Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christoph S***, Rechtsanwalt, Georg-Pirmoser-Straße 7, 6330 Kufstein, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Peter E***, Gastwirt, 6344 Walchsee 33, wider die beklagte Partei Josef K***, Bauunternehmer, Durchholzen 20, 6344 Walchsee, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 600.161,09 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1989, GZ 2 R 228/89-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. März 1989, GZ 14 Cg 314/88-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 29.815,20 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 4.969,20, keine Barauslagen) und die mit S 37.589,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 20.000 und Umsatzsteuer von S 2.931,60) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. Juli 1988, S 76/88-3, wurde über das Vermögen des Peter E***, eines Gastwirtes aus Walchsee, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Das Konkursverfahren ist nach wie vor anhängig.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger im Verfahren erster Instanz die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 813.317 sA im wesentlichen mit der Begründung, dem Beklagten sei im Zwangsversteigerungsverfahren E 91/85 des Bezirksgerichtes Kufstein am 25. Februar 1987 die Liegenschaft des Peter E*** EZ 447 II KG Walchsee um das Meistbot von S 22,300.000 zugeschlagen worden. Diese Liegenschaft samt dem darauf errichteten Gasthaus "Kramerwirt" nutze der Beklagte seither als Frühstückspension, sodaß er als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anzusehen sei. Auf dieser Liegenschaft habe der Gemeinschuldner 1981 für Zwecke seines Gastgewerbebetriebes einen Zubau zu dem damals schon bestehenden Gasthof um S 11,560.000 errichtet; anläßlich dieser Aufwendungen habe er Vorsteuerabzug in Anspruch genommen. Auf Grund der Konkurseröffnung habe die Finanzbehörde nunmehr eine Vorsteuerberichtigung hinsichtlich der Baukosten vorgenommen und vom Gemeinschuldner Rückersatz der von ihm zuvor in Anspruch genommenen Vorsteuer in der Höhe des Klagsbetrages gefordert. Auch eine Zwangsversteigerung sei eine Lieferung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, sodaß der Gemeinschuldner gemäß § 12 Abs 14 UStG 1972 berechtigt sei, die Vorsteuer dem Beklagten, der die Liegenschaft als Unternehmer nutze, als Abnehmer gesondert in Rechnung zu stellen. Der Beklagte könne seinerseits den strittigen Betrag als Vorsteuer geltend machen. Diese seine Berechtigung verpflichte ihn, die von der Finanzbehörde beim Gemeinschuldner rückgeforderte Vorsteuer diesem, infolge der mittlerweiligen Konkurseröffnung sohin dem Masseverwalter, zu ersetzen. Mit Rechnung vom 31. Dezember 1987 habe der Gemeinschuldner dem Beklagten im Sinne des § 12 Abs 14 UStG 1972 die Umsatzsteuer für das übernommene Gebäude (Überwälzung der Vorsteuerrückbelastung) mit dem Betrag von S 813.317 in Rechnung gestellt, doch verweigere der Beklagte die Zahlung dieses Betrages. Mit der Bezahlung des Meistbotes habe der Beklagte nicht alle seine Verpflichtungen erfüllt. Bei der in Rechnung gestellten Vorsteuer handle es sich nämlich um eine Abgabe, die durch die zwangsweise Lieferung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens entstanden sei; gemäß § 152 Abs 4 EO dürften Übertragungsgebühren, worunter auch der in Rechnung gestellte Vorsteuerabzug zu verstehen sei, in das Meistbot nicht eingerechnet werden. Der Beklagte werde durch die von ihm verlangte Zahlung nicht belastet, weil er diese Umsatzsteuer in voller Höhe seinerseits als Vorsteuer geltend machen könne.
Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, zwischen ihm und dem Gemeinschuldner sei über die Liegenschaft keine Vereinbarung geschlossen worden. Der Beklagte habe das Meistbot zur Gänze bezahlt und die Versteigerungsbedingungen auch sonst zur Gänze erfüllt, sodaß der Kläger von ihm schon aus diesem Grund nichts mehr fordern könne. Sollte die Klagsforderung zu Recht bestehen, so stünde dieses Geld nicht dem Masseverwalter, sondern den unbefriedigten Hypothekargläubigern zu, sodaß der Kläger nicht berechtigt sei, die Klagsforderung geltend zu machen. Der Beklagte habe die Liegenschaft nicht für Zwecke seines Gewerbebetriebes, sondern als Privatmann erstanden; als solcher sei er zur Geltendmachung einer Umsatzsteuer als Vorsteuer nicht berechtigt. Im übrigen habe er über die Art der weiteren Nutzung der Liegenschaft noch nicht entschieden und möchte er sich diesbezüglich auch nicht binden lassen. Er verwende die Liegenschaft derzeit und vorübergehend gewerblich für Zwecke eines Pensionsbetriebes, doch sei diese Nutzung noch keineswegs auf Dauer festgelegt. Hinsichtlich des Meistbotes und der vom Gemeinschuldner mit Rechnung vom 31. Dezember 1987 geltend gemachten Umsatzsteuer von S 813.317 habe der Beklagte bisher keine Vorsteuer geltend gemacht; er beabsichtige dies im Hinblick auf die ungewisse Verwendung der Liegenschaft derzeit auch nicht. Auch aus der Bestimmung des § 12 Abs 14 UStG 1972 sei keine Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung der strittigen Umsatzsteuer zuzüglich zum bereits in voller Höhe entrichteten Meistbot ableitbar. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Für Peter E*** wurde 1977 das alleinige Eigentumsrecht an der Liegenschaft EZ 447 II KG Walchsee, bestehend aus den Gp 9 und 329 sowie aus den Gp 1243, 18, 19/1, 60, 61, 67, 68/1, 146, 149, 155, 180, 321, 418, 690, 691, 1439 und 1440, einverleibt. Auf der Bp 9 steht seit mehreren Jahrhunderten das Wohn- und Gasthaus "Kramerwirt". Ebenfalls 1977 wurde für Peter E*** das alleinige Eigentumsrecht an der Liegenschaft EZ 372 II KG Walchsee, bestehend aus der Gp 408 Weide, einverleibt. Auf der Liegenschaft EZ 447 II betrieb Peter E*** bis 1987 den Gastgewerbebetrieb "Kramerwirt". Für Zwecke dieses Geschäftsbetriebes errichtete er zu dem auf der Bp 9 befindlichen Gebäude einen Zubau mit einem Aufwand von S 11,560.000, den er seit 1981 ebenfalls für Zwecke seines Gewerbebetriebes nutzte. Die aus dieser Bauführung herrührende Umsatzsteuer machte Peter E*** im Rahmen seines Gewerbebetriebes durch einen entsprechenden Vorsteuerabzug der Finanzbehörde gegenüber geltend.
Über Antrag der Ö*** V*** AG wurde zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderungen mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 15. Oktober 1985, E 91/85-3, gegen Peter E*** die Zwangsversteigerung seiner Liegenschaften EZ 272 II und EZ 447 II KG Walchsee bewilligt; diesem Zwangsversteigerungsverfahren traten in der Folge mehrere andere betreibende Parteien bei. In diesem Zwangsversteigerungsverfahren wurde der Schätzwert der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft EZ 272 II KG Walchsee mit S 92.610 festgesetzt. Der Schätzwert der zur Liegenschaft EZ 447 II KG Walchsee gehörigen Bp 9 und 329 und der Gp 18 und 19/1 wurde mit S 21,357.032 und der Wert des Zubehörs des "Kramerwirtes" mit S 1,584.000 festgesetzt, während der Schätzwert der landwirtschaftlich genutzten Gp 1243, 60, 61, 67 und 68/1 mit S 1,821.188 und der Schätzwert der Waldparzellen 146, 149, 155, 180, 321, 418, 690, 691, 1440 und 1439 mit S 2,550.076 festgesetzt wurde. Im Versteigerungsedikt vom 26. November 1986 wurde hinsichtlich der Liegenschaft EZ 447 II KG Walchsee der Schätzwert samt Zubehör mit insgesamt S 27,312.296 festgesetzt, wobei bekanntgegeben wurde, daß zu dieser Liegenschaft als Zubehör das im Schätzungsprotokoll verzeichnete Inventar des Gasthauses "Kramerwirt" im Schätzwert von S 1,584.000 gehört. Zugleich mit diesem Versteigerungsedikt wurden die Versteigerungsbedingungen genehmigt. Punkt 6 der Versteigerungsbedingungen lautete: "Mit dem Tage der Erteilung des Zuschlages