Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Rudda und Dr. Franz Trabauer (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton W***, Pensionist, 3580 Horn, Frauenhofnerstraße 15, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W*** (Landesstelle Niederösterreich), 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage und Aufrechnung eines Vorschusses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 1990, GZ 34 Rs 60/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13.November 1989, GZ 16 Cgs 230/89-6, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Dem Kläger gebührt zur Erwerbsunfähigkeitspension vom 1.1. bis 31.12.1987 eine Ausgleichszulage von S 4.597,10 (brutto) monatlich. Der für das Jahr 1987 bezogene Vorschuß an Ausgleichszulage wird mit der zu erbringenden Leistung aufgerechnet.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, bereits fällig gewordene Beträge an Ausgleichszulage nachzuzahlen und die bereits einbehaltenen Beträge zurückzuzahlen, wird abgewiesen".
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft seit 1.2.1983 eine Erwerbsunfähigkeitspension samt Kinderzuschuß für ein Kind. Die Pension betrug ohne Kinderzuschuß im Jahr 1987 2.894,90. Weil das Nettoeinkommen seiner mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin aus deren Gewerbebetrieb damals noch nicht feststellbar war, gewährte die beklagte Partei dem Kläger vom 1.1. bis 31.12.1987 Vorschüsse auf die Ausgleichszulage von S 4.597,10 monatlich (Bescheid vom 19.2.1988).
Mit Bescheid vom 3.8.1989 stellte die beklagte Partei fest, daß dem Kläger vom 1.1. bis 31.12.1987 eine Ausgleichszulage von monatlich S 762,90 gebühre. Weiter wurde der auf Grund des Ausgleichszulagen-Jahresausgleiches ermittelte Erstattungsbetrag mit S 7.668,40 ermittelt und ausgesprochen, daß der Vorschuß gegen die Nachzahlung aufgerechnet und der zuviel bezogene Vorschuß von insgesamt S 44.630,50 mit der zu erbringenden Leistung verrechnet werde.
Die dagegen rechtzeitig erhobene, auf Gewährung einer Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ohne Anrechnung des in der Bilanz aufscheinenden Betrages für Privatentnahmen, Nachzahlung der fällig gewesenen Beträge und Abstandnahme von der Verrechnung von S 44.630,50 gerichtete Klage stützt sich darauf, daß der Spielwarenhandel der Ehegattin des Klägers im Jahr 1987 einen Verlust von S 93.235,-- erbracht habe. Für dieses Jahr dürfte daher keinerlei Einkommen der Ehegattin aus ihrem Gewerbebetrieb berücksichtigt werden, wenngleich sie Privatentnahmen durchgeführt habe, die aber durch einen Gewinn nicht gedeckt seien. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete dagegen im wesentlichen ein, daß wegen der Privatentnahmen im Jahr 1987 von S 46.010,75 ein monatliches Einkommen der Ehegattin des Klägers von S 3.834,20 (das ist 1/12 der Entnahmen) zu berücksichtigen sei. Die vorschußweise bezogene Ausgleichszulage von S 4.597,10 monatlich verringere sich daher um monatliche Einkünfte von S 3.834,20 auf S 762,90 monatlich.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger "eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ohne Anrechnung des im Jahresabschluß der Fa. Inge W***, Spielwaren, 3580 Horn, für 1987 aufscheinenden Betrages für Privatentnahmen, das sind S 46.010,75 zu bezahlen, die bereits fällig gewordenen Beträge nachzuzahlen sowie von der Verrechnung des Betrages von insgesamt S 44.630,50 auf die zu erbringende Leistung Abstand zu nehmen, all dies für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1987." Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die bereits einbehaltenen Beträge zurückzuzahlen, wurde abgewiesen. Das Erstgericht stellte fest, daß die Gattin des Klägers, mit der dieser im gemeisamen Haushalt lebt, in Horn einen Spielwarenhandel betreibt, welcher Gewerbebetrieb im Jahr 1987 einen Verlust von S 93.235,-- erwirtschaftete. Aus dem Jahresabschluß für 1987 sind Privatentnahmen der Gattin des Klägers von S 46.010,75 ersichtlich. Im Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Horn für das Jahr 1987 wird der oben genannte Verlust ausgewiesen.
