Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Alois M***, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Lienz, Rosengasse 19, vertreten durch Dr.Friedrich Gehmacher und Dr.Helmut Hüttinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Willi B***, Primararzt und Facharzt für Chirurgie, Gaimberg, Grafendorf Nr 21, vertreten durch Dr.Peter Riedmann und Dr.G.Heinz Waldmüller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 550.000;
Revisionsrekursinteresse: S 500.000), infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 22.Mai 1990, GZ 3 R 154/90-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.März 1990, GZ 10 Cg 75/90-4, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs des Klägers wird nicht Folge gegeben, wohl aber jenem des Beklagten.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"Der Antrag des Klägers, zur Sicherung seines Anspruches auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen dem Beklagten ab sofort zu gebieten, jegliche ärztliche Tätigkeit zu unterlassen, die ausschließlich einem Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vorbehalten ist, insbesondere aber die Durchführung von orthopädischen Operationen und orthopädischen ambulanten Behandlungen zu unterlassen, und dem Beklagten weiters aufzutragen, ab sofort dafür Sorge zu tragen, daß in der von ihm geleiteten Abteilung für Chirurgie des a.ö. Bezirkskrankenhauses Lienz so lange keine orthopädischen Behandlungen und orthopädischen Operationen durchgeführt werden, solange kein Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie beschäftigt ist, wird abgewiesen. Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 63.056,70 bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen (darin S 10.509,45 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist seit dem Frühjahr 1983 in Lienz als Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie tätig. Er betreibt eine Privatpraxis, hat aber am Krankenhaus Lienz keine Operationsmöglichkeit; Operationen führt er im Sanatorium der Barmherzigen Schwestern an der Kettenbrücke in Innsbruck durch. Der Beklagte leitet seit Mitte der 70-iger Jahre als Primararzt die Chirurgische Abteilung des Bezirkskrankenhauses Lienz. Zuvor war er 12 Jahre an der Innsbrucker Klinik beschäftigt gewesen, wo er die Ausbildung zum Facharzt der Chirurgie absolviert hatte und in den Abteilungen Chirurgie und Unfallchirurgie - als Oberarzt - sowie in den Abteilungen Gefäßchirurgie und Chirurgische Ambulanz tätig gewesen war. Im Bereich der Orthopädie wurde er nicht ausgebildet; er hat auch dort nie gearbeitet.
Ein orthopädischer Chirurg war bisher im Krankenhaus Lienz nicht tätig. Der Beklagte führt pro Jahr durchschnittlich zwischen 10 und 30 "orthopädische" Operationen durch, wobei er sich auf solche Eingriffe beschränkt, die er nach seiner Einschätzung beherrscht. So nahm er am 12.Februar 1990 an der Privatpatientin Christine C*** eine Hallux-Valgus-Operation (Operation an einer Vorfußdeformität) vor und operierte am 7.April 1989 den Privatpatienten Franz W*** wegen Abnützung des Hüftgelenkes an der Hüfte. In den letzten Jahren führte der Beklagte auch eine Reihe anderer Hüftoperationen durch. Als Primararzt und Leiter einer Krankenhausabteilung darf er eine bestimmte Anzahl von Privatpatienten im Krankenhaus behandeln.
Im Schreiben seines Vertreters an den Klagevertreter vom 8. Februar 1990 vertrat der Beklagte die Ansicht, die Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie habe unter anderem Kenntnisse der Behandlung von Frakturen und Verrenkungen sowie für Operationen an Kopf, Hals und Extremitäten zu vermitteln, so daß der gegen ihn erhobene Vorwurf einer Fachüberschreitung nicht berechtigt sei, nur die ausdrückliche Sonderfächer der Chirurgie seien auf ihr spezielles Gebiet beschränkt.
Auf Anfrage des Klägers teilte ihm die Österreichische Ärztekammer mit Schreiben vom 10.Februar 1989 mit, daß es zwischen der allgemeinen Chirurgie und dem Sonderfach Orthopädie und orthopädische Chirurgie laut den Anlagen 11 und 19 zur Ärzteausbildungsordnung keine überschneidungen gebe; für den Chirurgen in einem Krankenhaus ergebe sich daher bei Vorhandensein eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie die ausschließliche Kompetenz des letzteren zur Vornahme orthopädischer Eingriffe.
