TE OGH 1990/9/11 4Ob137/90

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Veröffentlicht am 11.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vositzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. S*** N*** Verlagsgesellschaft mbH & Co KG, 2. S*** N*** Verlagsgesellschaft mbH, beide Salzburg, Bergstraße 14, beide vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 500.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 27.März 1990, GZ 12 R 4/90-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23.Oktober 1989, GZ 14 Cg 128/89-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Velegerin der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung". Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Salzburger Nachrichten"; die Zweitbeklagte ist Komplementärin der Erstbeklagten. Sowohl die "Neue Kronen-Zeitung" als auch die Tageszeitung "Kurier" haben größere Auflagen und eine größere Reichweite als die "Salzburger Nachrichten". Seit 1.März 1989 erscheinen die "Salzburger Nachrichten" in Form einer "Österreichausgabe", für welche die Beklagten seit Anfang 1989 mit ganzseitigen Einschaltungen in verschiedenen Printmedien geworben haben. Dabei wurde jeweils eine eingeschlagene Titelseite der "Salzburger Nachrichten" mit deren neuem Kopf, der den Zusatz "Österreich-Ausgabe" enthält, bildlich wiedergegeben. In der "Ganzen Woche" vom 2.März 1989 und im "Staatsbürger" vom Februar 1989 sowie auf großflächigen Plakaten lautete der Werbetext: "Lesen und Wissen statt Blättern und Vergessen". Bei allen Werbeeinschaltungen stand in kleinerer Druckschrift, aber unübersehbar: "Die Tageszeitung Österreichs".

Mit der Behauptung, daß die Werbeaussage "Die Tageszeitung Österreichs" unter Verletzung der Bestimmungen des UWG, insbesondere des § 2 UWG, den unrichtigen Eindruck erwecke, die "Salzburger Nachrichten" seien nun die führende oder die wichtigste oder die qualitätvollste Tageszeitung in Österreich oder eben eine solche, die eine Spitzenstellung schlechthin für sich in Anspruch nehmen könne, obwohl in Wahrheit in Österreich mehrere

Tageszeitungen - etwa der "Kurier", "Die Presse", die "Neue Kronen-Zeitung" oder die "Kleine Zeitung" - vertrieben würden, die als zumindest gleichrangig bezeichnet werden könnten, begehrt die Klägerin, die Beklagten schuldig zu erkennen, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken dds Wettbewerbes beim Vertrieb der Tageszeitung "Salzburger Nachrichten" die Bezeichnung dieser Tageszeitung als "Die Tageszeitung Österreichs" zu unterlassen; ferner stellt sie ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die beanstandete Werbebehauptung sei wettbewerbsrechtlich unbedenklich, weil es sich jedenfalls um eine marktschreierische Anpreisung handle, die von den beteiligten Verkehrskreisen nicht ernst genommen werde.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Die Bezeichnung der "Salzburger Nachrichten" als "Die Tageszeitung Österreichs" sei eine marktschreierische Ankündigung, die von den angesprochenen Verkehrskreisen sogleich als eine nicht ernstgemeinte reklamehafte Übertreibung ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit angesehen werde. Der bestimmte Artikel sei ein so häufiges Werbemittel, daß schon besondere Umstände vorliegen müßten, um eine Alleinstellung annehmen zu können. Soweit aber bei wörtlichem Verständnis der beanstandeten Ankündigung die "Salzburger Nachrichten" als die einzige, führende oder beste Tageszeitung betrachtet werden müßten, werde diese Werbung nicht ernstgenommen, sondern nur so verstanden, daß die Beklagten durch Übertreibung auf sich aufmerksam machen wollten. Auch in Verbindung mit dem Satz "Lesen und Wissen statt Blättern und Vergessen" werde nicht der Eindruck besonderer Qualität gegenüber anderen Mitbewerbern erweckt. Marktschreierische Ankündigungen verstießen aber weder gegen §§ 1 und 2 noch gegen sonstige Bestimmungen des UWG.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der beanstandete Werbeslogan erwecke beim unbefangenen Leser nicht den Eindruck, daß die Beklagten damit für ihre Zeitung in Anspruch nähmen, nunmehr die einzige oder eine alle anderen Mitbewerber übertreffende Tageszeitung zu sein. Da die Vielfalt des Angebotes an Tageszeitungen in Österreich auch der breiten Öffentlichkeit bekannt sei und der angesprochene Leserkreis auch ungefähr darüber Bescheid wisse, welche Blätter als führend zu bezeichnen sind, sei der beanstandete Hinweis auf die neu eingeführte Österreich-Ausgabe der "Salzburger Nachrichten" als reklamehafte Übertreibung, die als solche sofort erkennbar sei, zu werten. Keines der zusätzlichen Elemente, die nach der Rechtsprechung zur übertreibenden Darstellung des Werbenden hinzutreten müßten, um einen Wettbewerbsverstoß zu begründen, liege hier vor.

Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagten haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig: Gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechtes kann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auch dann vorliegen, wenn - wie hier - zu einem unbestimmten Rechtsbegriff zwar schon allgemeine, von der Rechtsprechung entwickelte Leitsätze bestehen, die konkrete Lösung des zu entscheidenden Falles sich aber daraus noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern wegen Fehlens von Vorentscheidungen mit weitgehend gleichartigen Sachverhalten ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen vorgenommen werden muß. Im Wettbewerbsrecht kann daher der Oberste Gerichtshof seiner Leitfunktion nur dann gerecht werden, wenn er nicht nur die richtige Wiedergabe von Leitsätzen der Judikatur, sondern überall dort, wo es nach der Lage des Falles die Rechtssicherheit, die Rechtseinheit oder die Rechtsentwicklung fordern, auch die richtige Konkretisierung der in Betracht kommenden unbestimmten Gesetzesbegriffe prüft (ÖBl 1984, 48; ÖBl 1985, 51; MR 1990, 107 u. v.a.). Eine Werbebehauptung, die der hier beanstandeten vergleichbar wäre, war aber - soweit überblickbar - noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin hält auch in dritter Instanz daran fest, daß die beanstandete Werbeaussage gegen § 2 UWG verstoße, weil durch den bestimmten Artikel "Die" der Eindruck erweckt werde, den "Salzburger Nachrichten" komme nunmehr gegenüber den - wenigen - anderen überregionalen Mitbewerbern die Spitzenstellung als die größte und bedeutendste Zeitung zu. Dem kann nicht gefolgt werden:

Wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, liegt eine Alleinstellungswerbung dann vor, wenn eine Ankündigung von einem nicht unerheblichen Teil des Publikums dahin verstanden wird, daß der Werbende damit allgemein oder in bestimmter Hinsicht für sich allein eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 782 Rz 68 zu § 3 dUWG). Sprachliches Ausdrucksmittel für eine solche Alleinstellung kann - neben dem Superlativ, dem Komparativ, dem Positiv und anderem (Baumbach-Hefermehl aaO 783 f Rz 69 bis 71, 73, 74) - auch der bestimmte Artikel sein (Baumbach-Hefermehl aaO 784 Rz 72). Der Klägerin ist darin beizupflichten, daß der Werbeslogan "Die Tageszeitung Österreichs" von einem erheblichen Teil des Publikums mit der Betonung auf dem Artikel "Die" gelesen wird; rein sprachlich kann die Aussage daher auch dahin verstanden werden, daß die "Salzburger Nachrichten" überhaupt die einzige oder doch die führende und qualitätvollste Tageszeitung in Österreich seien. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Werbung mit der Alleinstellung primär nach § 2 UWG zu beurteilen und daher wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Werbebehauptung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist (ÖBl 1981, 119 mwN; ÖBl 1986, 42; ÖBl 1989, 42; MR 1989, 30 u.v.a.). Ob eine Mitteilung im Einzelfall eine objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptung oder eine rein subjektive, unüberprüfbare Meinungsäußerung - also ein bloßes "Werturteil" - enthält, muß unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in den die Äußerung gestellt wird, der Form, in der sie gebracht wird, des Gegenstandes, den sie betrifft, und aller sonstigen Umstände, die für den Eindruck auf das angesprochene Publikum maßgebend sein können, beurteilt werden; dabei kann dieselbe Äußerung je nach den Umständen bald als Tatsachenbehauptung, bald als Werturteil aufzufassen sein (ÖBl 1977, 166 mwN; ÖBl 1981, 119). Eine Anpreisung kann ihrem Inhalt nach ganz oder teilweise objektiv überprüfbar sein, vom Verkehr - dessen Auffassung allein maßgebend ist - aber dennoch zweifelsfrei als reklamehafte Übertreibung ohne eigentlichen Wesensgehalt gewertet (Baumbach-Hefermehl aaO 780 Rz 60 zu § 3 dUWG) und von jedermann unschwer auf diesen tatsächlichen Gehalt zurückgeführt werden (ÖBl 1984, 97 u.v.a.). Eine solche Qualifikation schließt allerdings nicht aus, daß die betreffende Ankündigung in einem bestimmten eingeschränkten Umfang als sachbezogene Aussage ernstgenommen werden kann; auch Ankündigungen, die erkennbar als reklamehafte Übertreibung verstanden werden, lassen sich nach Abzug dieses Übermaßes häufig doch noch auf einen sachlich nachweisbaren "Tatsachenkern" - etwa auf die Behauptung erstklassiger Qualität oder besonders günstiger Preise - zurückführen, welcher durchaus ernstgenommen wird und daher im Fall seiner Unrichtigkeit zur Irreführung (§ 2 UWG) geeignet ist (ÖBl 1979, 73; ÖBl 1984, 97 je mwN).

