehewohnung blieb. Der Kaffeehausbetrieb wurde 1986 eingestellt, weil er keinen Gewinn abwarf.
Die Raten auf das Darlehen der Sparkasse Imst betrugen 5.400 S monatlich. Da der Kaffeehausbetrieb keinen Gewinn abwarf und schließlcih eingestellt wurde und der Kläger die Zahlungen auf das Darlehen der Sparkasse Imst und auf das Darlehen, mit dem er den Kauf des Traktors finanziert hatte, einstellte, wurde das Wohn- und Kaffeehaus am 12. September 1988 versteigert und dem Sohn der Streitteile Walter um das Meistbot von 1,3 Mill. S zugeschlagen. Der Überling (laut Exekutionsakt je rund 371.000 S) wurde an die Streitteile ausbezahlt. Die Beklagte bekam wegen der Pfändung des auf sie entfallenden Überlings nur rund 104.000 S.
Nach der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Jänner 1986 leistete der Kläger weder für die Kinder Walter und Nicole noch für die Beklagte selbst Unterhalt.
Die Beklagte stellte am 21. Jänner 1987 beim Erstgericht zu P 4/87 den Antrag, den Kläger zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes für die Kinder von je 1.800 S ab Antragstag zu verpflichten. Den Antrag hinsichtlich Walter zog sie wegen teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit später zurück. Mit Vergleich vom 2. Februar 1987 verpflichtete sich der Kläger, für Nicole ab 1. Februar 1987 einen Unterhalt von 1.000 S monatlich zu zahlen. Er war damals arbeitslos und bezog die Arbeitslosenunterstützung. Am 1. März 1988 stellte die Beklagte den Antrag auf Erhöhung des Unterhaltes für Nicole ab 1. März 1988 auf monatlich 1.600 S, weil der Kläger die Rückzahlungen auf das Darlehen der Sparkasse, die er bei Vergleichsabschluß als Grund für seine verminderte Leistungsfähigkeit angegeben hatte, eingestellt habe und die anteiligen Mieteinnahmen vom Haus voll anzurechnen seien. Mit Beschluß vom 27. April 1988 verpflichtete das Erstgericht den Kläger zur Zahlung des begehrten Unterhaltes von 1.600 S ab 1. April 1988. Gleichzeitig mit dem Unterhaltsantrag für Walter und Nicole brachte die Beklagte zu 1 C 4/87 (später 1 C 14/88) des Erstgerichtes gegen den Kläger die Klage auf Unterhalt für sich ein und begehrte einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 3.000 S ab dem Klagstag. Der Kläger lehnte dieses Unterhaltsbegehren ab und machte Verwirkung des Unterhaltsanspruches und mangelnde Leistungsfähigkeit geltend. In der Tagsatzung vom 5. März 1987 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens, offenbar wegen der nicht zu widerlegenden mangelnden Leistungsfähigkeit des Klägers. Am 26. Mai 1988 stellte der Verfahrenshelfer der Beklagten Fortsetzungsantrag und schränkte im Laufe des fortgesetzten Verfahrens das Klagebegehren, das der Höhe nach unverändert blieb, auf die seit 1. Juni 1988 und in der Zukunft fälligen Unterhaltsbeträge ein. Mit Urteil des Erstgerichtes vom 10. Oktober 1988 wurde der Kläger im Sinne des eingeschränkten Klagebegehrens zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Den Einwand des Klägers, die Beklagte habe den Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie ihn aus der Ehewohnung gewiesen und ehewidrige Beziehungen unterhalten habe, hielt das Erstgericht mangels eines Beweises für nicht berechtigt. Über Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Urteil auf, bestätigte aber die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß eine Unterhaltsverwirkung nicht gegeben sei. Die Aufhebung erfolgte deshalb, weil die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt noch ergänzungsbedürftig war. Im fortgesetzten Verfahren anerkannte schließlich der Kläger in der Tagsatzung vom 7. Juli 1989 das Klagebegehren im vollen Umfang, sodaß das Erstgericht mit Anerkenntnisurteil vom 7. Juli 1989 den Kläger neuerlich zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages an die Beklagte von monatlich 3.000 S ab 1. Juni 1988 verpflichtete.
