TE OGH 1990/9/18 4Ob125/90

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Veröffentlicht am 18.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "H*** & G***" Immobilien-Verwaltungsgesellschaft mbH, Linz, Landstraße 84, vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Hermann S*** Gesellschaft mbH, Wien 3, Dampfschiffstraße 6, vertreten durch Dr.Werner Mäntler und Dr.Michael Mäntler, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 750.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 1. Juni 1990, GZ 3 R 63/90-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 16.Februar 1990, GZ 18 Cg 12/90-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 32.997,60 (darin enthalten S 5.499,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist unter der Firma "H*** & G***" Immobilien-Verwaltungsgesellschaft mbH seit 24.4.1975 im Handelsregister des Landesgerichtes Linz zu HRB 1477 protokolliert; ihr Sitz ist Linz. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Ausübung des Handelsgewerbes des Immobilienverwalters, des Immobilienmaklers und des Vermögensberaters.

Die Beklagte übt das Immobilienmaklergewerbe aus. Mit Inseraten in der Tageszeitung "K***" vom 4.11.1989, 9.12.1989, 16.12.1989 und 20.1.1990 bot die Beklagte Liegenschaften zum Kauf an. In dem Inserat vom 4.11.1989 bezeichnete sie sich als "H. S*** Immobilien, Zweigstelle Haus & Grund", in den weiteren Inseraten als "Kanzlei S***, Abt. H*** & G***"; in diesen Inseraten waren die Worte "Haus & Grund" durch Großbuchstaben gegenüber der Bezeichnung "Kanzlei S***" hervorgehoben.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "Haus & Grund" zu verwenden. Durch die unbefugte Benützung des Firmenschlagwortes der Klägerin führe die Beklagte die Gefahr von Verwechslungen mit dem Unternehmen der - in ganz Österreich tätigen - Klägerin herbei; sie verstoße damit gegen § 9 UWG. Darüber hinaus führe die Verwendung des Firmenschlagwortes der Klägerin die Leser der Inserate dadurch in Irrtum, daß der Anschein erweckt werde, die Klägerin sei eine Tochtergesellschaft der Beklagten. Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Die Wortverbindung "Haus & Grund" sei für den geschäftlichen Verkehr der Immobilienverwalter und Immobilienmakler zur Bezeichnung ihrer Tätigkeit unentbehrlich; sie dürfe daher für ein einzelnes Unternehmen nicht monopolisiert werden. Zwischen den Streitteilen bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, weil sich der Tätigkeitsbereich der Beklagten auf Immobilien im Bereich von Wien und in den umliegenden Orten erstrecke, die Klägerin aber in diesem Bereich noch nie in Erscheinung getreten sei. Die Beklagte habe nicht nur die Bezeichnungen "H. S*** Immobilien, Zweigstelle Haus & Grund" oder "Kanzlei S***, Abt. H*** & G***", sondern auch die Bezeichnung "(Immobilien) Kanzlei S***" ohne jeden Zusatz verwendet; sie sei daher den Lesern des "K***" bekannt, so daß auch keine Gefahr von Verwechslungen gegeben sei. Der Eindruck, daß die Klägerin eine Tochtergesellschaft der Beklagten sei, könne gar nicht entstehen, weil die Inserate der Beklagten immer den - in der Firma der Klägerin nicht aufscheinenden - Zusatz "Immobilien" bzw. "Kanzlei S***" enthalten hätten.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Wortverbindung "Haus & Grund" sei zwar ein schwaches Zeichen, aber doch kennzeichnungskräftig; auch die Gefahr von Verwechslungen sei zu bejahen. Der Schutz des § 9 UWG sei jedoch örtlich auf jenes Gebiet beschränkt, in dem das Zeichen als Kennzeichen eines Unternehmens angesehen werde. Da die Klägerin die Behauptung, daß sich ihre Tätigkeit auf ganz Österreich erstrecke, nicht bescheinigt habe, könne eine Verletzung der Schutzrechte an ihrer Firma nicht als bescheinigt angenommen werden.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Den Schutz nach § 9 UWG genieße nicht nur der volle Firmenwortlaut, sondern auch ein Firmenbestandteil, sofern er Namensfunktion habe. Wenngleich die der Umgangssprache angehörenden Wörter "Haus" und "Grund" für sich allein nicht unterscheidungskräftig seien, müsse doch der Wortverbindung "Haus & Grund" namensmäßige Unterscheidungskraft zugebilligt werden; sie werde vom Verkehr als eigenartige phantasievolle Wortneubildung und daher als individueller Herkunftshinweis aufgefaßt. Der Schutz von Unternehmensbezeichnungen könne zwar niemals weiter gehen, als die Kennzeichnungskraft reiche; daß die Klägerin ein in Linz protokolliertes Unternehmen sei, besage aber noch nicht, daß der Schutz ihres Firmenschlagwortes örtlich auf Linz beschränkt wäre. Der Schutz des § 9 UWG sei weder auf Fälle aktuellen Wettbewerbs beschränkt, noch setze er ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen voraus. Bei der Prüfung des Schutzbereiches einer Unternehmensbezeichnung unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr sei auch nicht allein vom gegenwärtigen Umfang des Tätigkeitsbereiches auszugehen; auch das Interesse an einer nicht bloß theoretischen, sondern nach dem Gegenstand des Geschäftsbetriebes jederzeit möglichen künftigen Ausdehnung der geschäftlichen Tätigkeit sei zu berücksichtigen, wenn es nach Lage des Falles nicht gänzlich fern liege. Unter diesem Gesichtspunkt bestehe zumindest im Provisorialverfahren kein Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin ihre Tätigkeit auf den Raum Linz beschränken wolle, auch wenn sie nicht bescheinigt habe, daß sich ihre Tätigkeit tatsächlich auf ganz Österreich erstrecke. Auch die Verwechslungsgefahr sei zu bejahen, weil die von der Beklagten gewählten Zusätze "Zweigstelle" und "Abteilung" den Eindruck besonderer Beziehungen oder Zusammenhänge zwischen den Unternehmen der Streitteile nicht verhindern könnten. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Beklagte hält in ihrem Revisionsrekurs an der Auffassung fest, daß die Wortverbindung "Haus & Grund" wegen ihrer Zusammensetzung aus zwei Wörtern der Umgangssprache, an denen ein unbedingtes Freihaltebedürfnis bestehe, absolut schutzunfähig sei. Selbst wenn man aber dieser Bezeichnung Namensfunktion zubilligen wollte, würde sich der Schutzbereich dieses Firmenbestandteils der Klägerin nicht auf den örtlichen Tätigkeitsbereich der Beklagten (Wien und Umgebung) erstrecken. Auch eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben, weil die Klägerin ihren Firmenbestandteil "Haus & Grund" nicht nur durch die Kleinschreibung des Wortes "Haus", sondern auch bildlich durch eine Art "Überdachung" dieses Wortes hervorhebe und damit wie eine Wort-Bild-Marke verwende. Diese Ausführungen sind im Ergebnis berechtigt:

