TE OGH 1990/9/5 2Ob579/90

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Veröffentlicht am 05.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther J***, Hauseigentümer, Kochgasse 12, 1080 Wien, vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky und Dr.Thomas Pittner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Stephanie S***, Pensionistin, Waaggasse 3/7, 1040 Wien, vertreten durch Dr.Heinrich Keller und Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29.November 1989, GZ 41 R 711/89-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.Juli 1989, GZ 41 C 646/88k-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichtes werden aufgehoben. Die Sache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist Mieterin einer 200 m2 großen Wohnung im Haus Wien 4., Rienößlgasse 1 (= Waaggasse 3), der Kläger ist Mehrheitseigentümer dieses Hauses. Die Wohnung besteht aus 6 Zimmern, Küche, Bad, WC, Vorraum und einem Raum, in dem eine Duschkabine installiert ist. Die Beklagte hat ein ca. 30 m2 großes und ein 20 bis 25 m2 großes Zimmer samt Möbeln und Bettzeug untervermietet, einem der Untermieter stellt sie auch die Bettwäsche zur Verfügung. Einer der Untermieter zog während des Verfahrens aus. Die Klägerin erhielt im Jahr 1988 für die beiden Zimmer einen Untermietzins von zusammen S 4.100 und ab Mai 1989 von S 4.300. Bis Herbst 1988 hatte die Beklagte noch ein drittes Zimmer untervermietet. Die Untermieter sind berechtigt, das Bad und das WC zu benützen, enthalten im Untermietzins sind auch die Energiekosten, mit Ausnahme der Kosten des Heizmaterials, welche die Untermieter selbst zu tragen haben. Die Gemeinde Wien stellt der Beklagten eine Heimhilfe zur Verfügung, die dreimal in der Woche die gesamte Wohnung reinigt, dabei werden auch die untervermieteten Zimmer mitgesäubert. Die Beklagte bezahlt hiefür einen Kostenbeitrag von monatlich S 96, die Untermieter haben für die Wohnungsreinigung kein Entgelt zu leisten. Der derzeitige Mietzins beträgt inclusive Betriebskosten, Umsatzsteuer und Erhaltungsbeitrag S 4.189,09. Für Strom und Gas bezahlt die Beklagte alle drei Monate S 1.570. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen bewohnt die Beklagte 3 Zimmer der aufgekündigten Wohnung selbst.