Die Spannungen in der Ehe der Streitteile begannen nach der Geburt des dritten Kindes Nicole. Die Seitensprünge der Beklagten mit dem Bruder des Klägers Josef vor 20 Jahren, also bald nach der Eheschließung, und mit Helmut S*** vor 8 Jahren, welche die Beklagte dem Kläger laut dessen Aussage eingestanden hat, die aber von der Beklagten in diesem Verfahren bestritten werden, haben die Ehe nicht wesentlich belastet und wurden der Beklagten vom Kläger durch Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs und der Zuneigung verziehen.
Ein wesentlicher Grund für die dann Ende der Siebzigerjahre auftretenden Zerwürfnisse war die Tatsache, daß sich die Errichtung und der Betrieb des Kaffeehauses als Fehlschlag erwiesen. Die Schuld am wirtschaftlichen Debakel trifft die Beklagte nicht allein, wenn auch die Motivation zur Errichtung des Kaffeehauses und zu den verschiedenen Umbauten hauptsächlich von ihr ausgegangen ist. Der Kläger war mit den Plänen der Beklagten durchaus einverstanden, hat seinen Liegenschaftsbesitz veräußert, um das Geld in den Bau dieses Objektes hineinzustecken, hat den Baugrund, auf dem das Cafe errichtet wurde, der Beklagten geschenkt und beim Bau selbst mitgeholfen. Offenbar schwebte ihm vor, im Betrieb seiner Frau ein angenehmes Leben als Schankgehilfe führen zu können. Er ist nicht der Typus eines verbissenen Arbeiters, den es zu einer geregelten und dauerhaften Arbeit hinzieht. Er ist kein unternehmerischer, initiativer Mensch. Er hat zwar die Idee der Beklagten, ein Kaffeehaus zu bauen, gutgeheißen und ihr bei der Errichtung und Führung des Betriebes den Beistand nicht versagt. Er hat ihr aber in kommerzieller Hinsicht völlig freie Hand gelassen und die Gebarung nie kontrolliert. Zu der Einsicht, daß der Betrieb nicht gut gehen könne, hätte auch der Kläger bei nüchterner Überlegung gelangen müssen. Das Fiasko eines solchen Betriebes ergab sich schon aus dem völlig ungeeigneten Standort. Der Betrieb wäre nur zu halten gewesen, wenn der Kläger nebenbei einer geregelten Arbeit nachgegangen wäre. Bei der ungünstigen Ertragslage konnte der Betrieb den Kläger nicht miternähren, geschweige denn für ihn einen Lohn abwerfen. Das war für den Kläger spätestens in dem Zeitpunkt erkennbar, als die Barmittel aus den Grundverkäufen erschöpft waren und der Unterhalt der Familie nur aus dem Kaffeehausbetrieb bestritten werden mußte. Bei Annahme einer Arbeit durch den Kläger wäre das Haus zu retten gewesen, weil nach Aussage der beiden Streitteile im Jahre 1985 keine langfristigen Schulden darauf lasteten. Der Kläger war aber in der Zeit von Mitte April 1984 bis Ende November 1985 nur bei der Beklagten gemeldet und ging erst am 14. April 1987 einer Arbeit im Hotel S*** nach. In der Zwischenzeit war er arbeitslos.
Daß es auch der Kläger weitgehend an wirtschaftlicher Einsicht fehlen ließ, beweist die Tatsache, daß er zu einer Zeit, in der beiden Streitteilen klar geworden sein mußte, daß der Betrieb die Familie nicht ernähren, geschweige denn neue Schulden abdecken kann, einen neuen Traktor um 220.000 S auf Kredit nur zu dem Zweck gekauft hat, mit ihm Holztransporte durchzuführen. Auch dieses Geschäft erwies sich als Fehlschlag, weil der Traktor bald nach dem Ankauf bei einem Holztransport einen Totalschaden erlitt.
