TE OGH 1990/9/19 3Ob577/90

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Angst, Dr. Schalich und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Kinder Thomas S***, geboren am 23.Juni 1973, Kochlehrling, und Susanne S***, geboren am 4.Juni 1974, Handelsschülerin, beide Kantnergasse 66/4/4/5, 1221 Wien, und vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien - Amt für Jugend und Familie für den 21.Bezirk, Am Spitz 1, 1210 Wien, als Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche der Kinder, infolge Revisionsrekurses des Kindes Thomas S*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssache Wien als Rekursgericht vom 4.April 1990, GZ 44 R 187/90-76, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 13.Dezember 1989, GZ 13 P 63/89-72, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden, soweit sie die Einstellung der dem Thomas S*** gewährten Unterhaltsvorschüsse betreffen, aufgehoben.

Die Sache wird in diesem Umfange an das Erstgericht zur allfälligen neuen Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der 17-jährige Sohn Thomas ist seit September 1988 als Kochlehrling tätig und hatte einschließlich des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes seit dem 1.September 1989 ein Einkommen an Lehrlingsentschädigung von knapp über S 4.000,- monatlich. Die 16-jährige Tochter Susanne besucht die Handelsschule. Die Obsorge für beide Kinder kommt seit der Scheidung der Ehe der Eltern allein dem Vater zu, die Bezirkswohlfahrtsbehörde ist Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche gegen die Mutter, die ab dem 31. August 1984 für den Unterhalt der Kinder je S 1.200,- im Monat zu leisten hätte.

Die für die Zeit vom 1.Oktober 1987 bis zum 30.September 1990 auf diese Unterhaltsansprüche gewährten Unterhaltsvorschüsse von je S 1.200,- wurden zunächst wegen der Einkommensverhältnisse der Mutter, die im April 1988 ein Kind geboren hat und nur bis zum 21. April 1989 das Karenzurlaubsgeld bezog, ab dem 1.Jänner 1989 auf den Betrag des Familienzuschlages von S 579,- je Kind geändert. Das Erstgericht stellte mit Ablauf des 30.April 1989 die gewährten monatlichen Unterhaltsvorschüsse ein, weil die Mutter seit dem Ende des Karenzurlaubsgeldbezuges ihr Kleinkind versorge, das nicht in einer Kinderkrippe untergebracht werden könne, und deshalb keinem Erwerb nachgehen könne. Ihr Ehemann verdiene mit den Sonderzahlungen rund S 9.360,- monatlich und habe noch für ein neunjähriges weiteres Kind zu sorgen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sohnes nicht Folge, änderte aber über den Rekurs der Tochter den erstgerichtlichen Beschluß in dessen ersatzlose Aufhebung ab. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung für zulässig. Die Mutter könne zwar keinem Erwerb nachgehen, weil das Kind in ihrem Wohnort erst ab Vollendung des dritten Lebensjahres im Kindergarten aufgenommen werde und auch sonst keine Betreuungsperson zur Verfügung stehe. Sie könne aber Notstandshilfe (von rund S 5.600,-) und dann auch den Familienzuschlag für die Tochter beziehen. Die vom Sohn bezogene Lehrlingsentschädigung schließe den Bezug des Familienzuschlages für dieses Kind aus. Da er selbst verdiene und Leistungen im Haushalt des Vaters empfange, bestehe kein weiterer Unterhaltsanspruch, weil sein Lebensstandard sonst den der auf die Notstandshilfe angewiesenen Mutter übersteige. Gegen den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung wendet sich der davon betroffene Sohn Thomas mit dem ordentlichen Revisionsrekurs, der darauf abzielt, daß der Beschluß auf Einstellung der ihm gewährten Unterhaltsvorschüsse beseitigt wird. Der Bezug von Lehrlingsentschädigung schließe nämlich die Gewährung eines Familienzuschlages nach dem AlVG nicht aus.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt insoweit Berechtigung zu, als es an ausreichenden Feststellungen zur abschließenden Entscheidung über die amtswegige Einstellung der Unterhaltsvorschüsse für den Sohn Thomas fehlt.

Die Eltern haben nach ihren Kräften anteilig zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes beizutragen (§ 140 Abs 1 ABGB). Da der Vater den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet er dadurch seinen Beitrag, hätte aber darüber hinaus zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit die Mutter zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als es ihren eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre (§ 140 Abs 2 ABGB). Der Anspruch des Kindes auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbserhaltungsfähig ist (§ 140 Abs 3 ABGB).