Soweit die beanstandete Werbebehauptung bei rein wörtlicher Auslegung dahin verstanden werden könnte, daß die "Salzburger Nachrichten" die einzige oder doch die auflagenstärkste österreichische Tageszeitung seien, wäre dies gewiß eine Tatsachenbehauptung, daß diese aber von keinem Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise - also der potentiellen Zeitungskäufer und -leser - ernstgenommen wurde, weil jedermann von der Existenz einer größeren Zahl von (überregionalen) Tageszeitungen und der starken Verbreitung anderer Zeitungen wie etwa der "Neuen Kronen-Zeitung" und des "Kuriers" weiß, liegt auf der Hand. Eine Irreführung in dieser Richtung kommt daher nicht in Frage und wurde von der Klägerin auch gar nicht geltend gemacht.

Faßt man jedoch den Werbeslogan "Die Tageszeitung Österreichs" dahin auf, daß es sich dabei um die qualitativ "beste" oder "wichtigste" Tageszeitung Österreichs handle, dann liegt darin eine rein subjektive, unüberprüfbare Meinungsäußerung, also ein "Werturteil", stellen doch die Leser auf Grund ihrer verschiedenen Interessen ganz unterschiedliche Ansprüche an Zeitungen. Der beanstandete Slogan enthielte dann allerdings insofern einen "Tatsachenkern", als ihm jedenfalls die Behauptung zu entnehmen ist, die "Salzburger Nachrichten" seien qualitativ wertvoll, erfüllten also voll die Informationsaufgaben einer Tageszeitung (vgl. ÖBl 1981, 119 mwN). Daß dies zutrifft, ist aber bekannt (§ 269 ZPO) und wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes lagen nicht vergleichbare Sachverhalte zugrude. Im Fall der Entscheidung ÖBl 1955, 53 hatte der Oberste Gerichtshof die Werbebehauptung, das eigene Unternehmen sei "Die Geisterbahn vom Prater" als Verstoß gegen § 2 UWG gewertet, weil in Wahrheit noch mindestens eine weitere Geisterbahn im Prater bestanden hatte; daß diese Werbung bloß marktschreierisch war, habe das Publikum nicht erkennen müssen. In MR 1989, 30 wurde der Zeitungstitel "Österreichs Textil-Zeitung" deshalb als irreführend (§ 2 UWG) beurteilt, weil dadurch beim Publikum der unrichtige Eindruck hervorgerufen werde, es handle sich um die bedeutendste Textil-Fachzeitschrift Österreichs.

Daraus, daß es nur eine begrenzte Zahl anderer überregionaler österreichischer Tageszeitungen gibt, folgt entgegen den Revisionsausführungen nicht die Gefahr einer Irreführung des Publikums über Bedeutung und Qualität der "Salzburger Nachrichten"; auch dieser Umstand ändert nämlich nichts daran, daß die beanstandete Aussage vom Publikum nur dahin verstanden wird, daß es sich - was tatsächlich der Fall ist - bei den "Salzburger Nachrichten" um eine qualitativ wertvolle Tageszeitung handelt. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E21687

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00137.9.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19900911_OGH0002_0040OB00137_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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