In bezug auf Unwirtschaftlichkeit und Geldgebarung haben also die beiden Streitteile einander nichts vorzuwerfen. Der Unterschied besteht nur darin, daß die Beklagte der aktivere Teil war, während sich der Kläger mehr passiv verhalten hat, wobei diese Passivität nicht weniger zur Mißwirtschaft beigetragen hat. Es mag sein, daß die Beklagte, solange die Geldmittel reichlich flossen und der Betrieb halbwegs florierte, mit dem Geld großzügig umgegangen ist, Leute eingeladen und Runden freigehalten hat. Die Grenzen der einem Wirtschaftstreibenden in dieser Beziehung obliegenden Verpflichtungen wurden hiebei aber nicht kraß überschritten. Die Streitteile haben nicht luxuriös gelebt und auch keine teuren Urlaube gemacht oder kostspielige persönliche Anschaffungen getätigt. Die Beklagte war allerdings oft unterwegs, ohne daß dies mit wirtschaftlichen Erfordernissen zu rechtfertigen gewesen wäre. Sie hat zwar weder Schmuck noch teure Garderobe, teure Autos oder teure Urlaube gehabt. Ihre gelegentlichen Besuche von Bars oder "Sexclubs" attestieren der Beklagten aber nicht gerade einen Hang zur Sparsamkeit und Zurückhaltung; auch daß bei einer Party in der Wohnung der Beklagten im Jahr 1985 Sekt aus den Schuhen getrunken wurde, wirft nicht gerade ein günstiges Licht auf die Beklagte. Es liegen jedoch keine Beweise dafür vor, daß die Beklagte die Gelder, die sie vom Kläger erhalten und aus dem Betrieb herausgewirtschaftet hat, in großem Umfang verschleudert und damit den wirtschaftlichen Ruin allein verursacht hätte.
In bezug auf die Hauswirtschaftsführung kann über die Beklagte kein klares Bild gewonnen werden. Daß die Beklagte dem Kläger Arbeiten im Haushalt und bei der Versorgung der Kinder überlassen hat, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, da der Kläger wegen des flauen Geschäftsganges im Kaffeehaus kaum ausgelastet war und ihm daher eine Mithilfe im Haushalt und bei der Kinderversorgung zugemutet werden konnte.
Im Jänner 1986 bezog der Kläger die Arbeitslosenunterstützung. Da er der Beklagten davon nichts oder nach ihrer Ansicht zu wenig gegeben hat, forderte sie ihn auf, die bisher von der Familie W*** bewohnte und nun freigewordene Wohnung zu beziehen und sich und seiner Tochter Priska, mit der sie sich auch nicht vertrug, die Mahlzeiten selbst zu bereiten. Dieser Aufforderung leistete der Kläger Folge. Seit Jänner 1986 leben die Streitteile getrennt. Ab 1983 nahm die Beklagte mit ihrem früheren Ehemann Franz H*** Kontakt auf. Sie wollte mit ihm wieder "ab und zu ins Gespräch kommen". Die Beklagte besuchte dann Franz H***, der bei der Rettung in Innsbruck beschäftigt ist, an seiner Arbeitsstelle am Sillufer. Ob sie sich mit ihm auch bei seinem Hasenstall in Rum traf und dort nächtigte, konnte nicht festgestellt werden. Wie oft sich die Beklagte mit H*** getroffen hat, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Nach ihren mit den Aussagen H*** konform gehenden Aussagen war es drei- bis fünfmal im Jahr. Zu Stoja W*** sagte die Beklagte allerdings, daß sie wöchentlich zweimal zu H*** fahre; Rainer F***, der die eigenen Angaben der Beklagten als Quelle seines Wissens heranzieht, spricht von wöchentlich einmaligen Besuchen. H*** hat auch oft bei der Beklagten angerufen und nach ihr gefragt. Gegenüber Walter H*** äußerte sich die Beklagte dahin, daß sie froh sei, ihren ersten Mann zu sehen. Daß die Beziehungen zwischen der Beklagten und ihrem früheren Ehegatten Franz H*** rein platonischer Art waren, wie H*** und die Beklagte es vorgeben, ist nicht glaubwürdig. Gegenüber dem Kläger gab die Beklagte 1985 sexuelle Kontakte zu. Bei aller Distanz zu den Aussagen des Klägers kann man doch nicht sagen, daß der Kläger alles, was er über die Geständnisse der Beklagten ausgesagt hat, frei erfunden hat. Dies kann umso weniger angenommen werden, als die Beklagte selbst zugegeben hat, daß sie anläßlich der Geburtstagsfeier des Klägers nach