TE OGH 1990/8/29 9ObA196/90

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Veröffentlicht am 29.08.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. phil. Eberhard Piso und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Walter L***, Angestellter, Wien 3., Petrusgasse 1/8, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** N***,

Wien 9., Otto Wagner-Platz 3, vertreten durch Dr. Karl Hempel, Rechtsanwalt in Wien, u.a. Rechtsanwälte, wegen S 601.720,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 1990, GZ 32 Ra 18/90-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3. August 1989, GZ 14 Cga 2068/88-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.587,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 2.931,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger trat nach Vollendung seines Jus-Studiums und Absolvierung der Gerichtspraxis (mit insgesamt 63 Monaten an Studien- und Vordienstzeiten) am 16. 5. 1952 als Angestellter bei der beklagten Ö*** N*** (im folgenden auch: Bank) ein; er wurde in die Stufe B 1 des Bezugsschemas eingestuft. Diese Stufe war die 4. Stufe des (bis zur Stufe 20) in einjährige Stufen unterteilten Schemas der Verwendungsgruppe B. Daraus ergab sich de facto eine Anrechnung von drei Jahren Vordienstzeit, worüber aber bei der Einstellung des Klägers nicht gesprochen wurde. Mit Beschluß des Generalrats der Beklagten vom 21. 1. 1969 wurde den aktiven Bediensteten eine Anrechnung von - nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten - Studien-, Behinderungs- und Vordienstzeiten im Höchstausmaß von sechs Jahren genehmigt; hiebei wurden jedoch von den Vordienstzeiten die nach dem Jahre 1950 gewährten höheren Anfangseinstufungen zur Gänze abgezogen. Auf Grund dieses Beschlusses suchte der Kläger im Februar 1969 um Anrechnung seiner Vordienstzeiten im Gesamtausmaß von 63 Monaten an. Die Beklagte rechnete ihm (aufgerundet) weitere 30 Monate zur Vorrückung in höhere Bezugsstufen an. Der Kläger war damit einverstanden. In der Folge schuf die Beklagte (auf der Grundlage des § 38 Abs 2 NBG) ein eigenes Dienstrecht in Form von sogenannten Dienstbestimmungen (DB), das am 1. 1. 1971 in Kraft trat. Mit dem Inkrafttreten dieser Dienstbestimmung verlor das bisherige Dienstrecht seine Wirksamkeit (§ 90 Abs 1 DB), doch blieben Ansprüche auf Leistungen der Bank auf Grund der früher in Geltung gestandenen Dienstordnungen grundsätzlich aufrecht (§ 90 Abs 2 DB). Die Anrechnung von Vordienstzeiten war nunmehr in § 44 Abs 5 DB, die höhere Anfangseinstufung von Akademikern in § 44 Abs 7 DB wie folgt geregelt:

"(5) Über Antrag werden den Dienstnehmern nach einer effektiven Dienstzeit von 3 Jahren nachstehende Zeiten, die sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt haben, für die Zeitvorrückung angerechnet, wobei für alle Kategorien von anrechenbaren Zeiten zusammen nur insgesamt 6 Jahre angerechnet werden können:

a) Vor dem Eintritt in den Bankdienst zurückgelegte Zeiten abgeschlossener Studien an Universitäten (wissenschaftlichen Hochschulen), die für die Verwendung in der Bank einschlägig sind, im Ausmaß der nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehenen Studienzeit, und zwar unbeschadet der Einstufung gemäß Abs 7;

b)

Vordienstzeiten;

c)

.....

(7) Aufnahmewerber, die ein für die Verwendung in der Bank einschlägiges, auf Grund des allgemeinen Hochschulstudiengesetzes eingerichtetes, mindestens achtsemestriges Diplomstudium an einer Universität (wissenschaftlichen Hochschule) absolviert haben, werden in die Stufe 1 eingestuft. ...."

Der Kläger stieg bei der Beklagten schließlich bis zum Vorstand des Rechtsbüros auf und übte diesen Posten bis 30. 4. 1978 aus. Er befand sich damals (1. 1. 1978) in Gehaltsstufe 37. Am 27. 1. 1978 wurde ihm der Titel "Rechtskonsulent der Ö***

