TE OGH 1990/9/5 2Ob584/90

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Veröffentlicht am 05.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Vormundschaftssache der mj. Christina Shari S***, geboren am 17. März 1988, infolge Revisionsrekurses der zum besonderen Sachwalter des Kindes bestellten B*** V***

(J***), Sportplatzstraße 1-3, 4840 Vöcklabruck, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 18. April 1990, GZ R 278/90-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 14. Februar 1990, GZ 3 P 337/88-23, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Gerhard K***, der unterhaltspflichtige außereheliche Vater der am 17.3.1988 geborenen Christina Shari S***, wurde am 28.7.1989 zu 12 Vr 1012/88 des Kreisgerichtes Wels wegen des Verbrechens nach § 12 SGG, des Vergehens nach § 16 SGG und des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach dem Finanzstrafgesetz unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Gemäß § 43 a Abs 4 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Die Vorhaft vom 25.8.1988 bis 22.5.1989 und vom 6.7. bis 28.7.1989 wurde auf die Strafe angerechnet. Außerdem wurde ihm beschlußmäßig die Weisung erteilt, sich binnen Monatsfrist nach seiner Enthaftung in eine Drogenstation zur Durchführung einer stationären Langzeittherapie zu begeben und dies binnen 14 Tagen nach Therapieantritt sowie den weiteren Behandlungsfortgang nach jeweils drei Monaten unaufgefordert dem Gericht nachzuweisen.

Bei Gerhard K*** besteht seit Jahren eine Polytoxikomanie und es bedarf einer langdauernden Entwöhnungsbehandlung, um ihn suchtgiftfrei zu machen. Der Erfolg einer entsprechenden langdauernden Therapie ist zwar zweifelhaft, sie ist jedoch nicht von vornherein als aussichtslos zu bezeichnen. Eine entsprechende Entwöhnungsbehandlung ist erforderlich, da es bei einem Verharren des Vaters im Suchtgiftmilieu zu weiteren Straftaten nach dem Suchtgiftgesetz im bisherigen Umfang kommen würde.

Der Vater wurde am 19.12.1989 in das Rehabilitationszentrum KIT in Steinach am Brenner aufgenommen, wo er sich noch am 15.3.1990 befand. Die Behandlung dauert durchschnittlich ein Jahr. Das Erstgericht bewilligte über Antrag der zum besonderen Sachwalter des Kindes bestellten Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.1990 Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG, weil sich der unterhaltspflichtige Vater auf Grund richterlicher Weisung seit 19.12.1989 im Rehabilitationszentrum KIT in Steinach am Brenner befinde.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Antrages auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 3 UVG für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1990 ab. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, daß bei richtiger Auslegung der Vorschrift des § 4 Z 3 UVG unter den Begriff der Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren die Verbüßung der nach § 18 StGB verhängten Freiheitsstrafen, der sogenannte Maßnahmenvollzug (Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme, entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und gefährliche Rückfallstäter im Sinne der §§ 21 bis 23 StGB), die Verwahrungs- und Untersuchungshaft, Haftanhaltungen nach dem Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz sowie die Beugehaft bei Verweigerung der Beschlagnahme (§ 143 StPO) und Weigerung der Ablegung einer Zeugenaussage im Strafverfahren fielen, nicht aber die Verwaltungshaft oder ein von einem Zivilgericht angeordneter Haftvollzug. Auch wenn der Unterhaltsschuldner auf Grund der Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren die Haft im Ausland verbüße, scheide die Möglichkeit, Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG zu gewähren, aus.

Im vorliegenden Fall handle es sich um keinen Maßnahmenvollzug nach den §§ 21 bis 23 StGB, weil der Unterhaltsschuldner weder ein geistig abnormer oder ein entwöhnungsbedürftiger Rechtsbrecher noch ein gefährlicher Rückfallstäter im Sinne dieser Gesetzesbestimmungen sei. Der Vollzug der sogenannten freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahmen sei in den §§ 157 f StVG geregelt. Für den Vollzug jeder dieser Maßnahmen stehe eine gesonderte Anstalt zur Verfügung. Für die Unterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB sehe die StPO in den §§ 429 f ein eigenständiges Verfahren vor, das weitgehend den Regeln des Strafverfahrens angeglichen sei. Die Anordnung der Maßnahmen gemäß §§ 21 Abs 2, 22 und 23 StGB erfolge grundsätzlich im Urteil. Nach § 435 Abs 2 StPO bilde die Anordnung der Unterbringung oder ihr Unterbleiben einen Teil des Ausspruches über die Strafe und könne zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung angefochten werden. Im vorliegenden Fall handle es sich hingegen um eine Weisung im Sinne der §§ 50 und 51 StGB, die nur mit Zustimmung des Verurteilten erteilt werden könne (§ 51 Abs 3 StGB). Es stehe auch nach erfolgter Weisung in seiner freien Entscheidung, sich weisungsgemäß zu verhalten. Der unterhaltspflichtige Vater könne seitens der Strafvollzugsbehörde in keiner Weise gegen seinen Willen gezwungen werden, sich der Therapie im Rehabilitationszentrum KIT zu unterziehen und habe jederzeit die Möglichkeit, die Behandlung auch vorzeitig abzubrechen.