Mit der Behauptung, daß der Beklagte als Facharzt für Chirurgie zur Durchführung orthopädischer Operationen, wie insbesondere einer Hallux-Valgus-Operation, nicht berechtigt sei, begehrt der Kläger zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches - soweit für das Revisionsrekursverfahrens noch von Bedeutung -, dem Beklagten ab sofort jegliche ärztliche Tätigkeit, die ausschließlich einem Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vorbehalten ist, insbesondere aber die Durchführung orthopädischer Operationen und orthopädischer ambulanter Behandlungen zu verbieten, sowie dem Beklagten aufzutragen, ab sofort dafür Sorge zu tragen, daß in der von ihm geleiteten Abteilung für Chirurgie des a.ö. Bezirkskrankenhauses Lienz so lange keine orthopädischen Behandlungen und orthopädischen Operationen durchgeführt werden, solange kein Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie beschäftigt ist.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Der Kläger habe nicht bescheinigt, daß der Beklagte Operationen durchführe, die ausschließlich Fachärzten für Orthopädie vorbehalten sind. Da der Kläger selbständig, der Beklagte jedoch unselbständig tätig sei, liege kein Wettbewerbsverhältnis vor. Ein allfälliger Verstoß gegen § 13 ÄrzteG sei für sich noch nicht sittenwidrig. Zwar habe sich jeder Facharzt auf sein Sonderfach zu beschränken, doch gebe es bei den Aufgabenbereichen der Chirurgen und der Orthopäden teilweise Überschneidungen. Da es im Krankenhaus Lienz keine eigene Abteilung für Unfallchirurgie gebe, müßten die dort beschäftigten Ärzte - auch wenn sie nicht Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sind - auch typisch orthopädische Eingriffe vornehmen.
Der Erstrichter gab dem Sicherungsantrag statt. Nach § 13 Abs 2 ÄrzteG habe jeder Facharzt seine Tätigkeit auf sein Fachgebiet zu beschränken. Mit der Durchführung orthopädischer Operationen habe der Beklagte - unabhängig davon, ob er die Operation im Rahmen seiner chirurgischen Ausbildung erlernt habe und sie daher beherrsche - gegen diese Besetimmung verstoßen. Da beide Parteien ärztliche Behandlungen gegen Entgelt durchführten und daraus ein Einkommen erzielten, bestehe zwischen ihnen ein Wettbewerbsverhältnis. Die fachüberschreitende Tätigkeit des Beklagten verstoße gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG. Das Rekursgericht untersagte dem Beklagten im Rahmen der Behandlung von Pfleglingen der Sonderklasse am Bezirkskrankenhaus Lienz - abgesehen von Erster Hilfe im Falle drohender Lebensgefahr (§ 21 ÄrzteG) - jede ärztliche Tätigkeit, die einem Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vorbehalten ist, insbesondere die Vornahme orthopädischer Operationen; das Mehrbegehren, dem Beklagten die vom Tätigkeitsbereich eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie umfaßten ärztlichen Tätigkeiten über diesen Umfang hinaus im vollen Umfang zu untersagen und ihm zu gebieten, ab sofort dafür Sorge zu tragen, daß in der von ihm geleiteten Abteilung für Chirurgie des Bezirkskrankenhauses Lienz so lange keine orthopädischen Behandlungen und orthopädischen Operationen durchgeführt werden, als kein Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie beschäftigt ist, wies es ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Soweit der Beklagte am Bezirkskrankenhaus Lienz Pfleglinge der Sonderklasse behandelt und diesen Honorare verrechnet, sei er im geschäftlichen Verkehr im Sinne des § 1 UWG tätig; wenn er zum Fachbereich der Orthopädie und orthopädischen Chirurgie gehörende Behandlungen und insbesondere Operationen an Pfleglingen der Sonderklasse durchführe, stehe er mit dem in Lienz niedergelassenen Kläger in einem Wettbewerbsverhältnis. Auf Grund des Schreibens der Österreichischen Ärtzekammer vom 10. Februar 1989 sei zumindest für das Provisorialverfahren gesichert, daß es überschneidungen zwischen dem Sonderfach des Beklagten (Chirurgie) und jenem des Klägers (Orthopädie und orthopädische Chirurgie) nicht gebe. Der Auffassung des Beklagten, daß die an "Extremitäten" durchgeführten orthopädischen Operationen in Ermangelung einer eindeutigen Abgrenzung zwischen den beiden klinischen Sonderfächern auch zu seinem Fachgebiet zählten, könne daher nicht gefolgt werden. Der Beklagte