Die zuletzt zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 1.200,- verpflichtete Mutter hat sich um eine Herabsetzung ihrer Unterhaltsverpflichtung oder um die Enthebung nicht bemüht, auch als sie kein eigenes Erwerbseinkommen mehr bezog und der Anspruch auf Gewährung des Karenzurlaubsgeldes im April 1989 ausgelaufen war, weil die Leistungsdauer nach § 31 AlVG in der anzuwendenden Fassung mit einem Jahr vom Tag der Geburt ihres Kindes an gerechnet beschränkt war.

Nach § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG sind die Unterhaltsvorschüsse - auch rückwirkend mit Ablauf des Monats, in dem der Einstellungsgrund eingetreten ist (§ 20 Abs 2 UVG) - auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen, wenn die Vorschüsse nach § 7 Abs 1 UVG zur Gänze zu versagen sind. Das Gericht hat die Vorschüsse nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG ganz oder teilweise zu versagen, wenn begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Das Erstgericht meinte, die Vorschüsse seien einzustellen, weil seit dem 21.April 1989 (Ende des Karenzurlaubsgeldbezuges) der Mutter, die ihr Kleinkind anders nicht unterbringen könne und es selbst betreuen müsse, kein Einkommen zufließe und sie auf den vom Ehemann zu leistenden Unterhalt angewiesen sei, der im Monatsdurchschnitt S 9.360,- verdiene und für Frau und zwei Kinder sorgen müsse.

Das Rekursgericht ging davon aus, daß die Mutter vorwerfbar einen Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe unterlassen habe, daß ihr dann zwar rund S 5.600,- monatlich ausbezahlt würden, jedoch ein Familienzuschlag für den Sohn nicht gebühre, weil dieser Lehrlingsentschädigung beziehe.

Zu Recht wird im Revisionsrekurs geltend gemacht, daß der Anspruch auf Familienzuschlag, der nach § 38 AlVG auch zum Grundbetrag der Notstandshilfe gebührt, durch den Bezug der Lehrlingsentschädigung des Kindes nicht berührt wird, weil § 20 AlVG durch das BG vom 27.Juni 1989 BGBl 1989/365 in der Familienzuschlagsregelung an das Familienbeihilfenrecht angeglichen wurde. Mit 1.August 1989 trat diese Neuordnung in Kraft, so daß nun ein Familienzuschlag für ein Kind zu gewähren ist, wenn der Arbeitslose (Noststandshilfebezieher) zum Unterhalt tatsächlich wesentlich beiträgt und das Kind, für das ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, kein Arbeitseinkommen, ausgenommen die Lehrlingsentschädigung, erzielt, das den im § 5 Abs 1 Satz 1 FamL*** angeführten Betrag (S 3.500,-) übersteigt. Dadurch sollten die Familienverhältnisse des Arbeitslosen durch eine erleichterte Gewährung von Familienzuschlägen stärker berücksichtigt und für ein Kind der Familienzuschlag immer gewährt werden, wenn ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Kein Anspruch auf Familienzuschlag besteht nur für ein Kind, das in Beschäftigung steht und ein S 3.500,- übersteigendes Einkommen erzielt. Dabei soll aber eine Lehrausbildung wegen ihres besonderen Charakters außer Betracht bleiben (RV 986 BlgNR 17.GP zu Art I Z 8 = Änderung des § 20 AlVG). Bis zum 31.Juli 1989 waren Familienzuschläge für Kinder zu gewähren, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt des Kindes tatsächlich wesentlich beitrug.

Soweit sich der Revisionsrekurs mit dem Hinweis, daß die Lehrlingsentschädigung nicht als Einkommen des Kindes gelte, gegen die Einstellung der Vorschüsse für den Lehrling Thomas S*** in der Zeit seit dem 1.Mai 1989 wendet, ist festzuhalten:

Ob die Vorschüsse amtswegig einzustellen sind, hängt davon ab, ob begründete Bedenken bestehen, daß seit dem 1.Mai 1989 die Unterhaltspflicht der Mutter auch nicht mehr mit dem Betrag der auf S 579,- im Monat gekürzten Vorschüsse besteht. Das Rekursgericht ging zwar auf Grund eigener nur durch Erwähnung in der Rekursentscheidung aktenkundig gemachter Erhegbungen davon aus, daß die Mutter auch ab dem 1.Mai 1989 Notstandshilfe von rund S 5.600,-

