TE OGH 1990/9/19 3Ob62/90

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Angst, Dr. Schalich und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut S***, Kaufmann, Götzens, Bachweg 1, vertreten durch Dr. Josef Harthaller und Dr. Bernd Schön, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö***

C*** AG, Innsbruck, Postfach 506, vertreten durch

Dr. Gerald Hauska und Dr. Herbert Matzunsky, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert für RAT S 100.000,--, für Gebühren S 6.000,--) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26.Jänner 1990, GZ 1 a R 587/89-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 19.September 1989, GZ 20 C 1024/89b-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.714,80 (darin S 1.285,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.629,60 (darin S 771,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Eigentümer von 25 % der Anteile der Firma R*** Gesellschaft mbH (im folgenden R***). Er unterfertigte am 12.5.1986 zur Besicherung eines der Firma R*** von der beklagten Partei eingeräumten Kontokorrentkredites eine "Bürgschaftserklärung" mit folgendem auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:

"..... Sie (gemeint ist die beklagte Partei) sind berechtigt, der Firma R*** Zahlungsfristen und Kreditverlängerungen nach eigenem Ermessen zu gewähren oder mit ihr bezüglich der Tilgung dieser Forderung einen Vergleich zu schließen, ohne daß mir hiedurch Einwendungen gegen Ihre wider mich zu erhebenden Ansprüche zustehen

....."

Darüber hinaus wurden in diesem Zusammenhang keine weiteren (mündlich oder schriftlichen) Erklärungen abgegeben. In der Folge geriet die Firma R*** in Zahlungsschwierigkeiten und war nicht mehr in der Lage, den Außenstand aus dem oben erwähnten Kontokorrentkreditverhältnis abzudecken. Die Beklagte erwirkte daher gegen die Firma R*** und den Kläger zu 18 Cg 598/86-3 des Landesgerichtes Innsbruck am 20.1.1987 gleichlautende Versäumungsurteile über den Restbetrag von S 552.914,30 s.A. In der Folge erzielte die Firma R*** mit ihren Gläubigern einen außergerichtlichen Ausgleich, in dem sie sich zur Zahlung einer 45 %igen Quote verpflichtete. Die beklagte Partei erteilte hiezu ihre Zustimmung mit Schreiben vom 1.2.1988, worin sie unter anderem festhielt:

"..... Im vorliegenden Fall verzichtet meine Mandantschaft auch nicht auf den Weiterbestand der Haftung des Bürgen Helmut S***; auch der Bürge Michele Di L*** würde erst aus seiner Haftung entlassen, wenn die Quote eingegangen ist ....."

Diese Vereinbarung über den außergerichtlichen Ausgleich kam allein im Korrespondenzweg zwischen Dr. R*** (Vertreter der Firma R***) und dem Beklagtenvertreter zustande. Mündliche ergänzende oder sonstige Vereinbarungen wurden nicht getroffen. Die Firma R*** ist ihrer Verpflichtung aus dem außergerichtlichen Ausgleich gegenüber der beklagten Partei nachgekommen.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 15.3.1989, 25 E 1672/89, wurde der beklagten Partei wider den Kläger aufgrund des vorgenannten Versäumungsurteiles des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.1.1987, 18 Cg 598/86-3, zur Hereinbringung eines Teilbetrages von S 100.000,-- die Fahrnisexekution bewilligt.

Mit der am 29.6.1989 beim Erstgericht eingelangten Oppositionsklage begehrt der Kläger den dem angeführten Versäumungsurteil zugrundeliegenden Anspruch der beklagten Partei für erloschen zu erklären. Er wendete im wesentlichen ein, daß seine Bürgenhaftung mit der Zahlung der Ausgleichsquote durch die Firma R*** erloschen worden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete im wesentlichen ein, auf die Haftung des Klägers für die restliche Quote bei ihrer Zustimmung zum außergerichtlichen Ausgleich der Firma R*** nicht verzichtet zu haben. Die von der Firma R*** nicht beglichene Schuld sei mit der Zahlung der Quote zur Naturalobligation geworden, für die die Bürgschaftshaftung weiterhin aufrecht bestehe. Im übrigen sehe aber der Text der Verpflichtungserklärung des Klägers auch eine Weiterhaftung für den Fall einer Tilgungsvereinbarung mit dem Hauptschuldner vor. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Es folgerte rechtlich, daß der mit Schreiben vom 1.2.1988 zwischen der Firma R*** und der beklagten Partei vereinbarte außergerichtliche Ausgleich seinem Wesen nach als Verzicht auf die 45 % übersteigende Schuld gegenüber der Firma R*** zu werten sei. Mit diesem Vertrag sollte aber nicht der Kläger begünstigt werden, vielmehr habe die beklagte Partei auf ihren vereinbarten weitergehenden Ansprüchen gegenüber dem Kläger beharrt. Aufgrund der von ihm am 12.5.1986 gleich einem Mitschuldner eingegangenen Haftung, auf deren Weiterbestehen die beklagte Partei in ihrem Schreiben vom 1.2.1988 bestanden habe, sei aber der Kläger auch bei teilweisem Verzicht auf die Forderung gegenüber dem Hauptschuldner weiterhin gegenüber der beklagten Partei leistungspflichtig.

