Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 3. Juni 1971 geborenen Silke R***, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin Silke R***, vertreten durch Dr.Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 2.Mai 1990, GZ 3 R 124/90-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Veit an der Glan vom 5.März 1990, GZ 2 P 262/85-33, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wid zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern der am 3.Juni 1971 geborenen Silke R*** wurde am 12.August 1985 geschieden. Die elterlichen Rechte stehen der Mutter Renate R*** zu, in deren Haushalt das Kind lebt. Der Vater Leopold R*** hat sich im Scheidungsvergleich zu einem monatlichen Unterhalt von S 3.000 verpflichtet.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 31.Mai 1988 wurde Leopold R***, ausgehend von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von rund S 16.000 und einer weiteren Sorgepflicht für die berufstätige zweite Ehefrau mit eigenem Einkommen von S 8.000 monatlich netto, zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 3.700 ab 1. April 1988 verpflichtet. Der Durchschnittsbedarf für ein 17jähriges Mädchen lag damals bei rund S 3.300.
Mit Beschluß vom 27.Oktober 1989 erhöhte das Erstgericht den monatlichen Unterhaltsbeitrag ab 11.September 1989 auf S 4.000 monatlich, wobei es von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von rund S 25.300 und Sorgepflichten für eine Ehefrau, die ein Karenzgeld von S 4.500 monatlich bezog, und für das im Jänner 1989 geborene Kind aus der nunmehrigen Ehe des Vaters ausging. Da der Durchschnittsbedarf für ein Kind im Alter der mj. Silke damals rund S 3.500 betrug, lag der zugesprochene monatliche Unterhaltsbeitrag um rund S 500 über diesem Betrag. Derzeit verbleiben dem Vater nach Abzug des Unterhaltes für Silke rund S 21.600 monatlich zur Deckung der Unterhaltsverpflichtung seiner nicht berufstätigen Ehefrau und seines ein Jahre alten Kindes sowie seiner eigenen Bedürfnisse. Die Mutter Renate R*** bezieht seit 1.Jänner 1990 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen (einschließlich Sonderzahlungen, jedoch ohne Familienbeihilfe) von rund S 17.500, wobei der laufende Unterhalt der mj. Silke durch die Unterhaltsleistungen des Vaters abgedeckt wird.
Die musikalisch begabte Minderjährige hat im Herbst 1989 das schon seit langem beabsichtigte Studium der Instrumental- und Gesangspädagogik begonnen, wofür sie eine Querflöte benötigt. Da das alte Instrument nicht mehr verwendungsfähig war, mußte unbedingt ein neues angeschafft werden. Für die ausgesprochen kostengünstige Flöte sind S 25.900 aufzuwenden. Die Minderjährige, vertreten durch ihre Mutter, stellte beim Erstgericht am 13.Dezember 1989 den Antrag, dem Vater diese Kosten aufzuerlegen.
Das Erstgericht verpflichtete Leopold R*** mit Beschluß vom 5. März 1990, binnen 14 Tagen den Betrag von S 25.900 für die Anschaffung einer Querflöte zu leisten. Es führte aus, das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und seine Sorgepflichten für die nicht berufstätige Ehefrau und sein Kind aus zweiter Ehe ermöglichten es dem Vater, den Sonderbedarf abzudecken.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und verpflichtete ihn, mit dem Betrag von S 10.700, zahlbar binnen 14 Tagen, zum Ankauf einer Querflöte für die mj. Silke beizutragen. Das Mehrbegehren von S 15.200 wies es ab. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, und führte aus:
Daß ein Sonderbedarf vorliege, sei nicht zweifelhaft. Der Unterhaltspflichtige müsse dann für einen solchen Individualbedarf nicht aufkommen, wenn dieser Individualbedarf aus dem den Durchschnittsbedarf übersteigenden Unterhaltsbeitrag gedeckt werden könne. Bei einem Unterhalt, der merklich über dem Durchschnittsbedarf liege, sei je nach der Lage des Einzelfalles ein Teil des gegebenen Sonderbedarfes vom Unterhaltsberechtigten zu tragen. Mit der anteilsmäßigen Belastung des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten werde dem Grundsatz des angemessenen Teilhabens an den Lebensverhältnissen entsprechend Rechnung getragen. Ab der Neufestsetzung des Unterhaltsbeitrages ab 1. April 1988 bis zur Antragstellung auf Bezahlung der Anschaffungskosten für die Flöte als Sonderbedarf, also in einem Zeitraum von 21 