der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft diesem versprochen hat, die Kontakte mit H*** aufzugeben, wenn "dies den Kläger störe". Die Beklagte ist ihrem Wesen nach auch keine Frau, welche freundschaftlichen Verkehr mit Männern von Sexualität scharf zu trennen vermag. Sie ist alles eher als eine verklemmte Person. Dem Zeugen Rainer F*** erzählte sie - was von einer Frau ungewöhnlich ist - von ihren Besuchen in Sexclubs in Innsbruck, die sie mit Männern aus Schlierenzau unternahm. Sie unterhielt sich in Gegenwart von Männern über Sex. Bei Parties und Unterhaltungen tat sich die Beklagte keinen Zwang an. Sie zog sich die Bluse aus und tanzte mit dem Büstenhalter oder benahm sich ordinär. Mögen diese Fälle auch schon mehrere Jahre zurückliegen, so beleuchten sie doch die Triebhaftigkeit der Beklagten und ihre lockere Auffassung von ehelicher Treue. Mit Theo K***, der Stammgast im Cafe der Beklagten war, besuchte die Beklagte Lokale in Telfs und Innsbruck und kam erst spät in der Nacht nach Hause. Es wurden Küsse zwischen den beiden ausgetauscht und Theo K*** legte den Arm um die Beklagte. Daß die Beklagte mit ihm geschlechtlich verkehrt hat, ist nicht erwiesen, wenngleich Theo K*** zugibt, es bei der Beklagten "probiert" zu haben. Nicht erwiesen ist auch, daß die Beklagte zu Werner S*** und Gerhard S*** ehewidrige Beziehungen unterhalten habe. Auch intime Beziehungen der Beklagten zum Chauffeur der Firma W*** sind nicht einwandfrei zu verifizieren.
Schon vor der Trennung der Streitteile verkehrte der türkische Gastarbeiter Achmed E*** häufig im Cafe der Beklagten. Nach der Schließung des Cafes und der Trennung der Streitteile hielt er sich in der Wohnung der Beklagten auf. Sein PKW stand oft die ganze Nacht vor dem Haus. Die Frau des türkischen Gastarbeiters teilte Stoja W*** mit, daß die Beklagte ihrem Mann eine Karte aus Jugoslawien geschrieben habe. Angeblich soll auf dieser Karte E*** mit "mein Schatz" tituliert worden sein. Maria E*** bestreitet dies jedoch. Ehewidrige Beziehungen wurden sowohl von Achmed E*** als auch von der Beklagten bestritten.
Die Behauptungen des Klägers, die Beklagte habe ihn Ende 1985 vor Gästen als faul, blöd und wirtschaftliches Hindernis hingestellt, sind nicht erwiesen.
Josef und Stoja W*** wohnten bis zum 14. Dezember 1985 im Haus der Streitteile als Mieter. Der Mietvertrag war auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Knapp vor Dezember 1986 (richtig offenbar: 1985) trat die Beklagte mit der Bitte an W*** heran, die Wohnung freizumachen, weil sie sich von ihrem Mann trennen möchte und dieser die von W*** gemietete Wohnung beziehen soll. Die Eheleute W*** haben dann nach Erhalt einer Ersatzwohnung ohne Widerspruch die Mietwohnung geräumt. Mit Josef W*** hatte die Beklagte öfters Lokale besucht und ist dann spät nachts heimgekehrt. Bei einem solchen Besuch hat sich die Beklagte in fortgeschrittener Stunde die Bluse ausgezogen. Am 29. November 1986 (im Verfahren 1 C 15/88 gab Josef W*** das Jahr 1987 an) lud die Familie W*** unter anderem auch die Beklagte zu einer Geburtstagsfeier in der Imbißstube einer Tankstelle ein. Anschließend begab sich die Gruppe in ein anderes Lokal. Es war ausgemacht, daß die Beklagte bei Stoja W*** übernachtet, welche damals die Tochter der Beklagten betreute. Stoja W*** fuhr voraus, um noch Kaffee zu kochen. Die Beklagte fuhr aber mit Josef W*** nach Schlierenzau und Stoja W*** wartete vergeblich. Sie schöpfte Verdacht und fuhr zur Beklagten. Diese öffnete die Tür im Nachthemd. Josef W*** lag im Bett der Nicole und trug nur die Unterhose. Die Frage, ob es damals zu einem sexuellen Verkehr zwischen der Beklagten und Josef W*** gekommen ist, bleibt offen. Eine verfängliche Situation lag jedenfalls vor. Stoja W*** schloß aus dieser Beobachtung wohl zu Recht, daß zwischen den beiden etwas vorgefallen ist. Der Ehefriede zwischen den Eheleuten W*** war wegen dieses Vorfalles ein Jahr lang gestört.