Das Berufungsgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und folgerte in Übereinstimmung mit dem Erstgericht, daß sich der Kläger nicht auf den Teilerlaß der beklagten Partei gegenüber dem Hauptschuldner gleich einem Bürgen berufen könne, wenn die vom Kläger eingegangene Verpflichtung trotz der mehrfachen Verwendung des Wortes Bürgschaft inhaltlich als Mitschuldverpflichtung auszulegen sei. Ob eine solche Mitschuldverpflichtung vom Kläger tatsächlich gewollt worden sei, könne aber noch nicht abschließend beurteilt werden, weil nicht feststehe, ob der Kläger am Zustandekommen des Kontokorrentkreditvertrages zwischen der beklagten Partei und der Firma R*** ein eigenwirtschaftliches Interesse gehabt habe, oder ob er eine bloße Sicherungsfunktion übernehmen habe sollen. Die Feststellungen des Erstgerichtes reichten daher nicht für eine abschließende rechtliche Beurteilung aus.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Wiederherstellung des Ersturteiles, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs der beklagten Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Den Vorinstanzen ist beizupflichten, daß die Haftung des Bürgen zufolge Akzessorietät dieses Rechtsinstitutes mit dem Untergang der Hauptforderung erlischt (vgl. Gamerith in Rummel, § 1346 ABGB Rz 1 mwN). Bei einem außergerichtlichen Ausgleich - an dem das Gericht nicht beteiligt ist, sodaß nicht Verfahrensbestimmungen, auch nicht die der Ausgleichsordnung, sondern lediglich die materiellrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über den Vergleich (§§ 1380 ff ABGB) maßgeblich sind - ist die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich, die Mehrheit kann der Minderheit nicht ihren Willen aufzwingen; es liegt rechtlich eine Vielheit voneinander unabhängiger, oft aber durch die Bedingung, daß eine allseitige oder wenigstens weitreichende Übereinstimmung der Gläubiger erreicht wird, wirtschaftlich also aufeinander abgestimmter paralleler Verträge vor (3 Ob 583/83, Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechtes4 Rz 56). Auf Grund der streitbereinigenden Wirkung eines Vergleiches verzichten sohin die Gläubiger mit einem außergerichtlichen Ausgleich auf den die Ausgleichsquote übersteigenden Schuldrest gegenüber dem Schuldner (§ 1444 ABGB). Die beklagte Partei hat daher mit der Zustimmung zum Ausgleichsvorschlag der Firma R*** für den Fall der Bezahlung der 45 %igen Quote auf die Restschuld verzichtet. Damit wäre, läge nicht eine besondere Abrede vor, im Umfang dieses Verzichtes auch die Haftung des Bürgen untergegangen, weil der Gläubiger die Befriedigung von Bürgen nur dann fordern kann, wenn er sie auch vom Hauptschuldner fordern könnte (Ohmeyer, GZ 1927, 211, EvBl 1954/312). Beim außergerichtlichen Ausgleich bleibt sohin zufolge Verzichtswirkung im Gegensatz zum Gerichtsausgleich die die Ausgleichsquote übersteigende Rechtsschuld nicht mehr in Form einer Naturalobligation bestehen, für die eine Verbürgung möglich ist (JBl 1955, 69, RZ 1979/33, SZ 35/58, 5 Ob 165,166/60, Gamerith in Rummel zu § 1346 ABGB Rz 7) bestehen. Diese unterschiedlichen Folgen ergeben sich aus der Tatsache, daß beim außergerichtlichen Ausgleich alle Gläubiger einem Schuldnachlaß zustimmen, während beim gerichtlichen Ausgleich dem Gläubiger eine Forderungsreduktion vorgeschrieben wird.

