TE OGH 1990/9/18 4Ob549/90

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Veröffentlicht am 18.09.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid M***, Angestellte, Graz, Moserhofgasse 32, vertreten durch Dr.Gerhard Waisocher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Luise P***, Pensionistin, Graz, Babenbergerstraße 123, vertreten durch Dr.Andreas Konrad, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 77.303,11 sA (Revisionsstreitwert S 61.724,83) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 28.März 1990, GZ 3 R 87/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13.November 1989, GZ 8 C 628/88y-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in Ansehung der Abweisung eines Teilbegehrens von S 61.724,83 sA einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Mietvertrag vom 10.2.1971 vermieteten die Rechtsvorgänger der Klägerin der Beklagten ab 1.3.1971 eine Wohnung des Hauses Graz, Babenbergerstraße 123, im Ausmaß von 56,36 m2. In dem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag wurde ein Pauschalmietzins von S 500,-- monatlich vereinbart, in welchem auch die Instandhaltungs- und die Betriebskosten inbegriffen sind; der Pauschalmietzins wurde nach dem Verbraucherpreisindex wertgesichert. Außerdem vereinbarten die Parteien, daß die Mieterin auch zu den notwendigen größeren Reparaturen im Haus mit einem dem Betriebskostenschlüssel entsprechenden Anteil beizutragen habe, falls der Mietvertrag länger als 10 Jahre - also über den 28.2.1981 hinaus - aufrecht bleiben sollte.

Mit Entscheidung der Schlichtungsstelle des Magistrates Graz vom 29.6.1984, A 21/II-371 c/1984, wurde gemäß § 18 Abs 2 MRG der von der Beklagten zu zahlende Hauptmietzins für die Zeit vom 1.8.1984 bis 31.7.1994 unter Zugrundelegung eines Kategorie-Hauptmietzinses von S 6,10/m2 = S 343,80 um S 927,12 auf insgesamt S 1.270,92 monatlich erhöht. Mit der weiteren Entscheidung der Schlichtungsstelle des Magistrates Graz vom 10.10.1985 A 21/II-K-371c/1984, wurde der von der Beklagten zu leistende Hauptmietzins für die Zeit vom 1.11.1985 bis 31.7.1994 auf S 23,43 je m2 pro Monat erhöht, so daß der Hauptmietzins S 1.664,31 und zuzüglich 10 % Umsatzsteuer S 1.830,74 beträgt. Der Hausverwalter schrieb der Beklagten bis zuletzt monatlich einen Betrag von S 1.398,01 (S 1.270,92 plus 10 % Umsatzsteuer) vor. Die Klägerin begehrt von der Beklagten für die Zeit vom 1.8.1984 bis 31.12.1988 an Hauptmietzins (nunmehr S 343,80) samt Erhöhungsbeträgen laut Bescheiden der Schlichtungsstelle, 10 % Umsatzsteuer und anteiligen Betriebskosten unter Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlungen einen Betrag von insgesamt S 77.303,11 samt 8,75 % Zinsen seit 20.10.1988, in eventu die Zahlung von S 122.550,69 sA. Durch die Entscheidung der Schlichtungsstelle sei die Pauschalmietzinsvereinbarung außer Kraft getreten, so daß die Beklagte auch zur Zahlung der Betriebskosten verpflichtet sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Entscheidungen der Schlichtungsstelle die Pauschalzinsvereinbarung nicht berührt hätten. Die Beklagte habe die vom Hausverwalter vorgeschriebenen Beträge stets gezahlt; auf eine höhere Vorschreibung habe die Klägerin verzichtet. Außerdem werde Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Vereinbarung eines Pauschalzinses lasse eine gesonderte Einhebung der Betriebskosten nicht zu. Die von der Schlichtungsstelle vorgenommene Aufteilung des Pauschalzinses in Hauptmietzins und Betriebskosten sei nur fiktiv; sie gebe dem Vermieter nicht das Recht, die gesetzlichen Betriebskosten gesondert einzuheben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und sprach ihr S 15.578,28 samt 4 % Stufenzinsen zu; das Mehrbegehren von S 61.724,83 samt Stufenzinsen blieb abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Durch die Unterlassung des Einhebens der von der Schlichtungsstelle festgesetzten höheren Mietzinse habe die Klägerin auf diese Beträge nicht schlüssig verzichtet. Sie könne daher den Unterschiedsbetrag zwischen dem gezahlten und dem festgesetzten Hauptmietzins (S 1.830,74 minus S 1.398,01 = S 432,73 monatlich) für die Zeit ab Jänner 1986, zusammen sohin S 15.578,28 fordern; die früher fällig gewordenen Beträge seien gemäß § 1486 Z 4 ABGB verjährt. Zwischen den Streitteilen sei ein echter Pauschalmietzins vereinbart worden, der eine gesonderte Einhebung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben nicht zulasse; die Klägerin habe vielmehr das Risiko vorhersehbarer Erhöhungen der sie treffenden Lasten voll zu tragen. Die Entscheidungen der Schlichtungsstelle hätten die Pauschalzinsvereinbarung nicht berührt.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision; sie beantragt, die angefochtene Entscheidung in ihrem abweisenden Teil "zu beheben" (richtig: abzuändern) und ihr die gesamte Klageforderung zuzusprechen. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung sinngemäß die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage, wie eine durch eine Wertsicherungsklausel modifizierte Pauschalmietzinsvereinbarung auszulegen ist, wegen der Häufigkeit von Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen eine über den vorliegenden Fall hinausreichende Bedeutung hat, auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Vorinstanzen haben zwar richtig erkannt, daß eine echte Pauschalmietzinsvereinbarung eine gesonderte Einhebung der Betriebskosten und der öffentlichen Abgaben nicht zuläßt; dem Wesen einer solchen Pauschalmietzinsvereinbarung entspricht es vielmehr, daß der Vermieter das Risiko vorhersehbarer Erhöhungen der ihn treffenden Lasten (Betriebskosten und öffentlichen Abgaben) voll zu tragen hat (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht 132; Palten, ImmZ 1985, 394 Ä395, 422Ü; MietSlg 30.331; 36.130; 37.127 = RdW 1986, 143; ebenso LGZ Wien, MietSlg 37.374/52; vgl. auch MietSlg 31.176).

Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor, haben doch die Parteien im Mietvertrag das den Vermieter treffende Risiko vorhersehbarer Erhöhungen der ihn treffenden Lasten in zweierlei Hinsicht eingeschränkt und damit im voraus den Fall höherer, mit der Vermietung verbundener Kosten ausdrücklich bedacht: Sie haben einerseits den Mietzins nach dem Verbraucherpreisindex wertgesichert vereinbart, andererseits aber für den Fall, daß das Mietverhältnis länger als 10 Jahre dauern sollte, eine Beteiligung der Mieterin an den dann notwendigen größeren Reparaturen im Außmaß des Betriebskostenschlüssels festgesetzt. Da von dieser Vereinbarung nur der Hauptmietzins (aus dem die Instandhaltungskosten zu decken sind) betroffen war, setzt sie für die Zeit nach Ablauf der zehnjährigen Vertragsdauer notwendig eine fiktive Aufspaltung des Mietzinses in Hauptmietzins und Betriebskosten (samt laufenden öffentlichen Abgaben) voraus, zu welcher aber der Vertrag keine näheren Regelungen enthält. Daß die Klägerin überdies das Risiko steigender Betriebskosten schon ab Vertragsbeginn nicht allein tragen wollte, ergibt sich aus der vereinbarten Wertsicherung des Pauschalmietzinses, der ausdrücklich auch die Betriebskosten enthielt.