geht die Gefahr der Liegenschaften auf den Ersteher über. Von diesem Tage gebühren ihm alle Früchte und Einkünfte der Liegenschaften. Er hat von demselben Tage an die mit dem Eigentum der Liegenschaften verbundenen Lasten, soweit sie nicht durch das Versteigerungsverfahren erlöschen, sowie die Steuern und öffentlichen Abgaben zu tragen, welche von den Liegenschaften zu entrichten sind, und die in Anrechnung auf das Meistbot übernommenen Schuldbeträge zu verzinsen". In den gerichtlich genehmigten Versteigerungsbedingungen war nicht enthalten, daß der Ersteher über das Meistbot hinaus irgendeine Umsatzsteuer zu entrichten habe. Bei der Versteigerungstagsatzung vom 25. Februar 1987 wurde für die Liegenschaft EZ 272 II KG Walchsee kein Anbot gestellt, sodaß hinsichtlich dieser Liegenschaft das Versteigerungsverfahren eingestellt wurde. Die Liegenschaft EZ 447 II KG Walchsee wurde dem Beklagten um das Meistbot von S 23,200.000 zugeschlagen. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde vom 22. Juni 1987 wurde aber festgestellt, daß die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft EZ 447 II KG Walchsee im Wege des Zwangsversteigerungsverfahrens an Josef K*** den Bestimmungen nach § 3 Abs 1 lit e des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 nicht entspricht. Hierauf wurde für 7. Oktober 1987 die neuerliche Versteigerung dieser Liegenschaft angeordnet. Zu diesem Versteigerungstermin erschienen keine Interessenten. Mit Beschluß des Exekutionsgerichtes vom 23. Oktober 1987 wurde daraufhin die Liegenschaft EZ 447 II KG Walchsee dem Beklagten um das Meistbot von S 23,200.000 zugeschlagen. Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft. Der Beklagte erlegte in der Folge das gesamte Meistbot von S 23,200.000. Mit Beschluß des Exekutionsgerichtes vom 12. Februar 1988 wurde das gesamte Meistbot samt Zinsen durch Zuweisung an verschiedene Pfandgläubiger verteilt, wobei das Meistbot zur vollständigen Befriedigung der Pfandgläubiger, die Barzahlung verlangt hatten, nicht hinreichte. Zumindest ein Pfandgläubiger konnte aus dem Meistbot zumindest in der Höhe des nunmehrigen Klagsbetrages keine Befriedigung erlangen. Etwa seit 15. April 1988 betreibt der Beklagte im Gastwirtschaftsgebäude "Kramerwirt" gewerbsmäßig einen Beherbergungsbetrieb in der Betriebsform einer Frühstückspension. Der Beklagte betreibt seit vielen Jahren als Einzelunternehmer ein Maurermeisterunternehmen und ist überdies geschäftsführender Gesellschafter des Baumeisterunternehmens mit der Firma Josef K*** Gesellschaft mbH & Co KG. Überdies betreibt er seit mehreren Jahren einen Berggasthof samt einem angeschlossenen Lift. Das Hauptinteresse des Beklagten beim Erwerb der Liegenschaft EZ 447 II KG Walchsee galt insbesondere den rund 14 ha großen Wald- und Wiesenflächen, daneben aber auch dem auf der Bp 9 errichteten Gebäude, aber auch einem großflächigen Bauerwartungsland. Der Beklagte überlegt seit dem Erwerb der Liegenschaft verschiedene ihm offenstehende Möglichkeiten ihrer weiteren Verwertung, hat sich aber bisher für keine entschieden. Aus dem Erwerb der Liegenschaft hat der Beklagte hinsichtlich einer Umsatzsteuer keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Infolge der Konkurseröffnung nahm die Finanzbehörde hinsichtlich der Baukosten aus der Errichtung des Zubaues zum Haus "Kramerwirt" eine Vorsteuerberichtigung nach den Bestimmungen des § 12 Abs 10 UStG 1972 in der Höhe von S 813.317 vor und meldete diese Rückforderung als Konkursforderung an. Mit Schreiben vom 30. März 1988 übermittelte der Gemeinschuldner dem Beklagten eine mit 31. Dezember 1987 datierte Rechnung über S 813.317 mit folgendem
Wortlaut: "Rechnung. Betreffend der Zwangsversteigerungssache "Kramerwirt" erlauben wir uns, für das übernommene Gebäude folgende
Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen: Umsatzsteuer betreffend das Gebäude, Erweiterunginvestitionen S 813.317,-. Anmerkung: Auf Grund der Bestimmungen des UStG § 12 (1) war eine Berichtigung der Vorsteuer durchzuführen. Diese Umsatzsteuer kann, soweit Unternehmereigenschaft vorliegt, als Vorsteuer abgesetzt werden."
