Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Graf und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte S***, Chemotechnikerin, Elisabethstraße 37, 8010 Graz, vertreten durch Dr.Rudolf Lemesch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Ursula H***, Studentin, Völkermarkterstraße 134, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr.Richard Kaan, Dr.Helmut Cronenburg, Dr.Hans Radl und Dr.Stephan Moser, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 161.022,38 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3.Oktober 1988, GZ 4 b R 54/88-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 26.Februar 1988, GZ 12 Cg 148/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 88.954,73 samt 4 % Zinsen aus S 146.500,72 vom 10.4.1984 bis 10.1.1986 und aus S 88.954,73 seit 11.1.1986 zu bezahlen und S 5.138,06 an Verfahrenskosten aller drei Instanzen zu ersetzen. Das Klagemehrbegehren von S 72.067,65 s.A. wird hingegen abgewiesen.
Die klagende Partei ist hingegen schuldig, der beklagten Partei an Barauslagen den Betrag von S 5.240,-- binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 17.7.1889 geborene Elisabeth N*** starb am 9.4.1984. Sie hinterließ zwei eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügungen, nämlich das "Testament vom 27.5.1979" und den "Nachtrag zum Testament vom 6.9.1980". Im "Testament vom 27.5.1979" setzte sie u.a. für die Klägerin ein (Geld-)Vermächtnis mit folgendem Wortlaut aus: "Mein am Todestag vorhandenes Bargeld bzw. Spargelder, soweit diese nach Deckung der Feuerbestattungskosten, Kosten für die Errichtung eines Grabdenkmales, Entrichtung allfälliger Steuern und sonstiger mit dem Todesfall zusammenhängender Kosten und Auslagen sowie (die) Begleichung der Grabmieten (für drei näher bezeichnete Gräber ...) übrig bleiben, erhalten ... die Klägerin zwei Sechstel (= 1/3)". Im "Nachtrag zum Testament vom 6.9.1980" verfügte sie die Auszahlung eines Betrages von S 50.000 an ihre Nichte Dr.Stefanie S***. Die Erblasserin besaß an ihrem Todestag Bargeld von S 6.326 und an Spargeldern auf Einlagebüchern bei mehreren Kreditinstituten S 562.678,68. Ein weiteres, auf sie lautendes Einlagebuch (Nr. 311 01 397) der Raiffeisenkasse Graz-St.Peter mit einem Guthaben zum Todestag von S 216.202,94 diente der fruchtbringenden Anlegung (privaten Hinterlegung) von Teilzahlungen des Franz P*** aus dem Kaufvertrag vom 1.3.1982 über Liegenschaftsanteile (3/10 = 18/60) der Erblasserin an der EZ 820 KG II St.Leonhard; diesen Kaufvertrag hatte Elisabeth N*** mit Klage vom 25.3.1982 zu AZl. 18 Cg 105/82 (zuletzt AZl. 18 Cg 11/86) des Erstgerichtes mit der Behauptung angefochten, der Käufer hätte ihre Unerfahrenheit und Verstandesschwäche im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ausgenützt, sodaß ein auffallendes Mißverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung zu ihren Ungunsten bestehe; außerdem sei sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gar nicht geschäftsfähig gewesen. Dieser Prozeß war im Zeitpunkt des Todes der Elisabeth N*** noch nicht beendet. Der Nachlaß nach Elisabeth N*** wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 15.1.1986 (GZ 17 A 152/84-55) der auf Grund des Gesetzes unbedingt erbserklärten Beklagten zufolge mehrerer Erbsentschlagungen bevorrechteter Erbprätendenten zur Gänze eingeantwortet. Der oben dargelegte Anfechtungsprozeß wurde sodann von der Beklagten außergerichtlich im wesentlichen dahingehend verglichen, daß der Käufer einen namhaften weiteren Bargeldbetrag (laut Beilagen ./A und ./B knapp S 420.000 als Aufzahlung zu den bereits geleisteten und auf dem genannten Sparbuch der Erblasserin befindlichen Zahlungen auf insgesamt S 650.000) leistete und "ewiges Ruhen" des Anfechtungsprozesses vereinbart wurde.
