TE OGH 1990/9/19 3Ob566/90

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Angst, Dr. Schalich und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 14.Juni 1989 verstorbenen Gerhard P***, wohnhaft gewesen in Wiener Neustadt, Günserstraße 3 F/2/3, infolge Revisionsrekurses der Erbin Helga P***, Näherin, Wiener Neustadt, Günserstraße 3 F/2/3, vertreten durch Dr. Gerhard Trenker, öffentlicher Notar, Wiener Neustadt, Hauptplatz 19, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 18.Mai 1990, GZ R 181/90-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 20. März 1990, GZ A 711/89-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Unter Berufung auf eine ihm erteilte Vollmacht im Sinne des § 30 Abs 2 ZPO beantragte ein öffentlicher Notar als Vertreter der Witwe des Erblassers die schriftliche Abhandlungspflege. Die ihm aufgetragene Vorlage einer schriftlichen Vollmacht lehnte der öffentliche Notar ab.

Das Erstgericht ließ daraufhin die Führung der Abhandlungspflege durch diesen Notar mangels ausgewiesener Vollmacht nicht zu, sondern verfügte die Übermittlung des Verlassenschaftsaktes an den zuständigen Gerichtskommissär zur Abhandlungspflege. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes unterließ das Gericht zweiter Instanz.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen waren der Auffassung, daß zwar die Bestimmung des § 30 Abs 2 ZPO grundsätzlich auch im Außerstreitverfahren angewendet werden könne. Die gemäß § 1008 ABGB für die Abgabe einer Erbserklärung nötige Spezialvollmacht könne jedoch nicht durch eine bloße Berufung auf die erteilte Vollmacht nachgewiesen werden. Der Revisionsrekurs der Erbin ist berechtigt.

Der erkennende Senat schließt sich der in JBl 1987, 258 (= 8 Ob 588/86) vertretenen Auffassung an, daß auch im Außerstreitverfahren die Berufung des einschreitenden Rechtsanwalts oder Notars auf die ihm erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt. § 30 Abs 2 ZPO ist analog anzuwenden (Petrasch ÖJZ 1985, 259).

Es ist zwar richtig, daß gemäß § 1008 ABGB die unbedingte Annahme einer Erbschaft die besondere auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht erfordert. Das ändert aber nichts daran, daß der einschreitende Rechtsanwalt oder Notar sich im Sinne des § 30 Abs 2 ZPO auch auf eine ihm erteilte solche besondere Vollmacht berufen kann. Die bisherige Erklärung des Notars wäre daher unzureichend, es müßte vielmehr ausdrücklich gesagt werden, daß eine besondere Vollmacht für die Abgabe der Erbserklärung in dieser ganz besonderen Verlassenschaftssache erteilt worden sei, aber eine solche besondere Vollmacht muß nicht vorgelegt werden, sondern es genügt, wenn sich der Notar auf sie beruft. Da derzeit nur ein Antrag auf schriftliche Abhandlungspflege vorliegt, genügt aber in diesem Verfahrensstadium schon die bisherige Erklärung. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag der Alleinerbin auf Durchführung der schriftlichen Abhandlung zurückzuverweisen. Dabei wird das Erstgericht zu prüfen haben, ob die schriftliche Abhandlungspflege gemäß § 117 AußStrG nur von allen "Erben" zu beantragen ist, oder ob im Sinne des § 9 KoärG alle "Parteien", also auch die Noterbin Birgit P***, am Antrag auf schriftliche Abhandlungspflege beteiligt sein müssen (so NZ 1986, 132, gegenteilig jedoch 2 Ob 513/88).

Anmerkung

E21646

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00566.9.0919.000

Dokumentnummer

JJT_19900919_OGH0002_0030OB00566_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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