N***" verliehen. Mit 1. 5. 1978 wurde der Kläger unter Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses zur Beklagten in die Gesellschaft für Revision und treuhändige Verwaltung überstellt; er wurde in die Stufe 39 des Schemas I, die höchsterreichbare Stufe überhaupt, eingereiht und ihm außerdem zwei "Interimalzulagen" gewährt, sodaß er praktisch gehaltsmäßig um 8 Jahre vorrückte. Das Verhältnis zwischen § 44 Abs 5 und Abs 7 DB führte in den Achtzigerjahren zu Diskussionen unter den Bediensteten. Es war strittig, ob die in § 44 Abs 7 DB vorgesehene höhere Anfangseinstufung der Akademiker im Ausmaß von drei Jahren (so wie seinerzeit nach dem Generalratsbeschluß vom 21. 1. 1969) von den anzurechnenden Vordienstzeiten abzuziehen sei. Der Generalrat (holte ein Rechtsgutachten ein und) beschloß am 23. 6. 1982, den Akademikern, die nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehenen Studienzeiten im Rahmen des Höchstausmaßes des § 44 Abs 5 DB (ungeachtet einer bereits früher erfolgten höheren Einstufung) voll anzurechnen. Der Generaldirektor der Beklagten erließ zur Vollziehung dieses Beschlusses nähere Durchführungsbestimmungen, in denen festgehalten wurde, daß bei den Vergütungen die höchste Bezugsstufe der Schemata zuzüglich zweier "Interimalzulagen" nicht überschritten werden dürfe. Diese Begrenzung entsprach einer internen Bankübung seit den Siebzigerjahren, die auch dem Kläger bekannt war (S. 131).

Da der Kläger im Zeitpunkt des Generalratsbeschlusses vom 23. 6. 1982 und der dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen bereits die höchste Bezugsstufe zuzüglich zweier Interimalzulagen erreicht hatte, fiel er nicht unter die verbesserten Anrechnungsbestimmungen. Er suchte auch nicht um Anrechnung weiterer Vordienstzeiten an, äußerte jedoch seine Unzufriedenheit und versuchte vergeblich über den Betriebsrat auf dem Verhandlungsweg etwas zu erreichen. Am 30. 4. 1987 trat er in den Ruhestand. Sein letzter monatlicher Bruttogehalt inclusive Zulagen betrug S 111.460,- (16x jährlich).

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, ihm hätten drei weitere Jahre Vordienstzeiten angerechnet werden müssen und begehrt die sich daraus ergebende Bezugs- und Pensionsdifferenz in der unstrittigen Höhe von S 601.720,- sA.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei mit der Anrechnung von drei Jahren im Jahr 1969 einverstanden gewesen, habe auch der mit der Abordnung zur Revisionsgesellschaft verbundenen Änderung seines Vertrages (Vorrückung um acht Jahre) zugestimmt und danach niemals auf eine zusätzliche Anrechnung weiterer Studienzeiten gedrängt. Erst knapp vor seiner Pensionierung habe er Ansprüche gestellt. Ein Anspruch auf Höherreihung über das genannte Limit (Stufe 39 plus zwei Interimalzulagen) habe nie bestanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die ursprüngliche Vordienstzeitenanrechnung im Jahre 1969 habe dem damaligen Generalratsbeschluß entsprochen. Der Kläger sei auch damit einverstanden gewesen. Mit der Anordnung, daß bei der zusätzlichen Anrechnung restlicher Studienzeiten die höchste Bezugsstufe 39 plus zwei Interimalzulagen nicht überschritten werden dürfe, habe die Beklagte an einer langjährigen Übung festgehalten, die auch dem Kläger bekannt gewesen sei. Der Kläger habe nach dem Generalratsbeschluß nicht neuerlich um Anrechnung weiterer Vordienstzeiten angesucht und damit der Erklärung der Beklagten, mit der die Anrechnung begrenzt worden sei, stillschweigend zugestimmt. Der Generaldirektor der Beklagten sei zur Durchführung des Generalratsbeschlusses vom 23. 6. 1982 ermächtigt gewesen. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Der Kläger habe auf die Geltendmachung der seiner Meinung nach unrichtigen Einstufung schlüssig verzichtet. Mit der Durchführungsbestimmung, wonach durch die Anrechnung von Studien- oder Vordienstzeiten die Höchsteinstufung nicht überschritten werden dürfe, habe die Beklagte nur an einer langjährigen Bankübung festgehalten.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht zurückzuweisen oder die Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 12. 10. 1988, 9 Ob A 222/88, ausgesprochen hat, handelt es sich bei den Dienstbestimmungen (DB) der Beklagten mangels Erfüllung der im ArbVG bzw. (seinerzeit) im Kollektivvertragsgesetz 1947 normierten formalen und inhaltlichen Voraussetzungen weder um einen Kollektivvertrag im Sinne des § 2 ArbVG noch um eine Betriebsvereinbarung im Sinne des § 29 ArbVG noch um eine Arbeitsordnung im Sinne der §§ 21 ff Kollektivvertragsgesetz 1947. Die mit § 38 Abs 2 NBG dem Generalrat der Beklagten übertragenen Regelungsbefugnis ist, wie der Oberste Gerichtshof zu ähnlichen Ermächtigungen erkannt hat, schon mangels der nach Art 18 B-VG erforderlichen gesetzlichen Determinierung wenigstens der Grundzüge der zu treffenden Regelungen bei verfassungskonformer Interpretation nicht als Ermächtigung zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse mit den eigenen Arbeitnehmern mittels Verordnung, sondern lediglich als Befugnis zur Aufstellung von Vertragsschablonen zu qualifizieren. Derartige Vertragsschablonen werden erst im Wege der ausdrücklichen oder stillschweigenden Unterwerfung Inhalt der nach der ausdrücklichen Regelung des § 38 Abs 1 NBG privatrechtlich gestalteten Einzelarbeitsverträge. Der Kläger hat den die Bediensteten begünstigenden Erklärungen der Beklagten vom 21. 1. 1969, unter bestimmten Voraussetzungen und Beschränkungen Studien- und Vordienstzeiten anzurechnen, durch sein Ansuchen und die Zustimmung zu dessen Erledigung zugestimmt. Als er später mit seiner Zustimmung zur Gesellschaft für Revision und treuhändigen Verwaltung überstellt wurde und auf Grund der aus Anlaß dieser Versetzung getroffenen Vereinbarungen praktisch gehaltsmäßig um acht Jahre vorrückte und damit die höchste Bezugsstufe samt zwei "Interimalzulagen" erreichte, bestand bei der Beklagten bereits die auch dem Kläger bekannte Übung, daß bei Vordienstzeitenanrechnungen die letzte Bezugsstufe des Schemas zuzüglich zweier Interimalzulagen nicht überschritten werden dürfe. Die Beklagte ist somit nicht bei der seinerzeitigen Regelung laut Generalratsbeschluß vom 21. 1. 1969 geblieben, wonach Bedienstete, die durch die Zuerkennung von solchen außerordentlichen Vorrückungszeiten die jeweilige Schemahöchststufe überschritten hatten, für je zwei Vorrückungsjahre die Bezugsstufendifferenz zwischen den beiden höchsten Bezugsstufen und ihres Schemas als Zulage erhielten (Beilage 1). Dieser Generalratsbeschluß war im übrigen gemäß § 90 Abs 1 DB außer Kraft getreten. Dem Kläger mußte daher bei der Zustimmung zu seiner anläßlich der Versetzung erheblich verbesserten besoldungsrechtlichen Stellung bewußt sein, daß er damit auch aus der (damals noch nicht zum Streitpunkt gewordenen) Bestimmung des § 44 Abs 5 DB infolge Ausschöpfens aller erreichbaren Möglichkeiten keine weiteren Rechte ableiten könne.