An Nachlaßpassiven für Bestattungskosten im weitesten Sinn, die ausgesetzten Grabpflegelegate, Forderungen des Verlassenschaftskurators, offene Vermögenssteuer sowie Kosten des Gerichtskommissärs ergab sich ein Betrag von S 129.502,50. Im Abhandlungsverfahren nannte die Beklagte in ihrem Eidesstättigen Vermögensbekenntnis an weiteren Nachlaßpassiven u.a. einen Betrag von S 155.000 für Rechtsanwaltskosten der Kanzlei der Beklagtenvertreter in diversen Prozessen der Erblasserin und S 2.550 als Belohnung und Spesenersatz des Beistandes der Erblasserin. Obwohl sie unter den Passiven im Eidesstättigen Vermögensbekenntnis das an die Klägerin (und andere Legatare) zu entrichtende Legat noch mit S 129.613,64 auswies (S 113 des Abhandlungsaktes), zahlte sie der Klägerin aus diesem Titel am 10.1.1986 lediglich den Betrag von S 57.545,99.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Klagsbetrag als unberichtigten Teil ihres mit insgesamt S 218.568,37 richtig zu ermittelnden Legates, weil unter Einrechnung des Einlagebuchs der Raiffeisenkasse Graz-St.Peter über S 216.202,94 am Todestag der Erblasserin Bargeld und Spargelder von insgesamt S 785.207,62 vorhanden und von diesem Betrag nur die mit dem Todesfall zusammenhängenden Kosten von S 129.502,50 abzuziehen gewesen seien, sodaß der Saldo von S 665.705,12 (und hievon wiederum ein Drittel) maßgeblich sei.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, das Einlagebuch über S 216.202,94 sei nicht als Spargeld der Erblasserin anzusehen und daher auszuscheiden. Überdies seien noch weitere Nachlaßpassiven (Rechtsanwaltskosten von S 155.000, das Legat an Dr.Stefanie S*** von S 50.000, für Steuernachzahlungen der Jahre 1982, 1983 S 48.000) zu berücksichtigen, sodaß der unberichtigte Legatsanspruch der Klägerin nur noch S 14.709 betrage. Die Klägerin habe jedoch die Annahme dieses Betrages abgelehnt. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgte den Argumenten der Klägerin und reihte auch das Sparguthaben mit den Teilkaufpreiszahlungen über S 216.202,94 unter die "Spargelder" der Erblasserin im Sinne ihres "Testaments" vom 27.5.1979 ein, weil der Anfechtungsprozeß zum Ruhen gekommen und der auf dem Sparbuch erliegende Betrag letztlich doch als Kaufpreis angenommen worden sei. Nach dem aus dem Wortlaut der letztwilligen Anordnung ableitbaren wahren Willen der Erblasserin seien nur die von der Klägerin anerkannten Abzugsposten und nicht alle oder andere Nachlaßpassiven bei der Ermittlung des Legatsbetrages zu berücksichtigen.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und erklärte die Revision für zulässig. Es stellte nach Beweiswiederholung und -ergänzung noch fest:
Die Formulierung des "Testamentes vom 27.5.1979" entsprach dem Willen der Erblasserin. Als Schulden, die am Todestag bestehen oder anfallen würden, waren bei Errichtung des Kodizills nur die darin angeführten vorhersehbar. Über allenfalls nach der Kodizillerrichtung anfallende Schulden hat sich die Erblasserin nicht geäußert. Es kann nicht festgestellt werden, wie sie im Kodizill disponiert hätte, wenn sie die Möglichkeit derartiger Schulden ausdrücklich berücksichtigt hätte.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht folgendes aus:
Das umstrittene Sparbuch mit den Teilzahlungen aus dem von der Erblasserin angefochtenen Liegenschaftskaufvertrag habe ebenso wie die anderen Einlagebücher auf den Namen der Erblasserin gelautet und sich in ihrem Besitz befunden, sodaß gegenüber dem Kreditinstitut nur sie, nicht aber der Geldeinleger (Liegenschaftskäufer) darüber verfügen hätte können, selbst wenn der den Einzahlungen zugrundeliegende Kaufvertrag im Sinne des Rechtsstandpunktes der Erblasserin nichtig gewesen wäre. Daran könne auch der zwischen den Streitparteien bzw deren Vertretern vereinbarte Modus der Entgeltsentrichtung bzw -hinterlegung nichts ändern. Die Vertragsparteien seien jedenfalls bei Aufrechterhaltung ihrer Rechtsstandpunkte darauf zu verweisen, daß die Nichtigkeit des Vertrages - wenn auch dann mit Wirkung ex tunc - erst im Falle erfolgreicher gerichtlicher Anfechtung anzunehmen gewesen wäre. Mit der - durch die Erbin der Verkäuferin
vorgenommenen - vergleichsweisen Bereinigung des Anfechtungsprozesses, es unter Einrechnung des bisher Bezahlten mit einer namhaften "Aufzahlung" des Käufers beim Kauf und dessen Wirkungen zu belassen, sei das Ziel der Anfechtungsklage aufgegeben worden und der Eintritt der Rechtslage unmöglich geworden, die es als einzige gerechtfertigt hätte, die auf dem umstrittenen Sparbuch liegenden Gelder nicht als solche der Erblasserin anzusehen. Die von der Beklagten für die Legatsberechnung in ihrem Sinn monierten Abzugsposten der Rechtsanwaltskosten, von (nicht näher bezeichneten und belegten) Steuernachzahlungen, Kosten des Beistands der Erblasserin und Entrichtung eines anderen Barlegats seien jedoch vom Wortlaut der letztwilligen Anordnung, die den wahren Willen der Erblasserin vollständig zum Ausdruck gebracht habe, nicht umfaßt, weil die ersteren keine Auslagen und Kosten darstellen, die mit dem Todesfall im Zusammenhang stehen, und im jüngeren Kodizill auf das ältere nicht Bedacht genommen worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Beklagten ist teilweise berechtigt.