Mit der am 28.Oktober 1988 eingebrachten, der Beklagten am 8.11.1988 zugestellten Aufkündigung kündigte der Kläger die Wohnung auf. Er stützte die Kündigung unter anderem auf den Kündigungsgrund der Untervermietung gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG (das Vorliegen der übrigen geltend gemachten Kündigungsgründe hat schon das Erstgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen unbekämpft verneint). Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es nahm unter Heranziehung des § 273 ZPO für die Möbelmiete einen monatlichen Betrag von S 100 pro Untermieter an und für Reinigung der Zimmer und Energieversorgung S 800. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß von einer unverhältnismäßig hohen Gegenleistung nicht gesprochen werden könne.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die Aufkündigung wirksam und die Beklagte zur Räumung der Wohnung verpflichtet ist. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, bei Prüfung der Frage der Unverhältnismäßigkeit der Gegenleistung sei nur der auf die untervermieteten Flächen entfallende Anteil in Rechnung zu stellen, nur in diesem aliquoten Umfang könne der von der Beklagten an den Hauseigentümer geleistete Zins als den Untermietern erbrachte Gegenleistung beurteilt werden. Ausgehend von der außer Streit gestellten Wohnungsgröße von ca. 200 m2 und dem von der Beklagten außer Streit gestellten zu leistenden Gesamtmietzins von S 4.189,09 gelange man auf der Basis einer untervermieteten Fläche von 55 m2 zu einem als Gegenleistung anrechenbaren Zinsanteil der Beklagten von S 1.151,99, welcher erhöht um den vom Erstgericht zugebilligten Anteil für Möbelmiete von S 200 und erhöht um den vom Erstgericht zugebilligten Anteil für Energieversorgung und Reinigung von S 800 zu einer anrechenbaren Gegenleistung der Beklagten im Betrag von S 2.151,99 führe. Dieser Betrag ergebe in der Gegenüberstellung der erzielten Untermietzinse von zusammen S 4.100 aber eine Überschreitung im Ausmaß von 90 %, in welcher nach Auffassung des Berufungsgerichtes eine Verwertung der der Beklagten vermieteten Räume gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vorliege. Umso mehr ergäbe sich dies, wenn - was nach den erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen offen sei - die untervermietete Fläche nicht 55, sondern 50 m2 betrüge, umso mehr ergäbe sich dies ebenso, wenn man die Wohnungsgröße nicht im außer Streit gestellten Umfang von 200 m2, sondern mit 204 m2 in jenem Umfang zugrundelege, wie er sich aus der Bestätigung der Hausverwaltung ergäbe, mit welcher die Beklagte um Sozialhilfe eingekommen sei. Da die rechtsrichtig vorzunehmende anteilige Berücksichtigung des von der Beklagten dem Liegenschaftseigentümer zu leistenden Zinses in der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Leistungsaustausches im Untermietverhältnis bereits den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 2. Fall MRG als verwirklicht erkennen lasse, erübrige sich ein Eingehen auf jene Rüge des Berufungswerbers, mit welcher er die vom Erstgericht angenommene Höhe des Wertes ihrer Gegenleistungen für Energieversorgung und Reinigung im Betrag von S 800 als überhöht bekämpft, ebenso wie eine Beurteilung der Frage, ob der im vorliegenden Fall den Feststellungen nach das Vierfache des Hauptmietzinses erreichende Erhaltungsbeitrag angesichts der Bestimmung des § 45 Abs 7 MRG als Gegenleistung des Untervermieters im Sinne des § 26 MRG in vollem Umfang überhaupt gelten dürfte.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Wortlaut des § 30 Abs 2 Z 4 2. Fall MRG deckt sich mit jenem des § 19 Abs 2 Z 10 2. Fall MRG, weshalb die zur früheren Bestimmung ergangene Judikatur anwendbar ist (EvBl 1985/105 ua). Bei Beurteilung der Frage, ob eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist der Untermietzins den auf die untervermieteten Räume entfallenden Leistungen des Hauptmieters an den Hauseigentümer und der Wert der übrigen vom Hauptmieter dem Untermieter erbrachten Leistungen gegenüberzustellen (vgl. MietSlg. 22.373, 39.438 ua). Maßgebend hiefür ist der Zeitpunkt der Aufkündigung (Würth in Rummel, ABGB, Rz 28 zu § 30 MRG; MietSlg. 22.376 ua). Der Oberste Gerichtshof verneinte ein Mißverhältnis bei Überschreitung der Gegenleistung bis zu 60 %, tolerierte in Einzelfällen auch eine Überschreitung von etwa 70 %, erachtete aber bei einer an 100 % heranreichenden Überschreitung den Kündigungsgrund für gegeben (MietSlg. 