Vom Zeichenschutz nach Wettbewerbsrecht sind - im Hinblick auf die Bedürfnisse des Verkehrs - nur solche Zeichen ausgeschlossen, die zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich sind; hingegen können Worte, die zwar - für sich gesehen - keine Unterscheidungskraft haben, weil sie ausschließlich beschreibende Angaben im Sinn des § 4 Abs 1 Z 2 MSchG enthalten, bei entsprechender Verkehrsgeltung den Schutz nach § 9 Abs 3 UWG erlangen (ÖBl 1976, 154; ÖBl 1980, 13; ÖBl 1981, 106; ÖBl 1985, 11; ÖBl 1986, 127; ÖBl 1987, 24; ÖBl 1989, 52). Das gilt auch für einen Firmenbestandteil, der für sich allein oder in Zusammenhang mit Zusätzen, die bei seinem Gebrauch verwendet werden, die Eigenschaft hat, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen (ÖBl 1986, 127; ÖBl 1989, 52). Auch eine Kombination an sich nicht unterscheidungskräftiger Worte kann schutzfähig sein, wenn und soweit die Verbindung als Ganzes nicht der Umgangssprache angehört, sondern im Verkehr als eigenartige sprachliche Neubildung aufgefaßt wird, in welcher die sonst gebräuchliche Bedeutung der einzelnen Wörter so in den Hintergrund tritt, daß die Wortverbindung geeignet ist, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen und es von anderen zu unterscheiden (ÖBl 1976, 77; ÖBl 1979, 47; ÖBl 1979, 77; ÖBl 1981, 104; ÖBl 1986, 72; ÖBl 1986, 127; ÖBl 1989, 52). Ob auch an der Wortverbindung "Haus & Grund" im Gewerbe der Liegenschaftsverwalter und Liegenschaftsmakler ein absolutes Freihaltebedürfnis besteht oder ob ihr im Sinne der dargestellten Grundsätze Namensfunktion zukommt, brauch aber im vorliegenden Fall nicht untersucht zu werden; für eine Tätigkeit im Rahmen dieser Gewerbe könnte eine solche Wortverbindung wegen ihres rein beschreibenden Charakters jedenfalls nur eine sehr schwache Kennzeichnungskraft haben. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 59/157; ÖBl 1976, 41; ÖBl 1977, 126; ÖBl 1979, 45; ÖBl 1980, 135; ÖBl 1984, 106; ÖBl 1989, 52) muß aber der Schutz sogenannter "schwacher Zeichen" einschränkend beurteilt werden: Zwar ist die unveränderte, buchstabengetreue Übernahme durch einen Konkurrenten auch bei einem solchen Zeichen in jedem Fall unzulässig; schon geringfügige Abweichungen können aber die Gefahr von Verwechslungen beseitigen (SZ 59/157; ÖBl 1984, 104). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bei jedem der beanstandeten Inserate die Worte "Haus & Grund" mit den Bezeichnungen "H. S*** Immobilien" oder "Kanzlei S***" verbunden und durch diesen deutlichen Hinweis auf ihr Unternehmen jede Gefahr von Verwechslungen mit dem Unternehmen der Klägerin vermieden. Die weiteren in diesem Zusammenhang verwendeten Wörter "Abt." und "Zweigstelle" sind unter diesen Umständen nicht geeignet, einen Zusammenhang mit dem Unternehmen der Klägerin herzustellen. Welche von der Verwechslungsgefahr nicht erfaßte, zusätzliche Irreführungseignung aber mit dem Gebrauch dieses Zeichens durch die Beklagte verbunden sein sollte, ist nicht ersichtlich. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E21688

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00125.9.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19900918_OGH0002_0040OB00125_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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