Der Wortlaut des § 4 Z 3 UVG biete daher keine Möglichkeit für die Gewährung der beantragten Unterhaltsvorschüsse. Es liege aber auch keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die im Wege der Analogie zu schließen sei, weil das StGB am 1.1.1975, das UVG in seiner ursprünglichen Fassung aber am 1.11.1976 in Kraft getreten sei. Da § 4 Z 3 UVG mit dem Bundesgesetz vom 30.6.1980, BGBl Nr 278, novelliert worden sei, habe der Gesetzgeber die Gelegenheit gehabt, die bisherigen Erfahrungen zu verwerten. Wenn sich der Gesetzgeber trotz der anderslautenden Stellungnahme des Vereins der Amtsvormünder zu der Novelle aus dem Jahr 1980 in der dort gewählten Form entschlossen habe, müsse eben angenommen werden, daß eine analoge Anwendung auf Fälle, die vom Gesetzeswortlaut nicht umfaßt seien, nicht vorzunehmen sei, weil im Jahr 1980 die Bestimmungen der §§ 50 und 51 StGB schon seit mehreren Jahren in Kraft gestanden seien.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß keine veröffentlichte Judikatur zu der von ihm vorgenommenen Auslegung der Bestimmung des § 4 Z 3 UVG vorliege und diesem Problem Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des besonderen Sachwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Entscheidend ist die Frage, ob nach der Vorschrift des § 4 Z 3 UVG, nach der Unterhaltsvorschüsse auch zu gewähren sind, wenn dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat die Freiheit entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann, Unterhaltsvorschüsse auch dann gewährt werden können, wenn dem Unterhaltsschuldner im Sinne des § 51 Abs 3 StGB mit seiner Zustimmung durch das Strafgericht die Weisung erteilt wurde, sich einer längerdauernden Entwöhnungsbehandlung zu unterziehen und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Die Bestimmung des § 4 Z 3 UVG erhielt ihre heute geltende Fassung durch die Novelle zum UVG BGBl 1980/278; nach dem früheren Wortlaut dieser Bestimmung waren einem Kind Vorschüsse zu gewähren, wenn der Unterhaltsschuldner infolge Vollzuges einer ausschließlich wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 198 StGB) verhängten Freiheitsstrafe daran gehindert wurde, die für die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht erforderlichen Mittel zu erwerben. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zur Novelle zum UVG BGBl 1980/278 (RV 276 BlgNR 15.GP 10) eindeutig ergibt, ging der Wille des Gesetzgebers dahin, die im § 4 Z 3 UVG neu getroffene Regelung auf die Kinder solcher Strafgefangener zu beschränken, die sich auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren im Inland in einer Einrichtung des Strafvollzugswesens befinden und sie sinngemäß auch auf Kinder von Personen anzuwenden, die zwar nicht eine Freiheitssstrafe verbüßen, aber in einer mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahme (§§ 21 bis 23 StGB) angehalten werden und letztlich auch auf Kinder von Untersuchungshäftlingen und von vorläufig angehaltenen Personen (§§ 429, 442 StPO). Wenn in den Gesetzesmaterialien an der angeführten Stelle ausdrücklich ausgesprochen wird, daß es die angestellten Erwägungen notwendig machen, die getroffene Regelung auf den angeführten Personenkreis zu beschränken, besteht keine Möglichkeit dafür, diese Regelung im Wege der Analogie auf andere vom Gesetzgeber nicht dieser Regelung unterworfene Fälle, so etwa den vorliegenden Fall eines Unterhaltsschuldners, dem mit seiner Zustimmung im Sinne des § 51 Abs 3 StGB vom Strafgericht die Weisung erteilt wurde, sich in eine Drogenstation zur Durchführung einer stationären Langzeittherapie zu begeben, auszudehnen.

Es ist daher der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes beizutreten. Dem Revisionsrekurs des besonderen Sachwalters muß somit ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E21626

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00584.9.0905.000

Dokumentnummer

JJT_19900905_OGH0002_0020OB00584_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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