Mit Recht haben jedoch die Vorinstanzen erkannt, daß der dem Hauptschuldner gewährte Schuldnachlaß gegenüber dem Kläger dann ohne Wirkung ist, wenn er die Hauptschuld nicht mittels Bürgschaft sondern durch Beitritt als Mitschuldner befestigt hat. Zwar ist auch die Schuld des als Mitschuldner Beitretenden im Zeitpunkt ihrer Entstehung vom aufrechten Bestand der Hauptschuld abhängig, in ihrem Fortbestehen ist sie aber als Solidarschuld eine selbständige Schuld (SZ 56/21 ua).

Entgegen der Beurteilung durch das Berufungsgericht bedarf es bei der Auslegung der Verpflichtungserklärung des Klägers vom 12.5.1986 keiner Verfahrensergänzung.

Es steht unbekämpft fest, daß die Streitteile im Zusammenhang mit der Abgabe der schriftlichen Verpflichtungserklärung keine weiteren Erklärungen abgaben. Selbst bei einer vielleicht vorhandenen Undeutlichkeit kann daher nicht auf irgendwelche Zusatzerklärungen zurückgegriffen werden. Es muß vielmehr versucht werden, ausschließlich den Text der Vereinbarung auf deren objektiven Erklärungswert hin zu untersuchen. Welche Bezeichnung die Parteien für ihre Vertragsbeziehung gewählt haben, ist dabei nicht entscheidend (MietSlg. 33.144, 33.145).

Die von den Parteien vorgenommene Formulierung spricht für einen Schuldbeitritt. Der Verzicht auf Einwendungen geht über die in Bürgschaftserklärungen der Banken üblichen Klauseln hinaus. Es wird der Bank nicht nur das iSd § 937 ABGB einschränkend auszulegende Recht eingeräumt, dem Hauptschuldner Zahlungsfristen zu gewähren, mit ihm Vergleiche abzuschließen und Sicherungen freizugeben (vgl. dazu Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 II 164), sondern es wurde vereinbart und ausdrücklich erwähnt, daß auch Absprachen über die Tilgung der Hauptschuld für die Haftung des Klägers unbeachtlich sein sollten (vgl. dazu auch das bei Bydlinski in seiner Entscheidungsbesprechung ÖBA 1989, 436, links unten, angeführte Beispiel).

Zutreffend ist die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß es für einen allfälligen Rest an Undeutlichkeit bei der vorliegenden Vertragsauslegung auf die "Teleologie des Grundgeschäfts" ankommt. Bei einem eigenen wirtschaftlichen oder rechtlichen Interesse des Gutstehers an der Erfüllung durch den Hauptschuldner ist im Zweifel Schuldbeitritt anzunehmen, sonst Bürgschaft (WBl. 1987, 121; JBl 1989, 47).

Nach Ansicht des erkennenden Senates reicht hier der Umstand der 25 %igen Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft, für die er gutstand, für die Annahme eines solchen Eigeninteresses schon aus, weil damit immerhin feststeht, daß er am Weiterbestehen der Gesellschaft und ihrer Liquidität wirtschaftlich interessiert war. Gemäß § 894 ABGB kommt aber bei Annahme einer Solidarhaftung der dem Hauptschuldner gewährte endgültige Schuldnachlaß dem dieser Schuld beigetretenen selbständig mithaftenden Solidarschuldner nicht zustatten. Der Schulderlaß, den ein Mitschuldner erhält, wirkt im Zweifel nur für seine Person (Gamerith in Rummel ABGB Rz 4 zu § 894). Im vorliegenden Fall steht überdies fest, daß die beklagte Partei anläßlich der Zustimmung zum außergerichtlichen Ausgleich ausdrücklich erklärt hat, auf den Weiterbestand der Haftung des Klägers nicht zu verzichten, und zwar hier, anders als bei einem anderen Interzedeten, unabhängig vom Eingang der Ausgleichsquote. Gemäß § 519 Abs 2 ZPO konnte daher in der Sache selbst dahin erkannt werden, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E21653

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00062.9.0919.000

Dokumentnummer

JJT_19900919_OGH0002_0030OB00062_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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