Monaten, seien die beschlußmäßig zuerkannten Unterhaltsbeiträge nicht unerheblich über dem Durchschnittsbedarf gelegen. Sie hätten um rund S 500 monatlich mehr ausgemacht, als zur durchschnittlichen Bedarfsdeckung der mj. Silke erforderlich gewesen sei. Mehrbeträge von zumindest S 4.500 hätten zur Deckung allenfalls erforderlichen Sonderbedarfes des Kindes im Zusammenhang mit dem in Aussicht genommenen Studium angespart werden können, dies um so mehr, als das Studium seit langem festgestanden sei. Die Minderjährige habe daher mit einem Betrag von S 4.500 selbst zur Anschaffung des Instrumentes beizutragen. Der verbleibende Betrag von S 21.400 sei im Sinne der Regelung des § 140 Abs 2 ABGB von beiden Elternteilen anteilig zu tragen, weil der das Kind betreuende Elternteil, hier die Mutter, über seine Betreuungsleistung hinaus, zum Unterhalt des Kindes beizutragen habe, soweit der andere Elternteil, hier der Vater, zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht im Stande sei oder mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Unter Berücksichtigung seiner weiteren Unterhaltsverpflichtungen sei der Vater zwar finanziell etwas schlechter gestellt als die Mutter, bei Bedenken aller Umstände erscheine eine Aufteilung des zur Anschaffung der Flöte erforderlichen verbleibenden Betrages von S 21.400 zu gleichen Teilen auf die Eltern noch nicht unbillig.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß zur Frage des Umfanges der Sonderbedarfsdeckung, insbesondere zur anteiligen Heranziehung beider Elternteile, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und die Rechtsprechung der letzten drei Jahre uneinheitlich sei. Die Frage der Belastbarkeit durch Individualbedarf sei für die Rechtssicherheit und Rechtseinheit von Bedeutung.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Das Rekursgericht gelangte zur teilweisen Abweisung des Antrages mit der tragenden Begründung, daß über den Regelbedarf hinausgehende Unterhaltsleistungen nach den besonderen Umständen des Einzelfalles auch zur Abdeckung von Sonderbedarf zu verwenden sind und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters zur Abdeckung des gesamten hier erforderlichen Individualbedarfes nicht ausreiche. Wie der Oberste Gerichtshof schon zu 1 Ob 585/90 ausgesprochen hat, ist der vom Unterhaltspflichtigen zu bestreitende Sonderbedarf strengen Anforderungen zu unterwerfen, wenn die regelmäßigen Unterhaltsleistungen den Regelbedarf beträchtlich übersteigen. Eine solche strenge Prüfung führt dazu, daß der Vater zur Deckung des Sonderbedarfes nur dann verhalten werden darf, wenn der Unterhaltsberechtigte dartut, daß er trotz der den Regelbedarf erheblich übersteigenden Unterhaltsbeiträge außerstande wäre, diese Kosten auf sich zu nehmen. Ein solcher Beweis gelänge dem Unterhaltsberechtigten dann, wenn er darlegen könnte, daß der Überhang der regelmäßigen Unterhaltsleistungen des Vaters durch die Bestreitung von anderem anerkennenswerten Sonderbedarf ohnehin bereits aufgezehrt sei. Solche Umstände stehen hier nicht fest. Das Rekursgericht hat daher ohne erkennbaren Rechtsirrtum auch die unterhaltsberechtigte Silke dazu verhalten, einen ihr zumutbaren Beitrag zu leisten.
Ausgehend von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 25.600, monatlichen Unterhaltsbeiträgen von S 4.000 für Silke sowie die weiteren Sorgepflichten für eine einkommenslose Ehefrau und ein einjähriges Kind aber, ist das Rekursgericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles frei von Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, daß der Vater bei Bestreitung des gesamten restlichen Sonderbedarfes mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre (§ 140 Abs 2 zweiter Satz ABGB). Denn für die Verpflichtung zum Ersatz eines Sonderbedarfes ist auch auf die Höhe der Sonderleistung und den zur Erbringung derselben notwendigen Zeitraum abzustimmen.
Da das Rekursgericht keine Rechtsfrage des materiellen Rechtes, der zur Wahrung der Rechtssicherheit, Rechtseinheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, unrichtig gelöst hat, war das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.
Anmerkung
E21710European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00608.9.0906.000Dokumentnummer
JJT_19900906_OGH0002_0060OB00608_9000000_000