TE OGH 1990/9/12 1Ob554/90

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Veröffentlicht am 12.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1.) Grete L***, Gesellschafterin, Salzburg, Steingasse 26, 2.) Christian L***, Kaufmann, Wien 18, Hainzingergasse 36, beide vertreten durch Dipl.Ing. Christoph Aigner, Rechtsanwalt in Salzburg, 3.) Wilhelm L***, Kaufmann, Salzburg, Aignerstraße 28, 4.) Nikolaus L***, Kaufmann, ebendort, beide vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Parteien Alfred L***, Kaufmann, Salzburg, Ziegelstadelstraße 8, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ausschluß aus einer offenen Handelsgesellschaft (Streitwert:

1,000.000 S; hier: Einstweilige Verfügung) infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 15.Jänner 1990, GZ 6 R 2/90-17, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichtes Salzburg vom 24. November 1989, GZ 14 Cg 367/89-10, abgeändert und der Sicherungsantrag abgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Der Antrag des Gegners der gefährdeten Parteien auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Gesellschafter der G*** L*** OHG (im folgenden Gesellschaft), die Kläger und gefährdeten Parteien (im folgenden Kläger) sind jeweils mit einem Sechstel, der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden Beklagter) mit einem Drittel an der Gesellschaft beteiligt. Auf Grund des Gesellschaftsvertrages vom 25.Oktober 1954 kam die Geschäftsführung Wilhelm L*** sen, dem 1983 verstorbenen Bruder des Beklagten und Vater des Dritt- und Viertklägers, und dem Beklagten zu. Nun sind der Drittkläger und der Beklagte allein geschäftsführungsbefugte Geschäftsführer, zu außergewöhnlichen Geschäftsführungshandlungen sind die beiden Gesellschafter jedoch nur gemeinsam berechtigt. Der in der Gesellschaft tätige, im wesentlichen Botendienste erbringende, 33-jährige Sohn des Beklagten bezieht ein Bruttogehalt von rund 48.000 S, die 41-jährige, als Verkäuferin tätige Tochter ein solches von rund 38.000 S; beide "sind ihre Gehälter bei weitem nicht wert". Bei den Bezügen für seine Kinder orientierte sich der Beklagte etwa an den Beträgen, die sein verstorbener Bruder seinen Kindern (Dritt- und Viertkläger) als Angestelltengehalt zugestanden hatte. Nur seinem Sohn Thomas gewährte der Beklagte in letzter Zeit etwas höhere Bezüge, weil er sich oft in Wien aufhielt. Der Umsatz der Gesellschaft halbierte sich in den letzten vier bis fünf Jahren auf rund 41,000.000 S; die Personalkosten betragen derzeit rund 21,000.000 S, die Gehälter der beiden Kinder des Beklagten belasten die Gesellschaft mit jährlich rund 1,500.000 S. Der Drittkläger dachte deshalb daran, sie allenfalls zu kündigen. Der Beklagte vereinbarte ohne Zustimmung des Drittklägers und der übrigen Gesellschafter für die Gesellschaft am 12.Februar 1986 mit seinen beiden Kindern, daß deren Angestelltenverhältnis in der bisher bestehenden Form bis Ende 1999 aufrecht bleiben und vor diesem Zeitpunkt keinesfalls aufgekündigt werden könne, weil er von einigen Leuten in der Gesellschaft und in der Stadt Salzburg gehört hatte, daß seine Kinder vom Drittkläger gekündigt würden, wenn er länger krank sei oder ihm sonst etwas zustoßen würde. Durch die Vereinbarung der befristeten Unkündbarkeit der Dienstverträge seiner Kinder wollte ihnen der Beklagte einen "Schutzbrief" gegen die Kündigung durch die Neffen geben. Einen Verzicht auf Kündigung im Rahmen des Unternehmens hatte es bei der Gesellschaft bisher nur gegenüber einer besonders verdienten Mitarbeiterin für die Dauer von vier Jahren bis zu deren Pensionierung gegeben. Die Tochter des Beklagten erklärte sich über dessen Bemühungen schriftlich bereit, das befristete Dienstverhältnis in ein unbefristetes umzuwandeln, Thomas L*** ist derzeit noch nicht bereit, die Unkündbarkeit seines Dienstverhältnisses aufzugeben.

Der Beklagte verpflichtete die Gesellschaft als Solidarschuldnerin für die Verbindlichkeiten der ihm gemeinsam mit seinem Sohn gehörigen Christian L*** Gesellschaft mbH aus zwei am 1. Oktober 1986 und 18.Mai 1987 aufgenommenen Krediten über 1,000.000 S und 300.000 S, war sich aber nicht bewußt, daß er damit seine Mitgesellschafter in eine Haftung bringe; beide Kredite zahlte er zurück.

