Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Dipl.Ing.Erich K***, Kaufmann, Krems an der Donau, Untere Landstraße 14, vertreten durch Dr.Walter Kossarz, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wider die Antragsgegnerin Firma Alfred W*** OHG, Hutmodengeschäft, Wien 6., Mariahilferstraße 101, vertreten durch Dr.Wolfgang Taussig und Dr.Arno Brauneis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung eines angemessenen Mietzinses gemäß § 12 Abs 3 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 8.Juni 1990, GZ 3 R 7/90-24, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 13. November 1989, GZ Msch 6/89-17, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neue Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung:
Mit Mietvertrag vom 31.10.1973 vermietete der Antragsteller die im Erdgeschoß des Hauses Krems an der Donau, Spaenglergasse 2 a, gelegenen Räumlichkeiten ab 1.9.1973 auf unbestimmte Zeit an Ilse I*** zum Betrieb eines Hutgeschäftes gegen einen wertgesicherten monatlichen Mietzins von S 3.275 zuzüglich Umsatzsteuer. Punkt V dieses Mietvertrages lautet: "Dieser Vertrag gilt auch beiderseits für jeweilige Rechtsnachfolger, jedoch mit der Beschränkung, daß eine Untervermietung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Vermieters zulässig ist".
Am 12.8.1986 schloß Ilse I*** mit der Antragsgegnerin auf unbestimmte Zeit einen ab 1.1.1987 beginnenden "Pachtvertrag" über das von ihr in den gemieteten Räumlichkeiten betriebene gesamte Unternehmen. Sie verzichtete ausdrücklich auf eine Aufkündigung oder vorzeitige Auflösung des Pachtverhältnisses, den Fall eines qualifizierten Rückstandes von mehr als 2 Monatspachtzinsen ausgenommen.
Mit der zu 2 C 81/87 des Erstgerichtes am 19.3.1987 eingelangten Klage begehrte der Antragsteller die Feststellung, daß Ilse I*** durch die ausschließliche Gebrauchsüberlassung über die von ihr gemieteten Geschäftsräumlichkeiten ohne Zustimmung des Vermieters im Wege des am 12.8.1986 mit der Antragsgegnerin abgeschlossenen Pachtvertrages den Mietvertrag vom 31.10.1973 in Punkt V verletzt habe. Ilse I*** sei schuldig, jede Untervermietung dieses Geschäftslokals oder sonstige Gebrauchsüberlassung an Dritte zu unterlassen.
Zu K 7/87 (jetzt 2 C 91/87) des Erstgerichtes - eingelangt am selben Tag - kündigte der Antragsteller Ilse I*** das von ihr gemietete Bestandobjekt im Hinblick auf den von ihr abgeschlossenen Pachtvertrag zum 31.12.1987 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 1 und Abs 2 Z 4 und 7 MRG auf. Dagegen erhob Ilse I*** fristgerecht Einwendungen.
Das Erstgericht, das beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, hob die Aufkündigung auf und gab dem Feststellungs- und Unterlassungsbegehren des Antragstellers statt. Es ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß zwischen Ilse I*** und der Antragsgegnerin eine Unternehmensverpachtung vorliege. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Aufhebung der Aufkündigung und wies das Feststellungs- und Unterlassungsbegehren des Antragstellers ab. Der nur hinsichtlich des abändernden Teils der berufungsgerichtlichen Entscheidung angerufene Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil wieder her (6 Ob 613, 614/88). Er führte aus, die Parteien hätten sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs 3 MRG - auch nicht in der Form, daß von Ilse I*** ein Scheingeschäft geschlossen worden wäre, hinter dem sich in Wirklichkeit eine Unternehmensveräußerung verborgen hätte - berufen; für diesen Fall wäre dem Feststellungs- und Unterlssungsbegehren auch jegliche Grundlage entzogen. Nunmehr beantragte der Antragsteller die Fortsetzung des gegenständlichen Verfahrens, das bereits mit dem am 20.3.1987 beim Erstgericht eingelangten Antrag eingeleitet, aber am 12.5.1987 bis zur rechtskräftigen Erledigung der vorerwähnten Verfahren unterbrochen worden war. Mit der Behauptung, Ilse I*** und die Antragsgegnerin hätten am 12.8.1986 nur zum Schein einen Pachtvertrag, nach dessen Inhalt und ihrer gemeinsamen Absicht aber in Wahrheit einen Unternehmensveräußerungsvertrag geschlossen, begehrt der Antragsteller die Feststellung, daß der Vermieter des Geschäftslokals berechtigt sei, ab 1.4.1987 einen angemessenen (monatlichen) Mietzins von S 19.650 - wertgesichert - zuzüglich Umsatzsteuer und anteiligen Betriebskosten zu verlangen, und die Antragsgegnerin verpflichtet sei, diesen Mietzins an den Vermieter zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung dieses Antrages. Aufgrund der Rechtskraftwirkung der im Kündigungs- sowie im Feststellungs- und Unterlassungsverfahren ergangenen Entscheidungen stehe auch für das gegenständliche Verfahren bindend fest, daß Mieterin des Geschäftslokales nach wie vor Ilse I*** sei und ein Mietrechtsübergang auf die Antragsgegnerin nicht stattgefunden habe. Im übrigen liege zwischen Ilse I*** und der Antragsgegnerin tatsächlich ein echtes Pachtverhätlnis und keine Unternehmensveräußerung vor.
