Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. phil. Eberhard Piso und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Dr. Manfred F***, Biochemiker, Tulln, Egon Schiele-Gasse 2, vertreten durch Dr. Bernhard Weissborn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** Zuckergesellschaft mbH, Wien 2., Hollandstraße 2, vertreten durch Dr. Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 54.666,40 brutto sA (im Revisionsverfahren S 24.199,71 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Mai 1990, GZ 32 Ra 40/90-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. September 1989, GZ 18 Cga 1007/89-17, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.966,40 (darin S 494,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten eine restliche Abfertigung von S 54.666,40 brutto sA. Die Beklagte habe ihm zwar schon eine Abfertigung im Betrag von S 191.187,-- brutto ausgezahlt, dabei aber unter anderem den Mietaufwand für die Dienstwohnung in Höhe von monatlich S 6.050,--, der Entgeltbestandteil geworden sei, nicht berücksichtigt. Auch wenn der diesbezügliche Mietvertrag nicht von der Beklagten selbst, sondern von einem Tochterunternehmen abgeschlossen worden sei, sei er doch wirtschaftlich der Beklagten zuzurechnen.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe als Dienstnehmer der Beklagten Tätigkeiten für die R***-B*** Gesellschaft mbH (RBF) in Tulln
durchgeführt. Diese habe ein Haus in Tulln gemietet und dem Kläger als Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Die RBF habe auch die Miete gezahlt, die der Beklagten nicht rückverrechnet worden sei. Es werde daher hinsichtlich dieses Anspruches mangelnde passive Klagelegitimation eingewendet. Im übrigen habe der Kläger in einer am 9. Mai 1988 getroffenen Vereinbarung auf alle weitergehenden Ansprüche verzichtet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf zu dem für das Revisionsverfahren allein noch strittigen Anspruch auf Berücksichtigung der Mietkosten als regelmäßiges Entgelt folgende Feststellungen:
Der Kläger war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der T*** Z*** AG, vom 1. Jänner 1986 bis 30. Juni 1988 als Angestellter beschäftigt. Es wurden ihm 10 Vordienstjahre angerechnet und er bezog ein monatliches Bruttogehalt von zuletzt S 32.700,-- 15 x jährlich. Nach dem noch mit der T*** Z*** abgeschlossenen Dienstvertrag hatte er Agenden im Bereich von Forschung und Entwicklung wahrzunehmen. Als Dienstort wurde Tulln festgelegt.
Da der Kläger vorerst noch in Wien wohnte, fuhr er täglich nach Tulln zur Arbeit. Dafür erhielt er von der Beklagten Fahrtkostenersatz durch Kilometergeld. Im Mai 1986 wurde die R***-B*** Gesellschaft mbH (RBF) gegründet, an der die Beklagte zu einem Siebentel beteiligt ist; der Kläger wurde zu einem der Geschäftsführer dieser Gesellschaft bestellt. Ein Dienstgeberwechsel trat jedoch nicht ein; auch der mit dem Kläger abgeschlossene Dienstvertrag wurde nicht geändert. Bis zur Errichtung neuer Gebäude für die RBF arbeitete der Kläger in den Räumen der Beklagten. Ab dann verrichtete er seine Arbeiten in den neu errichteten Gebäuden der RBF. Die Beklagte zahlte zwar weiterhin sein Gehalt, sie erhielt dieses aber von der RBF rückvergütet. Die Leitung der RBF wollte, daß ihre Geschäftsführer in der näheren Umgebung von Tulln wohnen sollten. Der Kläger suchte ein geeignetes Haus, das die RBF mietete. Er wohnte sodann ab 1. August 1986 mit seiner Familie in Tulln. Die Miete wurde von der RBF getragen und direkt der Vermieterin gezahlt. Eine Gegenverrechnung dieser Beträge mit der Beklagten erfolgte nicht. Da dem Kläger nunmehr ein Haus in Tulln zur Verfügung stand, das auch für die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte gedacht war, stellte die Beklagte die Zahlung von Fahrtkosten nach seiner Übersiedlung ein.
Anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses trafen die Parteien eine Vereinbarung, nach der unter anderem die Auszahlung der Abfertigung in gesetzlicher Höhe zu erfolgen habe und daß damit alle wie immer gearteten wechselseitigen Forderungen und Verpflichtungen erledigt und beglichen seien.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die für den Kläger aufgewendeten Mietkosten zwar einen Naturalbezug gebildet hätten, der grundsätzlich in die Bemessung der Abfertigung einzubeziehen gewesen wäre. Das Haus sei dem Kläger jedoch nicht von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden und die Beklagte sei auch nicht für die Mietkosten aufgekommen. Es könnten daher weder der Abschluß des Mietvertrages noch die Zahlung der Miete der Beklagten wirtschaftlich zugerechnet werden.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es dem Kläger den Betrag von S 24.199,71 brutto sA zusprach und die Abweisung des Mehrbegehrens von S 30.466,69 sA (rechtskräftig) bestätigte. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Miete für das vom Kläger bewohnte Haus einen Naturalbezug darstelle, der als solcher in die Entgeltberechnung einzubeziehen sei. Diese Miete sei an die Stelle des ursprünglich vereinbarten und bis Juli 1986 gezahlten Kilometergeldes getreten. Eine allfällige interne Regelung zwischen der Beklagten und ihrem Tochterunternehmen RBF, wer welche Ausgaben letztlich zu tragen habe, könne nicht zu einer Änderung der zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossenen Vereinbarungen führen. Eine solche Vorgangsweise hätte nämlich zur Folge, daß Dritte die Bedingungen des Arbeitsvertrages zum Nachteil des Arbeitnehmers ändern könnten. Da die Miete den vorher gewährten Ersatz des Kilometergeldes substituiert habe, sei sie ein Teil des Entgelts des Klägers geworden und daher in die Bemessung der Abfertigung einzubeziehen.
