Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Basalka und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Franz W***, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Klaus H***, Angestellter, Uderns, Finsing 95c, wider die beklagte Partei A*** V*** T***, Innsbruck, Schöpfstraße 5,
vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 2,232.500 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.November 1989, GZ 5 Rs 142/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.Juli 1989, GZ 47 Cgs 68/89-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Klaus H*** war bei der S*** H***
Gesellschaft mbH in Sellrain als Betriebsleiter beschäftigt. Bis 22. Mai 1986 war er auch Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Mit Dienstvertrag vom 20.März 1986 wurde ihm die 10jährige Unkündbarkeit zugesichert und vereinbart, daß eine Kündigung frühestens am 1.April 1996 ausgesprochen werden könne.
Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.Juni 1986 wurde über das Vermögen H*** der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Am 20.Jänner 1987 wies das Landesgericht Innsbruck einen von der Tiroler Gebietskrankenkasse gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der S*** H*** Gesellschaft mbH gemäß § 72 Abs 3 KO
mangels hinreichenden Vermögens ab. Dieser Beschluß erwuchs am 6. Februar 1987 in Rechtskraft und wurde im Anschluß daran öffentlich kundgemacht.
Mit einer am 17.Februar 1987 eingebrachten Klage forderte der Kläger von der Dienstgeberin des Gemeinschuldners S 551.160,91 brutto sA. Er brachte in dieser Klage vor, daß Klaus H*** am 19. August 1986 ungerechtfertigt entlassen worden sei. Im Hinblick auf die im Dienstvertrag vereinbarte 10jährige Unkündbarkeit stehe dem Gemeinschuldner das Gehalt von August bis Dezember 1986 und eine Urlaubsentschädigung für 30 Werktage zu. Die Geltendmachung der zustehenden Beträge ab 1.Jänner 1987 werde "ausdrücklich in Vorbehalt genommen". Über diese Klage erging hinsichtlich der beklagten Gesellschaft am 29.September 1987 ein Versäumungsurteil. Mit Schriftsatz vom 2.August 1988 zeigte der Kläger der beklagten Partei an, daß er Masseverwalter in dem H*** betreffenden Konkurs sei und meldete die zuerkannten Ansprüche zur Zahlung aus dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds an. Nach Einleitung der Exekution habe er aus dem Bericht des Vollstreckers erfahren, daß "die Firma am 6.3.1987 aufgelöst worden sei". Diesen Schriftsatz ergänzte der Kläger am 5.September 1988 durch ein ausgefülltes Antragsformular. Die beklagte Partei erkannte dem Kläger mit den Bescheiden vom 12.Jänner 1988 Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 372.474 zu und wies das Mehrbegehren rechtskräftig ab. Mit dem am 13.Oktober 1988 zur Post gegebenen Schriftsatz vom 12. Oktober 1988 meldete der Kläger unter (neuerlicher) Berufung auf die vereinbarte 10jährige Unkündbarkeit im Dienstvertrag einen weiteren Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 4,532.500 an. Ihm als Masseverwalter sei die Anspruchsberechtigung des Gemeinschuldners bis 1.April 1996 erst durch Vorlage des Dienstvertrages am 11.Oktober 1988 bekannt geworden. H*** habe von der Möglichkeit, diesen Anspruch zu erheben, erst bei einem Gespräch mit einem Sachbearbeiter der beklagten Partei Anfang Oktober 1988 erfahren. Die beklagte Partei lehnte den Nachtragsantrag nach Anhörung des Vermittlungsausschusses mit Bescheid vom 17.April 1989 wegen Fristversäumung ab. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld im Betrag von S 2,232.500 sA. Dem Gemeinschuldner stehe nach dem Dienstvertrag noch das Entgelt von Jänner 1987 bis März 1996, abzüglich dessen, was er in dieser Zeit verdient habe bzw. verdienen werde, zu. Die beklagte Partei habe seinen zweiten Antrag zu Unrecht abgelehnt. Ein allenfalls Anfang 1987 ergangener Beschluß auf Abweisung eines Konkursantrages mangels Masse könne nicht für ein Verfahren am Ende des Jahres 1988 maßgebend sein. Selbst für den Fall der Fristversäumung hätten die Rechtsfolgen nachgesehen werden müssen. Bei dieser äußerst selten vorkommenden Konstellation, daß ein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld vom Masseverwalter geltend gemacht werde, sei nämlich zu berücksichtigen, daß sich der Informationsfluß zwischen Masseverwalter und Gemeinschuldner im Konkurs schwierig gestalte. Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Ergänzungsantrag vom 12.Oktober 1988 sei außerhalb der viermonatigen Antragsfrist des § 6 Abs 1 IESG gestellt worden, da der Gemeinschuldner von der Abweisung eines Konkursantrages gegen seine ehemalige Dienstgeberin im Sinne des § 1 Abs 1 Z 3 IESG spätestens am 16.Mai 1988 Kenntnis erlangt und den Kläger darüber "ca. Ende Mai 1988" informiert habe. Die Antragsfrit sei somit bereits am 16.September 1988 abgelaufen. Auf die dienstvertraglichen Kündigungsbeschränkungen habe der Kläger schon in seinem Vorbringen in der am 16.Februar 1987 verfaßten Klage hingewiesen. Er habe sich die Geltendmachung der Beträge ab 1.Jänner 1987 sogar ausdrücklich vorbehalten. Der Kläger habe die Fristversäumung somit selbst zu vertreten, da er eine zumutbare Verfolgung seiner Ansprüche unterlassen habe. Im übrigen seien die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 34 AngG verfallen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Dem Kläger war spätestens am 16.Februar 1987 bekannt, daß das Dienstverhältnis des Gemeinschuldners Klaus H*** nach dem Dienstvertrag vom 20.März 1986 für die Dauer von 10 Jahren unkündbar war. Der Gemeinschuldner erlangte von der Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses gegen seine ehemalige Dienstgeberin mangels hinreichenden Vermögens am 16.Mai 1988 Kenntnis.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß sich der Kläger nicht mit Erfolg auf Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Gemeinschuldner berufen könne, da ihm dessen Unkündbarkeit für 10 Jahre schon spätestens am 16.Februar 1987 bekannt gewesen sei. Es wäre daher leicht möglich gewesen, innerhalb der bis 16.September 1988 offenen Frist einen Antrag auf Zuerkennung eines weiteren Insolvenz-Ausfallgelds zu stellen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es berichtigte vorerst zutreffend die Parteienbezeichnung der klagenden Partei von 1. Dr.Franz W***, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, und 2. Klaus H***, vertreten durch Dr.Franz W*** als Masseverwalter, auf Dr.Franz W***, Rechtsanwalt in Zell am Ziller als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Klaus H***, und führte aus, daß der Konkursmasse als
Sondervermögen Parteifähigkeit zukomme; diese werde vom Masseverwalter als Organ gesetzlich vertreten. In die Konkursmasse falle auch der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld als Surrogat des Erwerbseinkommens des Gemeinschuldners. Daß der Gemeinschuldner den Masseverwalter bevollmächtigt und ihm gemäß § 5 KO überlassene und nicht in die Konkursmasse fallende Ansprüche geltend mache, sei auch nicht "andeutungsweise" behauptet worden. Soweit der Masseverwalter zur Geltendmachung der Ansprüche nach dem IESG berechtigt sei, treffe ihn auch die Pflicht, sämtliche anspruchsbegründenden Voraussetzungen zu behaupten und zu beweisen.
Der Zeitpunkt der Kenntnis von einem fristauslösenden Beschluß im Sinne des § 6 Abs 1 IESG beziehe sich bei einer Sondermasse auf die Kenntnis durch das nach außen befugte Organ bzw. ihres gesetzlichen Vertreters. Im Hinblick auf den Beginn des Fristenlaufes ab dem Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Sinne des § 6 Abs 1 IESG könne auch die tatbestandliche Kenntnis von einem Beschluß nach § 1 Abs 1 Z 3 bis 7 IESG unter Heranziehung des "Gleichbehandlungsgrundsatzes" nur dahin ausgelegt werden, daß diese Frist bereits ab der öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses zu laufen beginne, zumal auch ein Beschluß, mit dem ein Konkursantrag mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde, nach Eintritt der Rechtskraft zu veröffentlichen sei (§ 72 Abs 3 KO). Die Kenntnis trete sohin spätestens mit der öffentlichen Bekanntmachung des relevanten Tatbestandes ein. Abgesehen davon, daß der Kläger in erster Instanz gar nicht behauptet habe, er habe erst im Juli 1988 vom Gemeinschuldner erfahren, daß ein Konkursantrag gegen seine ehemalige Dienstgeberin abgewiesen wurde, komme es sohin auf eine solche Mitteilung nicht an. Der im Sinne des § 1 Abs 1 Z 3 IESG ergangene Beschluß sei am 6. Februar 1987 in Rechtskraft erwachsen und die öffentliche Bekanntmachung sei im Anschluß daran durchgeführt worden. Daher habe die Antragsfrist spätestens Anfang März 1987 zu