Beide Vorinstanzen wiesen den Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, infolge der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren müsse vom Fehlen einer Unternehmensveräußerung ausgegangen werden, was den Erfolg eines Antrages nach § 12 Abs 3 MRG ausschließe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers, den das Rekursgericht für zulässig erklärt hat, ist berechtigt.
Eine Untersuchung der Frage, ob zwischen Ilse I*** und der Antragsgegnerin eine Unternehmensverpachtung oder eine Unternehmensveräußerung stattgefunden hat, müßte/dürfte im gegenständlichen Verfahren nur dann unterbleiben, wenn die zwischen dem Antragsteller und Ilse I*** in den Vorverfahren 2 C 81/87 und 2 C 91/87 des Erstgerichtes ergangenen Entscheidungen im gegenständlichen Verfahren zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin eine Bindungswirkung (wie das Erstgericht annahm) /Präklusionswirkung (wovon das Rekursgericht ausging) der Rechtskraft oder eine (vom Rekursgericht gleichfalls bejahte) Tatbestandsverwirklichung entfalten würden.
Eine Bindungswirkung/Präklusionswirkung ist schon deshalb zu verneinen, weil die Rechtskraft nach der in Lehre und Rechtsprechung herrschenden Auffassung grundsätzlich nur zwischen denselben Parteien wirkt (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1524; Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht3, Rz 592; MGA14 der JN-ZPO, E 150 zu § 411 ZPO; SZ 48/142 uva) und keine der nach der herrschenden Auffassung aus prozessualen oder aus materiellrechtlichen Gründen anzuerkennenden Ausnahmen von diesem Grundsatz - erweiterte Rechtskraftwirkung, Rechtskrafterstreckung - (Fasching aaO Rz 1525 ff;
Rechberger-Simotta aaO Rz 593) vorliegt.
Von einer - von einer erweiterten Rechtskraftwirkung oder Rechtskrafterstreckung wohl zu unterscheidenden, grundsätzlich gegen Dritte wirkenden - Tatbestandswirkung wird dann gesprochen, wenn das historische Ereignis der Urteilsfällung für die Tatfrage des Folgeverfahrens von Bedeutung ist, sei es, daß das Gesetz oder ein Rechtsgeschäft an die Existenz eines Urteils eine besondere Rechtsfolge knüpft, sei es, daß die Existenz des Urteils einen Sachverhalt schafft, der ein anders umschriebenes Tatbestandsmerkmal erfüllt (Winfried Kralik in JBl 1976, 92; Fasching aaO Rz 1565; Rechberger-Simotta aaO Rz 625; SZ 53/42, SZ 59/116, EvBl 1990/89 ua). Eine solche Tatbestandswirkung ist hier nicht gegeben. Die vom Rekursgericht zur Stützung seiner abweichenden Ansicht herangezogene Entscheidung JBl 1976, 90 wurde von Wilfried Kralik aaO abgelehnt und vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufrechterhalten (vgl dazu auch Fasching aaO Rz 1565, der den immer wieder feststellbaren Versuch, auf dem Umweg über die Tatbestandswirkung den auf die Parteien beschränkten Umfang der materiellen Rechtskraft zu erweitern, schon vom Ansatz her für verfehlt hält). Da die Vorinstanzen - ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht - die Prüfung der eingangs erwähnten Frage somit zu Unrecht unterlassen haben, war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und unter Aufhebung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neue Entscheidung aufzutragen.
Anmerkung
E21699European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00067.9.0911.000Dokumentnummer
JJT_19900911_OGH0002_0050OB00067_9000000_000