Zur Sicherung ihres Hauptbegehrens auf Ausschluß des Beklagten aus der Gesellschaft und ihres Eventualbegehrens auf Entzug der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht beantragten die Kläger, dem Beklagten durch einstweilige Verfügung für die Dauer des Rechtsstreites die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht für die Gesellschaft zu entziehen. Die Anstellung eines neuen Geschäftsführers sowie Verkaufsgespräche seien wegen der Dienstverträge mit den Kindern des Beklagten gescheitert. Das Verhalten des Beklagten habe jede Vertrauensbasis zwischen den Klägern und dem Beklagten endgültig zerstört. Die Gesellschaft arbeite schon seit längerer Zeit mit Verlust und könne sich nur unter einer einheitlichen, seriösen Führung erholen. Auf Grund der obgenannten Vorfälle bestehe die Gefahr, daß der Beklagte bei Fortbestand seiner Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht weitere Handlungen zum Nachteil der Gesellschaft setzen werde. Die einstweilige Verfügung sei im Interesse der Gesellschaft dringend geboten.

Der Beklagte sprach sich gegen den Sicherungsantrag aus, seine Kinder seien seit vielen Jahren im Unternehmen beschäftigt. Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, weil sie im Interesse der Gesellschaft dringend geboten sei.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 50.000 S und ließ den Revisionsrekurs zu. Es übernahm den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, zusätzlich nahm es nicht als bescheinigt an, wann und mit welcher Vereinbarung der Beklagte seinen Kindern die derzeitigen Gehälter eingeräumt habe, wann die Kläger hievon Kenntnis erhalten haben und daß die Gefahr bestehe, der Beklagte werde in Zukunft weitere Handlungen zum Nachteil der Gesellschaft setzen.

In rechtlicher Hinsicht erachtete die zweite Instanz den Kündigungsverzicht des Beklagten gegenüber seinen Kindern als außergewöhnliche Geschäftsführungshandlung. Die vom Beklagten begangenen Verfehlungen erreichten zwar nicht die für einen Ausschluß aus der Gesellschaft nach § 140 HGB erforderliche Intensität, könnten aber als wichtiger Grund für den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht gelten. Es fehle aber eine Gefährdung der Kläger iS des § 381 EO. Die Kläger hätten keine Umstände glaubhaft machen können, die eine solche Gefährdung ihrer Interessen durch die weitere Ausübung der Geschäftsführung und Vertretung durch den Beklagten als gegeben erscheinen ließen, daß eine vorläufige Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Beklagten gerechtfertigt wäre. Die Einräumung der befristeten Unkündbarkeit der seine Kinder betreffenden Dienstverträge sei unter besonderen Umständen erfolgt; die Kläger hätten nicht einmal behauptet, es bestehe die Gefahr, daß der Beklagte weiteren Angehörigen zur Versorgung Sonderrechte einräumen werde, sondern nur allgemein vorgebracht, es bestehe die Gefahr, daß der Beklagte weitere Handlungen zum Nachteil der Gesellschaft setzen würde. Diese Gefahr sei nicht anzunehmen, weil der Beklagte den Zweck, seine Kinder vor einer Kündigung durch den Drittkläger zu schützen, bereits erreicht habe; die Begründung der Solidarhaftung der Gesellschaft für Kredite Dritter sei unbewußt erfolgt, infolge Rückzahlung sei eine Schädigung der Gesellschaft nicht eingetreten; diese Vorfälle lägen bereits so lange zurück, daß eine Wiederholung nicht wahrscheinlich sei. Daß der Niedergang des Unternehmens der Gesellschaft auf eine mangelhafte Geschäftsführung des Beklagten zurückgehe, hätten die Kläger nicht behauptet. Selbst der von den Klägern ins Treffen geführte Umsatzrückgang könne mit dem höheren Einkommen, insbesondere von Thomas L***, nicht in Verbindung gebracht werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kläger ist nicht zulässig.

Gegenstand des Provisorial- und damit auch des Revisionsrekursverfahrens ist nicht allein die Frage, ob die Vereinbarung einer Mithaftung der Gesellschaft für gesellschaftsfremde Darlehen wie die Einräumung von sachlich nicht gerechtfertigten Sonderbegünstigungen an im Unternehmen als Angestellte tätige eigene Kinder (Befristung der Dienstverhältnisse für die nächsten 13 Jahre) zu deren Versorgung durch einen von mehreren geschäftsführenden Gesellschaftern schuldhaft grobe Pflichtverletzungen und damit einen "wichtigen Grund" iS der §§ 133, 140, 117, 127 HGB darstellen, sondern auch, ob die Voraussetzungen des § 381 EO vorliegen.