laufenden begonnen. Die Frage, wann der Kläger tatsächlich Kenntnis von der Abweisung des Konkursantrages über das Vermögen der Dienstgeberin des Gemeinschuldners erhalten habe, sei nur dafür maßgeblich, ob berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht der Fristversäumung gegeben seien. Dazu habe der Kläger aber keinerlei konkretes Sachvorbringen erstattet. Er habe nur allgemein auf den schwierigen Informationsfluß zwischen Masseverwalter und Gemeinschuldner verwiesen und überdies zum Zeitpunkt seiner ersten Antragstellung bereits die Möglichkeit gehabt, die weiteren mit Ergänzungsantrag erhobenen Ansprüche zu stellen, die ihm ebenfalls bereits seit 17.Februar 1987 bekannt gewesen seien. Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne eines vom Abänderungsantrag umfaßten Aufhebungsantrags (vgl. Fasching, ZPR2 Rz 1931) berechtigt. Der Konkurs des Dienstnehmers ist für den Bestand des Dienstverhältnisses grundsätzlich bedeutunglos. Er hat jedoch zur Folge, daß der Dienstgeber das Entgelt nicht mehr an den Dienstnehmer, sondern nach Maßgabe der §§ 1 Abs 1 und 5 Abs 1 KO an die Konkursmasse abzuführen hat (vgl. Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 256 f; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 504 f; Arb. 9.877; SZ 55/140 ua). Diese wird vom Masseverwalter, dem die wirtschaftliche Abwicklung des Konkursverfahrens obliegt, vertreten (vgl. §§ 63 Abs 2 und 373 Abs 2 ZPO; § 10 Z 4 lit a GGG; Fasching aaO Rz 340 f; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2 72). Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß der als Kläger auftretende Masseverwalter im Konkurs des Dienstnehmers Klaus H*** zur Durchsetzung der den Gemeinschuldner betreffenden Ansprüche vermögensrechtlicher Art aus dem Dienstverhältnis auch im Sinne der §§ 1 Abs 1 und 6 Abs 2 IESG legitimiert ist (vgl. § 9 AVG; Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz 404 f). Soweit der arbeitsrechtliche Anspruch das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betrifft, kann er eben nicht vom Gemeinschuldner selbst, sondern gemäß § 81 Abs 1 KO nur vom Masseverwalter geltend gemacht werden (Arb. 9.877; SZ 46/52). Dies wurde von der beklagten Partei im Ergebnis auch nicht bezweifelt, da sie über den ersten Antrag des Masseverwalters vom 2.August 1988 bereits ein Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 372.474 zuerkannte. Rechtlich belanglos ist es, daß sie den diesbezüglichen Bescheid fälschlich an den Gemeinschuldner, "vertreten durch Dr.Franz Wallentin" richtete. Der Masseverwalter kann zwar einen Entgeltanspruch des im Konkurs verfallenen Dienstnehmers geltend machen, ist aber in diesem Fall nicht Vertreter des Gemeinschuldners; dies zeigt schon seine Stellung zum konkursfreien Vermögen und die Interessenkollision mit dem Gemeinschuldner (Fasching aaO Rz 341). Ob er bei einer Unternehmensfortführung im Namen des Gemeinschuldners etwa auch als dessen gesetzlicher Vertreter handelt (vgl. RZ 1988/53), ist für den vorliegenden Fall ohne Belang. Mit ihrem Einwand, hinsichtlich der vom Gemeinschuldner eingeklagten Ansprüche liege Unzulässigkeit des Rechtswegs vor, übersieht die beklagte Partei die zutreffende Berichtigung der Parteienbezeichnung durch das Berufungsgericht. Gemäß § 6 Abs 1 IESG ist der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld bei sonstigem Ausschluß binnen vier Monaten ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 1 Abs 1 bzw. binnen vier Monaten ab Kenntnis von dem Beschluß nach § 1 Abs 1 Z 3 bis 7 zu stellen. Während sohin bei der Eröffnung des Konkurses der Beginn der Frist nicht an die tatsächliche Kenntnis, sondern die durch den Ediktanschlag fingierte Kenntnis geknüpft ist, kommt es bei einem Beschluß auf Abweisung eines Antrages auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens im Sinne des § 1 Abs 1 Z 3 IESG auf die tatsächliche Kenntnis des Anspruchsberechtigten an, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der gerichtliche Beschluß ergangen und in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. Schwarz-Holler-Holzer, aaO 157). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes begann daher die Frist des § 6 Abs 1 IESG nicht schon mit der öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses nach § 1 Abs 1 Z 3 IESG zu laufen. Für eine korrigerende Auslegung besteht kein Anlaß, da die Publikations- und Zustellungserfordernisse des § 72 Abs 3 KO bei weitem nicht jenen der §§ 74 ff KO bei Konkurseröffnung entsprechen. So wäre etwa bei einer Konkurseröffnung über das Vermögen der Dienstgeberin des Gemeinschuldners schon der Klageführung des Masseverwalters vom 17. Februar 1987 die Bestimmung des § 6 Abs 1 KO entgegengestanden. Richtig ist, daß es beim Erfordernis der Kenntnis im Sinne des § 6 Abs 1 IESG bei einer juristischen Person bzw. Sondermasse als Anspruchsberechtigten auf die Kenntnis durch das zur Vertretung befugte Organ ankommt. Es kann aber dem Berufungsgericht auch darin nicht beigepflichtet werden, daß der Masseverwalter auch noch die Rechtzeitigkeit seiner Antragstellung unter Beweis hätte stellen müssen. Für den rechtsvernichtenden Einwand der Fristversäumung ist vielmehr nach den allgemeinen Beweisregeln die beklagte Partei behauptungs- und beweispflichtig (vgl. Fasching aaO Rz 882). Die beklagte Partei brachte dazu auch vor, daß der Gemeinschuldner spätestens am 16.Mai 1988 Kenntnis von der Abweisung eines Konkursantrages gegen seine Dienstgeberin erlangt und den Kläger davon ca. Ende Mai 1988 informiert habe. Der Kläger selbst hatte der beklagten Partei schon in seinem ersten Antrag mitgeteilt, daß er auf Grund einer Exekutionsführung durch den Bericht des Vollstreckers erfahren habe, daß "die Firma am 6.März 1987 aufgelöst worden sei" (§ 1 AmtsLG). Feststellungen zu dieser für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Antragstellung im Sinne des § 6 Abs 1 IESG wesentlichen Tatfrage fehlen, weil das Erstgericht der Ansicht war, es komme nur auf die Kenntnis des Gemeinschuldners an, und das Berufungsgericht die Rechtsauffassung vertrat, es sei wohl die Kenntnis des Klägers als Masseverwalter maßgeblich, die Frist beginne aber bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung eines Beschlusses nach § 1 Abs 1 Z 3 IESG zu laufen. Es wird daher im fortzusetzenden Verfahren vorerst ergänzend zu klären und festzustellen sein, wann der Kläger von dem Beschluß nach § 1 Abs 1 Z 3 IESG betreffend die ehemalige Dienstsgeberin des Gemeinschuldners tatsächlich Kenntnis erlangte.
Erst wenn sich auf Grund dieser Feststellung eine Versäumung der Antragsfrist durch den Kläger gemäß § 6 Abs 1 IESG ergibt, wird zu erwägen sein, ob berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, um die Rechtsfolgen der Fristversäumung durch den Masseverwalter nachzusehen. Dabei ist zu beachten, daß der Masseverwalter gemäß § 81 Abs 1 KO die durch den Gegenstand seiner Geschäftsführung gebotene Sorgfalt im Sinne des § 1299 ABGB anzuwenden hat, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach dieser Gesetzesstelle an den objektiv bestimmten Fähigkeiten, nach dem Leistungsstandard seines Berufsstandes zu messen ist (vgl. SZ 59/35). Mit seinem Einwand, er sei nicht qualifiziert vertreten gewesen, ist der Kläger als Rechtsanwalt auf die Bestimmung des § 40 Abs 1 Z 1 ASGG zu verweisen.
Für den Fall des Zutreffens der Voraussetzungen für die Geltendmachung der Ansprüche im Sinne des § 6 Abs 1 IESG werden die erhobenen Ansprüche auch der Höhe nach zu erörtern sein. Ein allfälliger Ausschluß des Anspruches iS des § 1 Abs 3 Z 1 IESG oder ein sonstiger Unwirksamkeitsgrund wurde nicht geltend gemacht. Soweit Verfall im Sinne des § 34 AngG eingewendet wurde, ist auf die jeweilige Fälligkeit der Ansprüche Bedacht zu nehmen (JB 49 neu). Ebenso bedarf die Fassung des Klagebegehrens im Hinblick auf § 1 Abs 3 Z 3 IESG noch einer Erörterung. Ein Zuspruch könnte nämlich für die erst fällig werdenden Entgeltansprüche nur unbestimmt "unter Anrechnung dessen, was sich der Dienstnehmer in dieser Zeit infolge Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erwirbt oder zu erwerben absichtlich versäumt", erfolgen (9 Ob S 15/88).
Da sohin noch ein ganzer Fragenkomplex überhaupt nicht erörtert wurde und der Umfang der allenfalls erforderlichen Beweisaufnahmen nicht abgesehen werden kann, ist eine Zurückverweisung an das Erstgericht zweckmäßiger als eine Ergänzung des Verfahrens durch das Berufungsgericht.
Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E21743European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBS00011.9.0912.000Dokumentnummer
JJT_19900912_OGH0002_009OBS00011_9000000_000