Der Umstand, daß der Generalrat mit Beschluß vom 23. 6. 1982 die Streitfrage, wie die Absätze 5 und 7 des § 44 DB im Zusammenhang zu verstehen seien, im Sinne einer vollen Anrechnung aller Studienzeiten (bis zum Ausmaß von 6 Jahren), ungeachtet einer vorher gewährten höheren Eingangseinstufung, entschieden hat, konnte dem bereits längst in die letzte Bezugsstufe zuzüglich zweier Interimalzulagen beförderten Kläger keine weiteren Begünstigungen mehr bringen. Er kann sich auch nicht wirksam darauf berufen, daß durch die in den Durchführungsbestimmungen zum Generalratsbeschluß vom 23. 6. 1982 enthaltene "Begrenzungsklausel" der bereits seit 1971 geltende objektive Inhalt des § 44 Abs 5 DB (die Worte "und zwar unbeschadet der Einstufung gemäß Abs.7" sprechen für die Auslegung, die der Generalrat später dieser Bestimmung gegeben hat) zum Nachteil der Bediensteten eingeschränkt worden sei, weil mit der ausgesprochenen Begrenzung in den Durchführungsbestimmungen nur an einer langjährigen, dem Kläger bekannten Begünstigung festgehalten wurde. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Generalratsbeschluß zunächst ohne diese Beschränkungen kundgemacht wurde.

Die Begrenzung der Studien- und Vordienstzeitenanrechnung dadurch, daß ein bestimmter, ohnehin schon über der höchsten Bezugsstufe liegender Gehalt nicht überschritten werden dürfe, ist daher auch Bestandteil des Arbeitsvertrages des Klägers geworden. Da er diese Höchstbezüge schon im Jahre 1978 erreicht hat, stehen ihm höhere Bezüge aus dem Titel der Studien- und Vordienstzeitenanrechnung nicht zu.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E21506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00196.9.0829.000

Dokumentnummer

JJT_19900829_OGH0002_009OBA00196_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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