1984 lernte der Kläger anläßlich einer Kur in Bad Häring die um 7 Jahre jüngere ledige Angestellte Notburga P*** kennen. Der Kläger war damals wegen der Beziehungen der Beklagten zu ihrem früheren Ehemann nervlich sehr angeschlagen. Er mußte Nerventabletten nehmen. Er erzählte Notburga P*** über die Beziehungen der Beklagten zu anderen Männern und auch über "intime Sachen aus der Ehe". Der Kläger pflegte dann jährlich drei- bis viermal Kontakt mit dieser Frau. Nach der Trennung der Streitteile besuchte er sie in ihrer Wohnung in Birgitz. Öftere Besuche des Klägers in der Wohnung der Notburga P*** sind nicht erwiesen. Intime Beziehungen werden sowohl vom Kläger als auch von Notburga P*** bestritten. Schon vor der Trennung der Streitteile rief Notburga P*** die Beklagte mehrmals an und machte ihr Vorwürfe, warum sie mit dem Kläger, "der so nett sei", so gemein sei, der Kläger verdiene das nicht. Sie, die Beklagte, solle nicht so häufig mit anderen Männern unterweges sein. Die Beklagte suchte dann Notburga P*** in deren Wohnung in Birgitz auf. Bei diesem Besuch stellte P*** geschlechtliche Beziehungen zum Kläger in Abrede.
Die Streitteile hatten bis zur Trennung regelmäßig Geschlechtsverkehr. Trotz der tristen Verhältnisse und der Beziehungen der Beklagten zu ihrem früheren Mann fühlte sich der Kläger zur Beklagten hingezogen, weil er an ihr "gehangen" ist. Vorkommnisse, die bis Ende der Siebzigerjahre vorgefallen sind (Beziehungen zu Helmut S*** und Josef H***), hat der Kläger der Beklagten verziehen. Nach der Trennung kam es unbestrittenermaßen einmal zum Geschlechtsverkehr, und zwar am 23. November 1986. Die Beklagte sagte aus, daß es mehrmals zum Verkehr gekommen sei, und zwar 10 bis 15mal. Im Unterhaltsverfahren 1 C 15/88 hat der Kläger zugegeben, daß es auch nach der Trennung zu weiteren Verkehren gekommen sei.
Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:
Die Beklagte habe dadurch eine schwere Eheverfehlung begangen, daß sie ab 1983 ständig Kontakt mit ihrem früheren Ehegatten Franz H*** gepflogen habe, obwohl sie erkannt habe bzw. erkennen habe müssen, daß der Kläger darunter leide und wegen dieser Beziehung der Beklagten gesundheitlichen Schaden nehme. Wenngleich ein Ehebruch der Beklagten mit Franz H*** nicht erwiesen sei, habe es sich beim Umgang der Beklagten mit diesem doch nicht bloß um eine harmlose Freundschaft gehandelt. Darin sei aber jedenfalls eine schwere Eheverfehlung der Beklagten zu erblicken, weil schon die Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zu einer Person des anderen Geschlechts eine solche Verfehlung darstelle, wenn sie gegen den Willen des anderen Ehegatten erfolge. Darüber hinaus sei auch der Vorfall mit Josef W*** anläßlich der Geburtstagsfeier im Jahre 1986 (oder 1987) als schwere Eheverfehlung der Beklagten zu werten, weil die Umstände, unter denen sie den Genannten zum Übernachten in ihrem Haus bewogen habe, auf ein Verhalten hinwiesen, welches mit der Pflicht der Eheleute zur Treue nicht in Einklang zu bringen sei. Der Kläger sei seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten sowie gegenüber Nicole nicht nachgekommen, weil er nach seinen eigenen Angaben zuletzt im Jänner 1986 die Arbeitslosenunterstützung der Beklagten ausgefolgt habe. Danach habe er folglich der Beklagten kein Geld zum Unterhalt mehr gegeben. Im Unterhaltsprozeß habe er erst am 7. Juli 1989 das Begehren der Beklagten auf Unterhalt anerkannt und den Rückstand noch in diesem Monat bezahlt, womit feststehe, daß er seit 1. Juni 1988 der Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten trotz gegebener Leistungsfähigkeit nicht nachgekommen sei. Diese Verletzung der Unterhaltspflicht stelle eine schwere Eheverfehlung des Klägers dar, welche auch nicht dadurch beseitigt werde, daß der Kläger mittlerweile den gesamten Unterhaltsrückstand nachgezahlt habe. Im übrigen sei zwar nicht erwiesen, daß der Kläger zu Notburga P*** ein mehr als nur freundschaftliches Verhältnis unterhalten habe. Allerdings stelle allein schon der Umstand, daß er der Genannten Einzelheiten seines Intimlebens mit der Beklagten erzählt habe, eine schwere Eheverfehlung dar. Durch die beiderseits