TE Vfgh Erkenntnis 2001/11/27 B1138/01

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Veröffentlicht am 27.11.2001
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §2 Abs1
Tir GVG 1996 §6 Abs1 litb

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbes aufgrund denkmöglicher Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schenkungsvertrag vom 24.3.2000 schenkte der Erstbeschwerdeführer das Grundstück 2078/3 in EZ 219 GB Patsch im Ausmaß von 2.119 m2 seinem Bruder (dem Zweitbeschwerdeführer im vorliegenden Verfahren).

2. Die Bezirks-Grundverkehrskommission bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck versagte diesem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Genehmigung, da der Erwerber kein Landwirt sei und das verfahrensgegenständliche Grundstück lediglich der Bereinigung seines Bauplatzes dienen solle.

3. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im folgenden: LGVK) wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 20.6.2001 als unbegründet ab. Das auf Berufungsebene durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß das Grundstück teilweise landwirtschaftlich genutzt werde und folglich als landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz (im folgenden: TGVG) 1996 zu qualifizieren sei. Der Schenkungsvertrag bedürfe daher gemäß §4 Abs1 lita leg. cit. der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde. Die gemäß §6 Abs1 litb leg. cit. erforderliche Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes sei jedoch nicht zu erwarten, da der Geschenknehmer selbst angegeben habe, das Grundstück als Garten und Hausumstandsfläche nutzen zu wollen. Auch eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht gemäß §5 Abs1 TGVG 1996 liege nicht vor.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs (Art6 StGG), auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) sowie auf Einhaltung der Garantien des Art6 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebenden Rechtsvorschriften des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. 61/1996 idF LGBl. 75/1999, lauten:

"§2

Begriffsbestimmungen

(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. ...

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

...

§5

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

(1) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

...

d) beim Rechtserwerb an Grundstücken, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung sind, sofern die vorgesehene Verwendung nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht;

...

§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden,

c) der Erwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und

d) der Erwerber erklärt, dass durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.

...

(5) Die Genehmigung für den Erwerb des Eigentums an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück auf Grund eines Kaufvertrages darf entgegen den Bestimmungen des Abs1 lita, b und c und des §7 erteilt werden, wenn der Verkauf auf Grund von Umständen, die ohne grobes Verschulden des Verkäufers eingetreten sind, insbesondere auf Grund von Elementarereignissen, zur Vermeidung des gänzlichen Verfalls eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes notwendig ist.

...

(7) Rechtserwerbe an forstwirtschaftlichen Grundstücken sind insoweit abweichend von den Voraussetzungen nach Abs1 litb zu genehmigen, als die Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes erfolgen muss. Weiters entfällt für die Genehmigung von Rechtserwerben an forstwirtschaftlichen Grundstücken die Voraussetzung nach Abs1 litc."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. In der Beschwerde wird nicht bestritten, daß das den Gegenstand des Schenkungsvertrages bildende Grundstück als landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 TGVG 1996 zu qualifizieren ist und demnach den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt.

2.1. Die Beschwerdeführer behaupten zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dadurch, daß die belangte Behörde §6 Abs1 litb TGVG 1996 in denkunmöglicher Weise angewendet habe, indem sie nicht geprüft habe, ob eine Ausnahme von dieser Bestimmung vorliege (arg.: "grundsätzlich"). Dies sei jedoch der Fall: Das Grundstück sei nur zum Teil landwirtschaftlich nutzbar. Bei Versagung der Genehmigung werde das Grundstück nicht an jemand anderen übertragen werden, was keinesfalls im Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes gelegen sei. Vielmehr sei die Übertragung eines Grundstücks von einem Zwillingsbruder auf den anderen, um diesem die Möglichkeit der Errichtung eines Hauptwohnsitzes zu verschaffen, als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen.

Die belangte Behörde habe überdies auch in denkunmöglicher Weise die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des §5 Abs1 litd TGVG 1996 verneint, da sie es unterlassen habe, ein Gutachten zur Frage der wirtschaftlichen Bedeutung des streitgegenständlichen Grundstücks einzuholen. Die Liegenschaft sei für einen landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftlich bedeutungslos.

2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften - vgl. etwa VfSlg. 15.324/1998 mwN - nur vorliegen, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980, 10.338/1985, 11.213/1987, 12.985/1992).

2.3. Solches ist der belangten Behörde jedoch nicht vorzuwerfen. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, war im Grundverkehrsrecht seit jeher auch der Gedanke tragend, es komme darauf an, ob ein "ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß der Erwerber das Gut nicht selbst (...) bewirtschaften wird" (VfSlg. 5683/1968). Demnach ist es in den durch das Grundverkehrsgesetz zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet werden (vgl. VfSlg. 7927/1976, 8245/1978, 8518/1979).

§6 Abs1 litb TGVG 1996 sieht vor, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden müssen. §6 Abs5 und Abs7 TGVG 1996 normieren, daß unter bestimmten genau umschriebene Voraussetzungen Ausnahmen von der Regelung des §6 Abs1 leg. cit. möglich sind. Daß die Behörde im vorliegenden Fall unter Beachtung des gegebenen Sachverhaltes eine Genehmigung auf Basis des Abs5 oder 7 nicht erteilt hat, erscheint plausibel. Wenn sie §6 Abs1 litb TGVG 1996 so interpretiert, daß diese Bestimmung nur die im Gesetz ausdrücklich genannten, aber keine zusätzlichen Ausnahmen zulasse, kann der belangten Behörde keine denkunmögliche Gesetzesauslegung angelastet werden.

In dem Umstand, daß die LGVK die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des §5 Abs1 litd TGVG 1996 auf den vorliegenden Fall verneint hat, ist ebenfalls keine willkürliche Vorgehensweise zu erblicken. Die Behörde ist vielmehr aufgrund eines aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum Schluß gekommen, daß das streitgegenständliche Grundstück für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich durchaus von Bedeutung sei und hat diese Auffassung in hinreichender Weise begründet.

2.4. Die Beschwerdeführer wurden sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs - gleich einer des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums - könnte im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nur dann vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 14.966/1997).

3.2. Wie schon unter Pkt. 2.3. dargetan, ist der belangten Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen, sodaß auch die behaupteten Verletzungen der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs sowie auf Unversehrtheit des Eigentums nicht vorliegen.

4.1. Unter dem Gesichtspunkt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) beantragen die Beschwerdeführer die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Frage, ob die "Aufrechterhaltung von grundverkehrsrechtlichen Schranken auch im Bereich des landwirtschaftlichen Grundverkehrs" unzulässig ist. Dadurch, "daß dieses Vorabentscheidungsverfahren nicht eingeleitet wurde", seien die Beschwerdeführer weiters in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art6 EMRK verletzt worden.

4.2. Wie bereits im Erkenntnis vom 28.6.2001, B2067/98, dargelegt wurde, hegt der Verfassungsgerichtshof nicht das Bedenken, daß die Genehmigungsvoraussetzungen des §6 Abs1 TGVG 1996 gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen verstießen. Vielmehr erachtet der Verfassungsgerichtshof die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren relevanten Rechtsfragen im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-302/97, Konle, Slg. 1999, I-3099, Rz. 40, als so hinreichend beantwortet, daß der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden kann, sie habe eine sie gemäß Art234 Abs3 EG treffende Vorlagepflicht verletzt.

4.3. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat sohin nicht stattgefunden.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

6. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

7. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land - oder forstwirtschaftliches, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1138.2001

Dokumentnummer

JFT_09988873_01B01138_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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