sei somit, sein eigenes Fach überschreitend, im Sonderfach des Klägers tätig geworden und habe Personen behandelt, die auch als Patienten des Klägers in Betracht gekommen wären. Sei damit aber ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien zu bejahen, dann sei die Wettbewerbsabsicht zu vermuten. Daß der Beklagte im Sonderfach des Klägers auch ambulante Behandlungen durchgeführt habe, sei jedoch nicht bescheinigt worden. Mit seinem Verstoß gegen § 13 Abs 2 ÄrzteG und damit gegen ärztliche Standesregeln habe der Beklagte zugleich auch den guten Sitten im Sinne des § 1 UWG zuwidergehandelt; davon könne nur insoweit nicht die Rede sein, als der Beklagte solche fachüberschreitenden Operationen in Gewährung der Ersten Hilfe bei drohender Lebensgefahr (§ 21 ÄrzteG) vornehme. Soweit der Beklagte im Bezirkskrankenhaus Lienz an nicht zu den Pfleglingen der Sonderklasse gehörenden Patienten den Fachärzten für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vorbehaltene Tätigkeiten ausgeübt habe, liege kein Verstoß gegen § 1 UWG vor. Der Beklagte habe keinen unmittelbaren Einfluß auf die Aufnahme von Pfleglingen in das Krankenhaus; vielmehr sei er verpflichtet, den aufgenommenen und seiner Abteilung zugewiesenen Pfleglingen die im Rahmen der Anstaltspflege erforderliche Heilbehandlung zu gewähren. Solche Behandlungen fielen auch nicht in das zwischen den Streitteilen bestehende Wettbewerbsverhältnis. Daß der Beklagte insoweit fremden Wettbewerb - etwa zwischen dem Kläger und dem Träger des Bezirkskrankenhauses Lienz - fördern wolle, habe der Kläger nicht behauptet. In diesem Bereich sei der Beklagte auch nicht im geschäftlichen Verkehr (§ 1 UWG) tätig, werde doch die Höhe seiner Einkünfte durch eine allfällige fachüberschreitende ärztliche Tätigkeit nicht beeinflußt. Dem vom Kläger begehrten Auftrag an den Beklagten, dafür Sorge zu tragen, daß in der von ihm geleiteten Abteilung für Chirurgie im Bezirkskrankenhaus Lienz so lange keine orthopädischen Behandlungen und orthopädische Operationen durchgeführt werden, als dafür kein Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie zur Verfügung steht, fehle daher eine Rechtsgrundlage. Das gleiche gelte für das Verbot der Behandlung von Privatpatienten im Rahmen Erster Hilfe bei drohender Lebensgefahr. Gegen den dem Sicherungsantrag statgebenden Teil des Beschlusses zweiter Intanz wendet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen werde. Den abweisenden Teil dieses Beschlusses bekämpft - mit Ausnahme der Einschränkung für den Fall der Gewährung Ersten Hilfe - der Kläger; er beantragt, den Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen.
Beide Parteien beantragen, dem Revisionsrekurs ihres Gegners nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Revisionsrekurs des Beklagten ist berechtigt:
Nach § 13 Abs 2 ÄrzteG haben Fachärzte - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen - ihre ärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken. Da das Ärztegesetz selbst die einzelnen Sonderfächer nicht voneinander abgrenzt, richtet sich der Berechtigungsumfang der jeweiligen fachärztlichen Tätigkeit nach dem entsprechenden Fächerkatalog der Ärtzeausbildungsordnung (Kux-Emberger-Neudorfer-Chlan-Mahn, Ärztegesetz mit Kommentar 76 Anm 1 zu § 13). Die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 18.Dezember 1973 BGBl 1974/36 über die Ausbildung zum praktischen Arzt und zum Facharzt (Ärzte-Ausbildungsordnung) in der derzeit geltenden Fassung zählt in § 6 die "klinischen Sonderfächer im Sinne dieser Verordnung" auf; dabei nennt sie in Z.3 die "Chirurgie", und in Z.11 die "Orthopädie und orthopädische Chirurgie". In der Anlage 11 zu dieser Verordnung wird der Umfang der im Rahmen der praktischen Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie im Hauptfach zu vermittelnden praktischen Kenntnisse und Erfahrungen festgelegt; Punkt 6. dieser Anlage lautet:
"Operationen:
Weichteile, Kopf, Hals (u.a. Struma, Tracheotomien), Thorax (u.a. Thoraxdrainagen), Mamma, Abdomen (u.a. Magen, Gallenblase, Dünndarm, Dickdarm und Rektum, Appendix; Hernien, Hydrocelen), Extremitäten, Gefäße, Nerven, Geschwülste; septische Operationen, unfallchirurgische Operationen, plastische Operationen, urologische Noteingriffe".