In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes führte das Erstgericht aus, anrechenbares Nettoeinkommen iS des § 149 Abs 3 GSVG könne nur ein Aktivsaldo sein. Die im gemeinsamen Haushalt mit dem Kläger lebende Ehegattin beziehe daher kein Nettoeinkommen in diesem Sinn.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil, das in seinem klageabweisenden Teil als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb und in seinem klagsstattgebenden Teil im übrigen bestätigt wurde, lediglich dahin ab, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, bereits fällig gewordene Beträge an Ausgleichszulage nachzuzahlen, abgewiesen wurde. Die von der Ehegattin des Klägers getätigten Entnahmen stellten, auch wenn man steuerrechtliche Grundsätze außer acht lasse, kein Einkommen iS des § 149 Abs 3 GSVG dar. Privatentnahmen erhöhten zwar zunächst die dem Ausgleichszulagenbezieher bzw dem Ehegatten zur Lebensführung zur Verfügung stehenden Mittel, sie führten jedoch zu einer Verminderung des Betriebsvermögens. Laufende Einnahmen ohne entsprechenden Ausgleich durch Einlagen bzw durch nicht entnommene Gewinne bewirkten auf längere Sicht eine Aushöhlung des Betriebsvermögens. Der Pensionsbezieher sei aber zum vorherigen Einsatz seines gesamten verwertbaren Vermögens als Anspruchsvoraussetzung auf Ausgleichszulage nicht verpflichtet. Selbst wenn der Pensionsbezieher sein Unternehmen verkaufe, so stelle der vereinbarte Kaufpreis kein Einkommen iS des § 149 Abs 1 GSVG dar. Es liege kein Grund vor, Entnahmen anders zu behandeln als etwa die Veräußerung von Betriebsvermögen. Beide Vorgänge stellten nicht die Erzielung eines Einkommens, sondern die Verwertung des Vermögensstammes dar. Die im Jahresabschluß aufscheinenden Entnahmen seien daher nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Die Berufung sei nur insoweit berechtigt, als sie sich gegen die Verpflichtung zur Nachzahlung bereits fällig gewordener Beträge richte. Wie nämlich aus dem Bescheid der beklagten Partei vom 19.12.1988 ersichtlich sei, sei die Ausgleichszulage ab 1.1.1987 als verrechenbarer Vorschuß bezahlt worden und zwar ohne Berücksichtigung eines Einkommens iS des § 149 GSVG. Die von der beklagten Partei endgültig zu erbringende Leistung decke sich daher mit der vorschußweise erbrachten Leistung, so daß sie keine Nachzahlungspflicht mehr treffe. Bei dieser besonderen Sachlage sei es auch entbehrlich, im Urteilsspruch die Höhe der gebührenden Ausgleichszulage anzuführen.
Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Klagsabweisung und -stattgebung nur im Umfang des angefochtenen Bescheides.
Der Kläger beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Die Revisionswerberin vertritt nach wie vor die Auffassung, die entnommenen Wirtschaftsgüter würden durch den Entnahmevorgang aus dem Betriebsvermögen ausscheiden und müßten daher bei der Ermittlung der auf die Ausgleichszulage anzurechnenden Einkünfte losgelöst von den Einkünften aus dem Betrieb berücksichtigt werden, auch wenn dieser Betrieb negativ bilanziere. Ungeachtet des buchmäßigen Verlustes des Betriebes müsse im Ausgleichszulagenrecht berücksichtigt werden, daß der Kläger und seine Gattin tatsächlich Mittel zur Lebensführung aus dem Gewerbebetrieb entnommen hätten, die anderen Ausgleichszulagenbeziehern nicht zur Verfügung stünden. Dieser Umstand sei in dem vom Fürsorgegedanken beherrschten Ausgleichszulagenrecht ausschlaggebend.
Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Wie der Oberste Gerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 26.6.1990, 10 Ob S 245/90, in einem Verfahren, an dem die beklagte Partei und ihr nunmehriger Vertreter beteiligt waren, mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, sind Entnahmen für die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns eine rechnerische Größe in dem Sinn, daß damit die hierauf zurückgehende und daher nicht betriebsbedingte Minderung des Betriebsvermögens oder - bei Ermittlung des Gewinnes nach § 4 Abs 3 EStG 1988 - der hierauf entfallende Teil der Ausgaben als nicht betriebsbedingt ausgeglichen werden soll. Entnahmen sind wirtschaftlich gesehen auf die Höhe des erzielten Gewinns ohne Einfluß und sagen daher hierüber nichts aus. Übersteigen die Entnahmen den Gewinn, wird damit die Substanz des Unternehmens verringert. Ebensowenig wie bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage vom Pensionsberechtigten oder seiner Ehefrau bezogenen Kapitalsbeträge als Einkommen zu berücksichtigen sind, wäre die Berücksichtigung von Entnahmen, denen nicht ein entsprechender Gewinn gegenübersteht, sachgerecht. Anders als etwa im Unterhaltsrecht werden im Ausgleichszulagenrecht Vermögenswerte, die keinen Ertrag abwerfen, nicht berücksichtigt; der Rentner oder Pensionist ist auch nicht gehalten, Vermögenswerte so einzusetzen, daß daraus Einkünfte erzielt werden. Daher ist im Ausgleichszulagenrecht bei selbständig Erwerbstätigen grundsätzlich vom steuerlichen Gewinn, vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge, auszugehen. Denn ohne Schmälerung der Substanz steht dem Rentner oder Pensionisten nur dieser ausgewiesene Gewinn vermindert um die gesetzlichen Abzüge zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zur Verfügung.
Bei Feststellung des Anspruchs des Klägers auf Ausgleichszulage für das Jahr 1987 ist daher kein Einkommen der Ehegattin zu berücksichtigen. Deshalb gebührt ihm für dieses Jahr eine Ausgleichszulage von S 4,597,10 (brutto) monatlich; sie war für das Jahr 1987 mit diesem Betrag festzustellen. Sie entspricht auch genau den von der beklagten Partei für diesen Zeitraum erbrachten Vorschüssen an Ausgleichszulage, weshalb in diesem Jahr ein Überbezug an Ausgleichszulage nicht entstand. Die beklagte Partei durfte jedoch die Vorschüsse nach § 71 Abs 1 Z 3 GSVG auf die von ihr zu erbringenden Geldleistungen aufrechnen, was im vorliegenden Fall zu einer Tilgung der Schuld führt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die beklagte Partei keine Nachzahlungspflicht mehr trifft. Sie war daher weder schuldig zu erkennen, dem Kläger "eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen", noch von der Verrechnung der vorschußweise bezahlten Ausgleichszulagenbeträge Abstand zu nehmen. In diesem Sinn war der Revision teilweise Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen waren wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.
Anmerkung
E21771European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00271.9.0918.000Dokumentnummer
JJT_19900918_OGH0002_010OBS00271_9000000_000