begangenen Eheverfehlungen sei die Ehe der Streitteile so tiefgreifend zerrüttet, daß eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr möglich sei. An der Zerrüttung treffe zwar beide Ehegatten ein Verschulden, wobei jedoch das Verschulden der Beklagten überwiege. Die Zerrüttung der Ehe der Streitteile habe nämlich mit Aufnahme der Beziehungen der Beklagten zu ihrem früheren Ehegatten Franz H*** begonnen. Bis dahin sei trotz der Seitensprünge der Beklagten die Ehe im wesentlichen gut verlaufen und seien beide Ehegatten einander zugetan gewesen. Durch den regelmäßigen Kontakt der Beklagten zu ihrem früheren Ehegatten sei jedoch zunehmend eine Entfremdung eingetreten, welche letztendlich zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft geführt habe. Die vom Kläger gesetzten Verfehlungen, nämlich Aufnahme einer Verbindung zu einer anderen Frau und Vernachlässigung der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Familie, seien Folgeerscheinungen der von der Beklagten bewirkten Entfremdung gewesen. Den Verfehlungen des Klägers komme daher gegenüber jenen der Beklagten nur eine untergeordnete Bedeutung zu.
Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und trat auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen beider Streitteile sind nicht berechtigt.
1.) Zur Revision des Klägers:
Der Kläger vertritt in seiner auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten, die Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten anstrebenden Revision den Standpunkt, daß ihm weder die Mitteilung "intimer Sachen aus der Ehe" an Notburga P*** noch eine Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten und der Tochter Nicole als schwere Eheverfehlung anzulasten sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
Was das erstgenannte Verhalten des Klägers betrifft, so gab dieser bei seiner Parteienvernehmung an, er habe mit Notburga P*** keine Intimitäten gehabt, ihr allerdings intime Sachen aus seiner Ehe erzählt; man könne P*** nicht als Freundin bezeichnen (AS 46). P*** sagte als Zeugin aus, daß zwischen ihr und dem Kläger, mit dem sie keinerlei intime Kontakte gepflogen habe, eine gute Bekanntschaft und keine Freundschaft bestanden habe (AS 90). Wenn die Vorinstanzen angesichts dieser Beweislage, gestützt auf die Entscheidung EFSlg. 11.898 mit weiteren Nachweisen aus Lehre und Rechtsprechung (wonach die Ehegatten die Pflicht zur Wahrung einer gewissen Diskretion trifft, sodaß die in welcher Absicht immer erfolgte Mitteilung intimer Vorgänge des Ehelebens und der Sexualsphäre an dritte Personen eine Verletzung der Treuepflicht darstellt, sofern zu diesen Personen nicht ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis besteht), zu der Beurteilung des Verhaltens des Klägers als schwere Eheverfehlung gelangten, kann darin ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden. Daß der Kläger das in Rede stehende Verhalten gesetzt haben mag, als er im Rahmen seiner seelischen Niedergeschlagenheit bei einem anderen Menschen Trost suchte, entschuldigt ihn nicht; im übrigen wurde dieser Umstand von den Vorinstanzen ohnehin bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt. Was die dem Kläger von den Vorinstanzen als schwere Eheverfehlung angelastete Verletzung seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten und der Tochter Nicole anlangt, so steht der Umstand, daß der Kläger im Jänner 1986 über keinerlei Mittel mehr verfügte, der Annahme seiner Unterhaltspflicht in der Folgezeit aufgrund seiner in der Folge erzielten Einkünfte nicht entgegen. Nach dem im gegenständlichen Scheidungsverfahren festgestellten Sachverhalt ist eine Unterhaltsverwirkung der Beklagten ebensowenig anzunehmen wie nach dem dem Unterhaltsstreit zugrunde gelegten Sachverhalt. Daß die Ehe der Streitteile bereits zerrüttet war, als der Kläger seine Unterhaltspflicht verletzte, haben die Vorinstanzen bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt. Daß die Beklagte auf ihren Unterhaltsanspruch durch Veranlassung oder Hinnahme der getrennten Haushaltsführung der Streitteile verzichtet hätte, wurde nicht vorgebracht und ergibt sich auch nicht aus dem festgestellten Sachverhalt.