beziehen hätte können, teilte aber die Ansicht des Erstgerichtes, daß gegen das Fortbestehen einer Unterhaltspflicht gegründete Bedenken bestehen, weil der Lehrling selbst (etwa S 4.000,- im Monat) verdiene und Leistungen im Haushalt des Vaters empfange. Wenn damit gemeint war, daß der Anspruch des Kindes gegen die Mutter iSd § 140 Abs 3 ABGB wegen Selbsterhaltungsfähigkeit geendet hat, ist auf die vom Obersten Gerichtshof inzwischen dahin beurteilte Rechtslage zu verweisen, daß zwar auch die Lehrlingsentschädigung, soweit sie nicht als Ausgleich für einen berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, "eigene Einkünfte" des Kindes darstellt, daß aber Selbserhaltungsfähigkeit nicht gegeben ist, solange das Kind noch auf Wohnungsgewährung und Betreuung im Haushalt eines Elternteils angewiesen ist. Wenn also die eigenen Einkünfte an Lehrlingsentschädigung von S 4.000,- im Monat nur deshalb zur Befriedigung der auch nach den Lebensverhältnissen der Eltern auszurichtenden Bedürfnisse ausreichen, weil der Vater Naturalleistungen erbringt, ist der Geldunterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil nicht erloschen. Beide Elternteile haben nämlich zum Unterhalt beizutragen. Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Nur dann, wenn der andere Elternteil dann mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen entspricht, fällt die Ergänzung auf den angemessenen Unterhalt wieder auf den Elternteil, der an sich zu Geldunterhalt nicht verpflichtet wäre.

Ob und in welchem Umfang ein - zu

bevorschussender - Unterhaltsanspruch des Sohnes gegen die Mutter in der Zeit seit dem 1.Mai 1989 noch bestand, läßt sich auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Es fehlen Feststellungen über die Lebensverhältnisse des Vaters, die ebenso wie die der Mutter den Unterhaltsanspruch des Kindes beeinflussen. Die eigenen Einkünfte des Sohnes sind zwar für das

2. Lehrjahr erhoben, in welcher Höhe Lehrlingsentschädigung in der Zeit vom 1.Mai 1989 bis 31.August 1989 zustand, steht nicht fest. Es kann an sich jedenfalls angenommen werden, daß mit einem die Sonderzahlungen einschließenden Monatsbezug von S 4.000,- oder weniger die zum gänzlichen Erlöschen des Unterhaltsanspruches führende Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war, hat doch der Oberste Gerichtshof den Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage iSd § 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG als Richtschnur bei einfachen Lebensverhältnissen angesehen (3 Ob 547/90; 3 Ob 579/90). Ob aber der Mutter bei ihren eigenen Lebensverhältnissen eine Leistung von Unterhalt (im Betrag von zumindest S 579,- im Monat) zuzumuten war, hängt, weil feststeht, daß die Mutter seit dem 22.April 1989 keine Einkünfte hatte sondern ihr Kleinkind betreute, davon ab, ob es ihr vorzuwerfen ist, daß sie eine nach dem Gesetz gebührende Leistung nach dem AlVG nicht in Anspruch genommen hat. Es wird daher auch noch zu erheben sein, weshalb die Mutter keinen Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe stellte und ob und in welcher Höhe - allenfalls auch mit den Familienzuschlägen - in dem jetzt maßgebenden Zeitraum seit dem 1. Mai 1989 ihr Notstandshilfe gewährt worden wäre, wenn sie sich darum rechtzeitig bemüht hätte. Dazu kommt es auch auf die Anspruchsvoraussetzungen nach § 33 AlVG und die Vorschriften über das Vorliegen einer Notlage und die Berücksichtigung des Einkommens des Ehepartners (vgl dazu auch die NotstandshilfeV in Dirschmied, Arbeitslosenversicherungsrecht2, 405), an, weil dann, wenn der vom Rekursgericht angenommene zustehende Betrag der Notstandshilfe von

S 5.600,- im Monat allenfalls noch mit einem weiteren Familienzuschlag für den Sohn Thomas S*** zutrifft, nicht gesagt werden könnte, der Unterhaltsanspruch dieses Kindes sei bereits ganz erloschen.

Es muß daher der Beschluß über die Einstellung der für das Kind Thomas S*** für die Zeit vom 1.Mai 1989 bis 30.September 1990 gewährten Vorschüsse von monatlich S 579,- aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen werden, die Voraussetzungen der Einstellung nach den erforderlichen ergänzenden Erhebungen erneut zu prüfen.

Anmerkung

E21870

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00577.9.0919.000

Dokumentnummer

JJT_19900919_OGH0002_0030OB00577_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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