Die Vereinbarung vom Mai 1988 stehe dem Anspruch des Klägers schon deshalb nicht entgegen, da die Auszahlung der Abfertigung vereinbarungsgemäß in gesetzlicher Höhe zu erfolgen habe und eben die Ermittlung der gesetzlichen Höhe noch offen und strittig sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes. Die Beklagte machte überdies in ihrer Revision eine Gegenforderung geltend, da die RBF vom Finanzamt zu einer Lohnsteuernachzahlung in Höhe von S 58.202,-- verpflichtet worden sei.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, steht die von der Beklagten eingewendete Bereinigungswirkung der Vereinbarung vom Mai 1988 der Geltendmachung des erhobenen Anspruches nicht entgegen. Mangels einer ziffernmäßigen Festlegung der Höhe der Abfertigung ist deren "gesetzliche Höhe" nicht unmittelbar evident, sondern erst im Hinblick auf die Entgeltbestimmungen des Dienstvertrages zu ermitteln, wobei gemäß der zwingenden Bestimmung des § 23 Abs. 1 AngG dem für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelt des Klägers entscheidende Bedeutung zukommt. Für die Ermittlung dieses Entgelts ist davon auszugehen, daß der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanzen bis zur Kündigung ausschließlich Dienstnehmer der Beklagten geblieben ist. Sein Dienstvertrag erfuhr keine Änderung. Er wurde zwar zum Teil der RBF zur Verfügung gestellt, verrichtete aber weiterhin auch Tätigkeiten für die Beklagte, wozu die Wohnsitzverlegung nach Tulln ebenfalls dienen sollte. Die Beklagte zahlte ihm weiterhin das vereinbarte Entgelt, das ihr allerdings von der RBF rückvergütet wurde. Lediglich die Mietkosten des Hauses in Tulln trug die RBF unmittelbar. Wollte man, wie die Revisionswerberin meint, lediglich auf die wirtschaftliche Zuordnung der Leistungen abstellen, käme sohin nur die RBF als teils mittelbarer und teils unmittelbarer Leistungsträger in Betracht. Darauf kommt es aber bei der Beurteilung der synallagmatischen Entgeltbeziehung aus dem Dienstverhältnis nicht an.
Entgegen anderen Rechtsbereichen (vgl. etwa § 49 ASVG oder § 25 EStG) kennt das Arbeitsrecht keine allgemein gültige Legaldefinition des Entgelts. Unter Entgelt wird vielmehr jede Art von Leistung verstanden, die dem Dienstnehmer für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt wird (vgl. Krejci in Rummel, ABGB2 § 1152 Rz 9). Auch Leistungen Dritter sind dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer entsprechende vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden oder wenn sich eine Zuordnung der Leistungen aus den sonstigen Umständen ergibt; so wenn sie etwa für Tätigkeiten gewährt werden, die zu den dienstvertraglich geschuldeten zählen (vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 246; ZAS 1985/11 mit Besprechung von Tomandl, der auf eine Verpflichtung des Arbeitgebers abstellt, 106 ff). Im Gegensatz dazu stehen Leistungen, die einem Dienstnehmer nur aus Gelegenheit seines Dienstverhältnisses von Dritten zufließen, die aber nicht Bestandteil des geschuldeten Entgelts sind. Diese Leistungen sind zwar als Einkommen des Dienstnehmers anzusehen, aber in die Ermittlung des arbeitsrechtlichen Entgeltanspruches nicht einzubeziehen (vgl. Schrank, Rechtsprobleme der Berechnung der Abfertigung, ZAS 1990 1 ff, 5; Arb. 9.464 ua.).
Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen erbrachte der Kläger seine gesamte Tätigkeit ausschließlich in Ausübung seines Dienstverhältnisses zur Beklagten. Soweit der Kläger auch (wissenschaftlicher) Geschäftsführer der RBF war, lag dieser Funktion keine weitere dienstvertragliche Vereinbarung zugrunde. Die ihm zukommende Gegenleistung war sohin zur Gänze der Abgeltung der dienstvertraglich geschuldeten Tätigkeiten gewidmet. Die Beklagte nahm die auch in ihrem Interesse, nämlich zur Verrichtung von Tätigkeiten durch den Kläger für die Beklagte, erfolgte Zurverfügungstellung des Hauses in Tulln zum Anlaß, den bisher gewährten Fahrtkostenzuschuß einzustellen. Insoweit ging auch sie als alleinige Dienstgeberin die Verpflichtung ein, für die Dienstwohnung aufzukommen. Die wirtschaftliche Zurechnung der Leistungen spielt dabei keine Rolle. Die dem Kläger zukommenden Leistungen sind vielmehr in ihrer Gesamtheit arbeitsrechtlich als Entgelt aus dem Dienstvertrag anzusehen, wobei an die Stelle der nicht mehr möglichen Naturalleistung die Ablöse in Geld tritt (vgl. Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, §§ 23, 23 a AngG Rz 260; Martinek-Schwarz, Abfertigung-Auflösung des Arbeitsverhältnisses 333; Schrank aaO 9).
Auf die weiteren Einwände der Revisionswerberin, die sich auf eine inzwischen erfolgte finanzrechtliche Beurteilung stützen, auf die in der Revision gestellten Beweisanträge (!) und auf die in der Revision erstmals geltend gemachte Gegenforderung ist nicht weiter einzugehen, da dieses Vorbringen nur unzulässige Neuerungen enthält (§ 504 ZPO).
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E21518European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00204.9.0829.000Dokumentnummer
JJT_19900829_OGH0002_009OBA00204_9000000_000