Wie schon das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, hat sich die Auslegung letztwilliger Verfügung am subjektiven Willen des Testators zu orientieren; das Ziel jeder Auslegung ist die Erforschung des wahren Willens des Erblassers. Dabei sind außerhalb der letztwilligen Verfügung stehende mündliche oder schriftliche Äußerung des Erblassers, aber auch andere in Betracht kommende Umstände mit heranzuziehen (Welser in Rummel2 Rz 7 und 8 zu §§ 552, 553 mwH). Im vorliegenden Fall boten nur die beiden Kodizille die Grundlage für die Ermittlung des erblasserischen Willens. Weitere Anhaltspunkte etwa für eine hypothetische Auslegung und damit zur Beantwortung von Fragen, was die Erblasserin angeordnet hätte, wenn sie im Zeitpunkt der Kodizillerrichtung die Probleme mit dem Hinterlegungssparbuch oder anderen Nachlaßpassiven gekannt hätte, sind nicht gegeben. Daher ist nach der Regel des § 655 ABGB nur der Wortlaut der Kodizille nach der gewÄhnlichen Wortbedeutung maßgeblich (Koziol-Welser II8 318 f). In diesem Sinne sind die von der Erblasserin als Kaufpreiszahlungen abgelehnten Geldleistungen des Käufers durch die Privathinterlegung auf ein, auf die Erblasserin lautendes Einlagebuch noch nicht zu Spargeld der Erblasserin geworden. Es handelt sich dabei um Geld, das nach dem bis zu ihrem Ableben aufrechterhaltenen (und auch im Anfechtungsprozeß vertretenen) Standpunkt der Liegenschaftsverkäuferin nicht ihr, sondern dem Käufer (= Einzahler) zustand; die Erblasserin hat bis zuletzt ihre Rechte an den ihrer Ansicht nach nicht wirksam verkauften Liegenschaftsanteile beansprucht und sie hat darüber auch letztwillige Verfügungen getroffen, sodaß im Sinne der ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes kein Raum für die Überlegung bleibt, wie sie für den Fall verfügt hätte, daß sie diese Liegenschaftsanteile bereits veräußert und dafür Entgeltzahlungen erhalten hätte. Der Willensäußerung der Erblasserin muß vielmehr im Sinne des § 655 ABGB entnommen werden, daß sie im Zeitpunkt ihres Ablebens über ihre Liegenschaftsanteile und nicht über das aus dem nach ihrer Auffassung unwirksamen Kaufvertrag fließende Entgelt verfügen wollte. Die auf ein separates Hinterlegungssparbuch langenden "Kaufpreiszahlungen" stellten daher weder objektiv noch subjektiv Spargeld der Erblasserin im Sinne ihrer Legatsanordnung (Mein Spargeld...) dar.
Es ist daher der Revision insoweit zu folgen und dieses "Sparguthaben" aus der Legatsberechnungsgrundlage bei den Aktiven auszuscheiden, die sich demgemäß richtig bloß auf S 569.004,68 belaufen.
Hingegen ist beiden Vorinstanzen entgegen dem Standpunkt der Revision darin beizupflichten, daß nur die im Kodizill konkret angeführten und die mit dem Ableben der Erblasserin zusammenhängenden Kosten und Auslagen abzugsfähig sind, nicht hingegen alle oder insbesondere die von der Beklagten weiters behaupteten Nachlaßpassiven, die entweder auch beim Fortleben der Erblasserin angefallen wären (Rechtsanwaltskosten, Steuernachzahlungen, Beistandskosten) oder mangels ausdrücklicher Nennung im jüngeren Kodizill die Bemessungsgrundlage der älteren Legatsanordnung auf der Passivseite nicht schmälern können. Demnach war in teilweiser Stattgebung der Revision der Legatsanspruch der Klägerin auf der Grundlage von Aktiven in Höhe von S 569.004,68 sowie Passiven im Betrag von S 129.502,50, somit aus S 439.502,18 durch Drittelung mit S 146.500,72 zu ermitteln. In Anrechnung der Teilzahlung erfolgte demnach der aus dem Spruch ersichtliche weitere Zuspruch samt entsprechenden gesetzlichen Zinsen ab dem Todestag bzw dem Tag der erfolgten Teilzahlung. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO; nach dem Prozeßerfolg von rund 55 : 45 v.H. zugunsten der Klägerin ist die Beklagte zum Ersatz von 10 % der tarifmäßigen Kosten (ausschließlich der Barauslagen) von S 51.380,62 (einschließlich S 5.232,37 Umsatzsteuer) an die Klägerin verhalten. Nach den dargestellten Prozeßerfolgsquoten hat die Beklagte der Klägerin 55 % der in erster Instanz getragenen Barauslagen, hingegen die Klägerin der Beklagten 45 % der in zweiter und dritter Instanz getragenen Barauslagen zu ersetzen; daraus folgt die im Spruch festgelegte Ersatzpflicht der Klägerin.
Anmerkung
E21994European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00546.89.0913.000Dokumentnummer
JJT_19900913_OGH0002_0080OB00546_8900000_000