Nun sind zwar die gesetzlichen Betriebskosten - sieht man von der Möglichkeit der Einhebung eines Pauschales gegen spätere Verrechnung gemäß § 21 Abs 3 MRG ab - stets mit den tatsächlich anfallenden Beträgen vorzuschreiben, so daß eine Vereinbarung, die den Mieter ohne Rücksicht auf tatsächlich eingetretene Betriebskostenerhöhungen zur Zahlung von Aufwertungsbeträgen auf der Basis der bisherigen Betriebskosten verpflichtet, unwirksam wäre; die vereinbarte Wertsicherung des auch Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben enthaltenden Pauschalmietzinses ist aber so weit gültig, als die sich daraus ergebenden Steigerungsbeträge in den jeweiligen tatsächlichen Erhöhungen der Betriebskosten Deckung finden. Auch dieser Betrag läßt sich nur ermitteln, wenn der Pauschalmietzins in einen darin ursprünglich enthaltenen fiktiven Hauptmietzins- und einen Betriebskostenanteil aufgespalten wird. Da der Parteiwille der Vertragspartner jedenfalls dahin ging, daß die Beklagte trotz Vereinbarung eines Pauschalmietzinses im Ausmaß der vereinbarten Wertsicherungen an den den Vermieter treffenden Erhöhungen der Betriebskosten und öffentlichen Lasten und nach 10 Jahren außerdem an den Instandhaltungskosten teilnehmen sollte, ist der Mietvertrag in ergänzender Auslegung dahin zu verstehen, daß in dem am 10.2.1971 vereinbarten Pauschalmietzins von S 500,-- die am 1.3.1971 für das Mietobjekt geltenden gesetzlichen Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben, die nach dem Betriebskostenschlüssel auf das Mietobjekt der Beklagten entfielen ("Betriebskostenanteil"), enthalten waren und nur der Rest auf den Hauptmietzins entfiel. Diesen "Betriebskostenanteil" durfte die Klägerin nach dem vereinbarten Verbraucherpreisindex jährlich insoweit aufwerten, als die Steigerungsbeträge durch tatsächliche Erhöhungen der gesetzlichen Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben gedeckt waren.

Vor dem 1.8.1984 angefallene Betriebskosten sind allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens. Seither ergibt sich aber eine allfällige weitere Begrenzung der Einhebung höherer Betriebskosten im Umfang der vereinbarten Wertsicherungsklausel dadurch, daß die Schlichtungsstelle des Stadtmagistrats Graz für das Mietobjekt einen Kategoriemietzins von S 343,80 monatlich festgesetzt hat, was von den Parteien nicht angefochten wurde. Für die Tilgung von Betriebskosten steht daher seit diesem Zeitpunkt - unabhängig davon, wie das fiktive Verhältnis zwischen Hauptmietzins und Betriebskosten vorher war - nur der Differenzbetrag zwischen dem nach dem Verbraucherpreisindex aufgewerteten Pauschalzins von S 500,-- und dem Kategorienmietzins von S 343,80 (bzw dem jeweils geltenden höheren Kategoriemietzins gemäß § 16 Abs 4 MRG) zur Verfügung. Im Umfang dieser Differenz ist die Klägerin berechtigt, seit Jänner 1986 fällig gewordene gesetzliche Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben bis zur Höhe der tatsächlich angefallenen Beträge geltend zu machen; vorher fällig gewordene Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben sind verjährt.

Die Vertragsauslegung der Vorinstanzen würde dazu führen, daß die Klägerin überhaupt keine Betriebskosten mehr verrechnen dürfte, obwohl solche im ursprünglichen Pauschalmietzins enthalten waren und die Entscheidung der Schlichtungsstelle nur den Hauptmietzins, nicht aber die übrigen Zinsbestandteile betroffen hat; daß aber die Übernahme eines derartigen Risikos nicht Absicht der Parteien war, geht aus der zweifachen Beschränkung der Pauschalzinsvereinbarung deutlich hervor.

Da die Ermittlung der der Klägerin nach diesen Grundsätzen gebührenden Beträge eine Verhandlung in erster Instanz - allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen - erfordert, ist auch das Urteil der ersten Instanz innerhalb der Grenzen des Revisionsantrages aufzuheben und die Streitsache an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 ZPO).

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21663

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00549.9.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19900918_OGH0002_0040OB00549_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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