25.313, 27.380, Band XXX/26; 8 Ob 587/89 ua; Würth aaO). Im vorliegenden Fall betrug der von der Beklagten erzielte Untermietzins im Zeitpunkt der Aufkündigung S 4.100. Der derzeitge Hauptmietzins inclusive Betriebskosten, Umsatzsteuer und Erhaltungsbeitrag wurde mit S 4.189,09 außer Streit gestellt. Ob diese Zahlungen auch zur Zeit der Aufkündigung die gleiche Höhe hatten, kann den Urteilen der Vorinstanzen nicht entnommen werden. Der für die Benützung der Möbel angenommene Betrag von S 100 monatlich je Mieter wurde von keiner der Parteien beanstandet, dieser Betrag kann der Entscheidung daher zugrundegelegt werden. Für die vom Kläger schon in der Berufung bekämpfte Annahme des Erstgerichtes, für die Energieversorgung und die Reinigung der Zimmer sei ein Betrag von monatlich S 800 zu berücksichtigen, fehlt jedoch jegliche Grundlage. Das Erstgericht wies zwar darauf hin, daß die Kosten einer Reinigungskraft im Durchschnitt S 70 pro Stunde betragen, es ist aber keinerlei Anhaltspunkt dafür vorhanden, welche Zeit pro Monat im Durchschnitt für die Reinigung der Untermietzimmer aufgewendet wird. Es kann daher derzeit auch nicht annähernd beurteilt werden, welchen Wert die Säuberung der Zimmer hat. Dieser Wert ist für die Entscheidung aber von ausschlaggebender Bedeutung, denn die Ansicht des Berufungsgerichtes, auch bei Berücksichtigung eines Betrages von S 800 monatlich sei von einer unverhältnismäßigen Gegenleistung auszugehen, kann nicht geteilt werden. Das Berufungsgericht hat bei seiner Berechnung die Flächen der untervermieteten Zimmer der gesamten Wohnfläche gegenübergestellt und dabei außer acht gelassen, daß die Untermieter auch das Vorzimmer, das Bad und das WC benützen. Da die Wohnung von der Beklagten und den beiden Untermietern, insgesamt also von 3 Personen, benützt wird, kann die Mitbenützung der Nebenräume durch 2 Personen keinesfalls vernachlässigt werden (unklar ist überdies, ob die Beklagte im Hinblick darauf, daß noch ein Raum mit einer Duschkabine vorhanden ist, das Bad überhaupt selbst benützt - vgl. die Aussage des einen der beiden Untermieter AS 30). Der Wert der Mitbenützung des WC und des Badezimmers muß daher bei den Leistungen der Beklagten berücksichtigt werden, wodurch sich das vom Berufungsgericht ermittelte Verhältnis deutlich verschiebt und bei Annahme eines Betrages von S 800 monatlich für Energieversorgung und Reinigung der Zimmer keinesfalls eine an 100 % heranreichende Überschreitung ergeben würde. Wenn auch die Ermittlung des Wertes der von der Beklagten den Untermietern erbrachten Leistungen nur unter Heranziehung der Vorschrift des § 273 ZPO möglich sein wird, bedarf es zur Beurteilung, ob ein Mißverhältnis im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 2. Fall MRG vorliegt, doch einer Verfahrensergänzung. So ist es insbesondere erforderlich, nähere Feststellungen über die Reinigung der untervermieteten Zimmer (einschließlich der mitbenützten Nebenräume), besonders über die hiefür aufgewendete Zeit, zu treffen, weiters über die Anteile am Energieverbrauch der 3 die Wohnung benützenden Personen. Überdies ist die Fläche der untervermieteten Zimmer genau festzustellen, weiters die Fläche der Räume, an denen den Untermietern kein Benützungsrecht zusteht (d.s. offensichtlich 4 Zimmer, die Küche und der Raum, in dem die Duschkabine installiert ist) und schließlich die Fläche der Räume, an welchen den Untermietern ein Mitbenützungsrecht zusteht. Weiters sind auch die Zahlungen festzustellen, die die Beklagte im Zeitpunkt der Aufkündigung an den Hauseigentümer zu erbringen hatte. Dazu gehört auch der Erhaltungsbeitrag in voller Höhe, da es sich auch dabei um eine Leistung handelt, die der Mieter dem Hauseigentümer zu erbringen hat (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 45 MRG). Die Vorschrift des § 45 Abs 7 MRG vermag daran nichts zu ändern.

Die in der Revisionsbeantwortung vertretene Ansicht, die Reinigung der Zimmer falle nicht ins Gewicht, zumal diese von einer Heimhilfe der Stadt Wien durchgeführt werde, kann nicht geteilt werden. Es kommt nicht darauf an, wer die Wohnungsreinigung durchführt und was die Beklagte dafür bezahlt, entscheidend ist vielmehr, welchen Wert diese Leistungen für die Untermieter haben. Erst wenn das Verfahren in der aufgezeigten Richtung ergänzt ist, wird beurteilt werden können, ob eine übermäßige Gegenleistung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 2. Fall MRG vorliegt.

Aus diesen Gründen mußten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21625

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00579.9.0905.000

Dokumentnummer

JJT_19900905_OGH0002_0020OB00579_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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