Der Revision des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen.
2.) Zur Revision der Beklagten:
Die Beklagte strebt mit ihrer auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision die Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers, in eventu den Ausspruch des gleichteiligen Verschuldens der Streitteile an der Zerrüttung der Ehe an.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
In Ausführung der Rechtsrüge macht die Beklagte zusammengefaßt geltend, daß dem Kläger nicht nur das Verhalten gegenüber P*** und eine Unterhaltspflichtverletzung vorzuwerfen seien, sondern daß ihm auch anzulasten sei, daß er keiner geregelten und dauerhaften Arbeit nachgegangen sei und die Ehewohnung grundlos verlassen habe; bei der Verschuldensabwägung wäre überdies zu berücksichtigen gewesen, daß ihr sexuelle Kontakte weder zu H*** noch zu W*** nachgewiesen worden seien. Dem ist zu erwidern:
Den Vorinstanzen ist rechtzugeben, wenn sie aufgrund des festgestellten Sachverhaltes zu dem Ergebnis gelangten, daß die Streitteile einander in bezug auf die wirtschaftliche Gebarung nichts vorzuwerfen haben und daß dem Kläger nach den Umständen des vorliegenden Falles die Unterlassung einer noch größeren Anspannung seiner Arbeitskraft nicht als schwere Eheverfehlung anzulasten ist. Wenn der Kläger, von der Beklagten vor die Wahl gestellt, entweder ihr mehr Wirtschaftsgeld zu geben oder mit der Tochter Priska die Ehewohnung zu verlassen und in einer anderen Wohnung des den Streitteilen gehörenden Hauses einen eigenen Haushalt zu führen, sich für letzteres entschied, kann darin - abgesehen davon, daß die Beklagte ihren Mitschuldantrag in erster Instanz gar nicht auf diesen Umstand gestützt hat - ein grundloses Verlassen der Ehewohnung nicht erblickt werden, und zwar insbesondere auch wegen der Beziehungen der Beklagten zu ihrem früheren Ehegatten H***. Das von den Vorinstanzen im Einklang mit der ständigen diesbezüglichen Rechtsprechung angenommene Überwiegen des Mitverschuldens der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile wird vom Obersten Gerichtshof gebilligt. Entscheidend dafür ist, daß die Zerrüttung mit der Aufnahme ständiger Beziehungen der Beklagten zu ihrem früheren Ehemann, die keineswegs nur platonischer Art waren, ihren Anfang nahm und die Entfremdung zwischen den Streitteilen vor allem auf diese Beziehungen zurückzuführen ist. Dazu kommt, daß die vom Kläger zu vertretenden Eheverfehlungen aus den bei der Behandlung seiner Revision dargelegten Gründen weniger ins Gewicht fallen.
Es konnte daher auch der Revision der Beklagten ein Erfolg nicht beschieden sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs. 1, 50 ZPO.
Anmerkung
E21467European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00588.9.0828.000Dokumentnummer
JJT_19900828_OGH0002_0050OB00588_9000000_000