Zur Sicherung des Anspruches auf Ausschluß eines Gesellschafters aus der Gesellschaft (§ 140 HGB), auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis (§ 117 HGB) und/oder der Vertretungsmacht (§ 127 HGB) können nach herrschender Lehre und nun ständiger Rechtsprechung einstweilige Verfügungen, mit der die Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht vorläufig entzogen wird, erlassen werden (SZ 55/8, SZ 49/11, SZ 26/184 ua; Torggler-Kucsko in Straube, Rz 21 zu § 117 HGB; Koppensteiner in Straube, Rz 9 zu § 127 HGB; Neuwirth, Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht im Gesellschaftsrecht in ÖJZ 1956, 289, 291; Schlegelberger-Geßler, HGB4, Rz 18 zu § 117, Rz 12 zu § 127; Fischer in GroßkommHGB3, § 127 Anm 11, Emmerich in Heymann, Rz 20 zu § 117 HGB, Rz 7 zu § 127 HGB). Auch ein Eventualbegehren kann grundsätzlich durch einstweilige Verfügungen gesichert werden (EvBl 1980/145), sofern sich Haupt- und Eventualbegehren nicht gegeneinander ausschließen (JBl 1987, 795; SZ 55/8). Voraussetzung einer derartigen einstweiligen Verfügung ist aber nicht bloß die Bescheinigung eines "wichtigen Grundes" iS der §§ 117, 127 HGB, sondern auch der konkreten Anspruchsgefährdung nach § 381 EO. Gemäß § 381 Z 2 EO kann zur Sicherung eines anderen Anspruches als einer Geldforderung eine einstweilige Verfügung ua dann getroffen werden, wenn dies zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint. Bei Beurteilung der Anspruchsgefährdung iS des § 381 EO kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (SZ 42/135; JBl 1970, 322 ua), wobei die Bescheinigung einer konkreten Gefahr gefordert wird. Nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens stellt eine Anspruchsgefährdung iS des § 381 Z 2 EO dar (EvBl 1981/188, EvBl 1974/153; SZ 42/135 ua). Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen konkreter Umstände, die diese Voraussetzungen begründen, liegt ausschließlich bei der gefährdeten Partei (MietSlg. 35.881, 2 Ob 576, 577/89 ua). Hier deckt sich das Sicherungsbegehren mit dem Urteilseventualbegehren. Deckt sich der Inhalt der angestrebten einstweiligen Verfügung mit dem Urteilsbegehren, würde sohin mit der einstweiligen Verfügung der endgültigen Entscheidung vorgegriffen werden, kann sie nur nach Maßgabe des § 381 Z 2 EO erlassen werden (JBl 1988, 112; MietSlg 35.880, 30.681; 2 Ob 576, 577/89; 6 Ob 545/88 ua; Heller-Berger-Stix aaO, 2692 f und 2723). Diese Voraussetzungen, die im Hinblick darauf, daß der Prozeßerfolg auf Grund eines bloß bescheinigten Sachverhaltes vorweggenommen werden soll, streng auszulegen sind (6 Ob 545/88, 5 Ob 567/83 ua), müssen von der gefährdeten Partei konkret behauptet und bescheinigt werden (MietSlg 35.880, 34.865; 6 Ob 545/88 ua).

Ob aber nun im hier vorliegenden, konkreten Einzelfall die Kläger ihre konkrete Gefährdung, die durch Sicherheitsleistung nicht ersetzt werden kann (JBl 1988, 658; SZ 42/135 ua; Heller-Berger-Stix aaO, 2837) ausreichend dargetan haben oder nicht, wie das Rekursgericht im wesentlichen unter Hinweis auf die Charakteristik des Familienunternehmens annimmt, wirft keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iS der §§ 526 Abs 2, 528 Abs 1, 502 Abs 1 ZPO idF der WGN 1989 auf (RpflSlgE 1985/16; 5 Ob 1016/85; 8 Ob 1505, 1506/84). Da der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Rekurses an einen Zulassungsausspruch des Gerichtes zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden ist (§ 526 Abs 2 zweiter Satz ZPO idF der WGN 1989), sind die Revisionsrekurse der Kläger zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Der Gegner der gefährdeten Parteien hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen.

Anmerkung

E21598

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00554.9.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19900912_OGH0002_0010OB00554_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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