TE OGH 1990/9/12 11Os83/90

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Veröffentlicht am 12.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hassenbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Radisa M*** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 2, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29.Mai 1990, GZ 2 c Vr 12.442/89-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Grois zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der (richtig wohl - vgl. ON 5 und ON 48, S 268) am 9.Juni 1950 (unrichtig im Urteil: 6. September 1950) geborene Radisa M*** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt, weil er am 23. Dezember 1989 in Wien Rako M*** (dem Lebensgefährten seiner Tochter) durch einen Herzstich mit einem Küchenmesser (Klingenlänge: ca. 20 cm) absichtlich eine schwere Körperverletzung zufügte, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobene, auf die Z 5, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.

Dem Beschwerdevorwurf einer unvollständigen und unzureichenden Begründung (Z 5) zuwider ist die Feststellung der Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) des Beschwerdeführers, das Opfer schwer zu verletzen, mängelfrei begründet. Ein vom Täter mit einem Messer wie dem gegenständlichen mit derartiger Wucht in die Herzgegend des Opfers geführter Stich, daß nach Durchtrennung einer Rippe das gesamte Herz - von der linken über die rechte Herzkammer, durch den rechten Vorhof und die untere Hohlvene - durchbohrt wurde (S 219, 248, 289 f, 301 f), zeigt nach allgemeiner und forensischer Erfahrung, daß es dem Täter darauf ankam, das Opfer zumindest schwer zu verletzen. Die Verantwortung des Angeklagten, er hätte im Zug eines Handgemenges unbewußt und ungewollt zugestochen (S 275), lehnte das Erstgericht mit mängelfreier Beweiswürdigung auf Grund des Gutachtens des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (S 289) als unglaubwürdig ab (S 304).

Damit versagt die Mängelrüge.

Zwar trifft es zu, daß das Erstgericht durch die - übrigens nicht weiter begründete - Urteilsannahme, es könne dem Angeklagten zugestanden werden, daß er weder tödliche Folgen herbeiführen wollte, noch mit ihnen rechnete (S 305), in bezug auf die - den höheren Strafsatz des § 87 Abs. 2 StGB bedingende - genannte Tatfolge (§ 7 Abs. 2 StGB) bewußte Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 2 StGB) ausschloß. Für die Zurechnung eines strafsatzerhöhenden (qualifizierten) Taterfolges genügt jedoch auch unbewußte Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 1 StGB). Hiezu bedurfte es entgegen der die Anwendung des höheren Strafsatzes anfechtenden Subsumtionsrüge (Z 10) bei der gegebenen Fallgestaltung keiner weiteren Feststellungen tatsächlicher Natur. Denn der wuchtige, in der Absicht, schwer zu verletzen, geführte Herzstich war von einer derartigen Gefährlichkeit gekennzeichnet, daß in der Urteilsbegründung (auch) unter dem Gesichtspunkt unbewußter Fahrlässigkeit zur tödlichen Wirkung der Verletzung über das vom Beschwerdeführer eingegangene Erfolgsrisiko weitere Ausführungen nicht unbedingt geboten waren. Im konkreten Fall reichen die begründeten Feststellungen über die Vorsatztat und die darin gelegene objektive und subjektive Sorgfaltsverletzung für sämtliche Voraussetzungen der Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 1 StGB) der Verursachung des Todes aus (vgl. auch Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 7 ff zu § 7 ua).

Daher war die Zurechnung der Todesfolge und demgemäß die Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 87 Abs. 2 StGB rechtsrichtig. Das Erstgericht verhängte nach diesem Strafsatz, der eine Strafdrohung von fünf bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, über den Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren.

Die - vom Beschwerdeführer hiezu eingewendete - Nichtigkeit (Z 11, zweiter und dritter Fall) einer offenbar unrichtigen Beurteilung (das heißt: gesetzwidrigen Berücksichtigens oder Übergehens) von für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsachen sowie eines unvertretbaren Verstoßes gegen Bestimmungen über die Strafbemessung setzt jeweils eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Sinn eines Überschreitens des bei der Entscheidung über die Straffrage bestehenden Ermessensspielraumes voraus (RZ 1989/65 ua). Die Einwendungen der Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Strafausspruch betreffen jedoch keine Überschreitung des Ermessens, sie sind der Sache nach vielmehr als Berufungsvorbringen zu behandeln.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Radisa M*** nach dem zweiten Strafsatz des § 87 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen den ordentlichen Lebenswandel. Der Berufung des Angeklagten, welche auf eine Strafmilderung abzielt, kommt keine Berechtigung zu:

Das Erstgericht stellte die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig fest und würdigte sie auch zutreffend. Der Unrechtsgehalt der vom Angeklagten zu verantwortenden Tat erweist sich als extrem hoch. Tathergang und Taterfolg ergeben in Anbetracht des von einem intensiven Verletzungswillen getragenen, gezielten, wuchtigen Herzstichs einen Gesinnungs- und Handlungsunwert, der aus spezial- und generalpräventiver Sicht ein Strafmaß in der Nähe der Obergrenze der gesetzlichen Strafdrohung (von fünf bis zehn Jahren) erfordert.

Der Angeklagte vermochte in seiner Berufung keine weiteren mildernden Umstände ins Treffen zu führen, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen ließen.

Eine allgemeine Begreiflichkeit (§ 34 Z 8 StGB) des - durch eine an sich zutreffende Zurechtweisung ausgelösten - Affekts ist auf Grund der Verfahrensergebnisse nicht indiziert.

Die vom Berufungswerber als mildernd ins Treffen geführte Aggressivität des Opfers findet in den Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes keine Deckung.

Der Zuerkennung des Milderungsgrundes der Berauschung steht vor allem im Hinblick darauf, daß der Angeklagte schon früher im alkoholisierten Zustand zu Gewalttätigkeiten (gegenüber seiner Gattin) neigte, die Regelung des § 35 StGB entgegen. Das bloße Eingestehen der nicht zu leugenden Tatsache der objektiven Zufügung der tödlichen Verletzung, jedoch unter völliger Bestreitung der subjektiven Tatseite, kann bei der gegebenen Beweislage nicht als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung angesehen und daher entgegen der Ansicht des Berufungswerbers gleichfalls nicht als Milderungsgrund im Sinn des § 34 Z 17 StGB gewertet werden.

Auch der Selbststellung kommt mangels einer geeigneten Fluchtmöglichkeit kein erhebliches Gewicht zu.

Der in jeder Richtung unbegründeten Berufung des Angeklagten war daher der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E21786

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00083.9.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19900912_OGH0002_0110OS00083_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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