Den Umfang der im Rahmen der praktischen Ausbildung zum Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie im Hauptfach zu vermittelnden praktischen Kenntnisse und Erfahrungen regelt die Anlage 19 zur Ärzte-Ausbildungsordnung. Punkt 9 dieser Anlage lautet:
" Operationen:
gedeckte Eingriffe (Redressements usw);
offene Eingriffe: aktiver Bewegungsapparat, passiver Bewegungsapparat, Osteotomien, Arthrothomien, plastische Operationen, Operationen an der Wirbelsäule, Amputationen, Entfernung von Fremdkörpern (Nägel, Platten, Schrauben usw)". Nachanunmehr ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Prüfung der Frage, ob eine Verletzung gewerberechtlicher oder anderer gesetzlicher Vorschriften gegen § 1 UWG verstößt, vor allem darauf an, ob die Auffassung des Beklagten über den Umfang sein r Befugnisse durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann (SZ 56/2; ÖBl 1987, 71; ÖBl 1988, 72; ÖBl 1990, 108 uva), verlangt doch das jedem Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens innewohnende moralische Unwerturteil zumindest dann eine subjektive Komponente, wenn der Wettbewerbsverstoß aus der Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift abgeleitet wird; nur ihre dem Beklagten auch subjektiv vorwerfbare Mißachtung rechtfertigt die Annahme einer sittenwidrigen Wettbewerbshandlung (SZ 56/2). Die Rechtsauffassung des Beklagten, daß er als Facharzt für Chirurgie zu den von ihm durchgeführten Operationen - insbesondere also zu einer Hallux-Valgus-Operation und zu einer Hüftoperation - berechtigt sei, steht weder im Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut (vgl ÖBl 1986, 18; ÖBl 1987, 71) noch zu einer dazu ergangenen Rechtsprechung (vgl SZ 57/169). Vergleicht man den Ausbildungsumfang der einzelnen klinischen Sonderfächer miteinander, dann finden sich manche Überschneidungen; das gilt insbesondere auch für die Fächer Chirurgie einerseits und Orthopädie und orthopädische Chirurgie andererseits: So gehört etwa zum Ausbildungsumfang beider Fächer das Gebiet der "Plastischen Operationen". Daß unter diesem Begriff in Anlage 11 etwas anderes gemeint wäre als in Anlage 19, kann der Verordnung nicht entnommen werden. Zur Ausbildung und daher - nach dem oben Gesagten - zum Berechtigungsumfang des Chirurgen gehören auch "Operationen an Extremitäten"; daß bestimmte Operationen dieser Art nur dem Orthopäden erlaubt wären, ist aber nicht zu sehen. Dem Beklagten, dessen Rechtsansicht also (zumindest) mit guten Gründen vertretbar ist, kann somit ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht vorgeworfen werden. Da die Frage, ob der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Verstöße gegen § 13 Abs 2 ÄrzteG begangen hat, insoweit eine Rechts- und keine Tatfrage ist, kann die Mitteilung der Österreichischen Ärztekammer vom 10.Februar 1989 entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht als Bescheinigungsergebnis gewertet werden, an das der Oberste Gerichtshof, der nur Rechtsinstanz ist, gebunden wäre; auf das Vorhandensein einer einheitlichen Standesauffassung der Ärzte zur Abgrenzung der hier maßgeblichen klinischen Sonderfächer hat sich der Kläger jedoch nicht berufen.
Hat der Beklagte sohin nicht den guten Sitten zuwidergehandelt, so ist dem Unterlassungsanspruch der Boden entzogen. II. Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt. Da dem Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, mit den festgestellten Operationen gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen zu haben, könnte dem Rechtsmittel des Klägers auch dann kein Erfolg beschieden sein, wenn man seiner Ansicht folgen wollte, daß der Beklagte auch für die in der von ihm geleiteten Abteilung des Bezirkskrankenhauses Lienz an anderen als seinen Privatpatienten durchgeführten Operationen wettbewerbsrechtlich zu haften habe und der vom Kläger begehrte Leistungsbefehl auch ohne Gefahrbescheinigung (§ 381 EO) erlassen werden könnte. Aus diesen Erwägungen waren die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen wird. Der Kostenausspruch für das Verfahren erster Instanz gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 52 ZPO, jener für das Rechtsmittelverfahren auf dieselben Gesetzesstellen in Verbindung mit § 50 ZPO.
Anmerkung
E21899European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00119.9.0925.000Dokumentnummer
JJT_19900925_OGH0002_0040OB00119_9000000_000