Der Beklagte verweigert die von ihm geforderte Bezahlung des Betrages von S 813.317. Er hat den ihm vom Gemeinschuldner in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbetrag von S 813.317 der Finanzbehörde gegenüber bisher nicht als Vorsteuerabzug geltend gemacht und beabsichtigt dies auch für die Zukunft nicht. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß zwischen dem Gemeinschuldner und dem Beklagten über die versteigerte Liegenschaft kein Vertrag geschlossen worden sei, sodaß sich der Kläger nicht auf einen solchen Vertrag berufen könne. Er könne aber auch aus der Vorschrift des § 12 Abs 14 UStG 1972 nichts für sich ableiten. Mit dieser Bestimmung sei die Möglichkeit geschaffen worden, bei steuerfreien Grundstückslieferungen durch Unternehmer die Vorsteuern, die im Zusammenhang mit dem Grundstück gestanden seien und wegen der Steuerfreiheit der Lieferung vom Abzug ausgeschlossen seien bzw. rückbezahlt werden müßten, dem Erwerber gesondert in Rechnung zu stellen. Unter der Voraussetzung, daß der Erwerber auch die übrigen Voraussetzungen des § 12 UStG 1972 erfülle, könne er den ihm gesondert in Rechnung gestellten Betrag als Vorsteuer abziehen. Die Vorsteuern, die im Zusammenhang mit einem Grundstück, etwa bei einer Bebauung, angefallen seien, seien im Fall einer Zweckänderung gemäß § 12 Abs 10 UStG 1972 zu korrigieren. Die Konkurseröffnung und die damit verbundene Einstellung des Unternehmens bedeute eine derartige Zweckänderung, sodaß die Finanzbehörde zu Recht eine Vorsteuerberichtigung vorgenommen habe.
Im vorliegenden Fall habe der Beklagte Eigentum an der Liegenschaft durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Beim Zuschlag handle es sich um eine behördliche Anordnung im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1972, mit welcher der Umsatz vom Verpflichteten auf den Ersteher herbeigeführt werde. Bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 11 Abs 1 UStG 1972 sei der Verpflichtete zur Ausstellung einer mehrwertsteuergerechten Rechnung verpflichtet, um dem Erwerber einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Im Verhältnis zwischen dem Verpflichteten und dem Ersteher hätten neben den Bestimmungen der Exekutionsordnung aber ausschließlich die Bedingungen des Versteigerungsediktes samt den rechtskräftig genehmigten Versteigerungsbedingungen zu gelten. Im vorliegenden Fall sei in den Versteigerungsbedingungen nicht enthalten gewesen, daß der Ersteher über das Meistbot hinaus irgendeine weitere Zahlung zu erbringen habe. Die hier strittige Umsatzsteuer falle nicht unter die im Punkt 6 der Versteigerungsbedingungen erwähnten Steuern und öffentlichen Abgaben. Sie sei auch nicht den im § 152 Abs 4 EO erwähnten Übertragungsgebühren zuzurechnen. Es treffe zu, daß ein Unternehmer im Falle einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs 10 UStG 1972 den auf Grund der Berichtigung geschuldeten Betrag gesondert in Rechnung stellen könne. Dies bedeute aber nicht, daß vom Ersteher über das Meistbot hinaus dieser auf Grund der Berichtigung geschuldete Betrag zusätzlich gefordert werden könne. Es bedeute vielmehr, daß dieser Betrag in einer Rechnung über das Meistbot gesondert ausgewiesen werden könne. Selbst wenn die vom Kläger geltend gemachte Forderung des Gemeinschuldners zu Recht bestünde, sei der Kläger nicht berechtigt, die vom Beklagten geforderte Zahlung für sich zu verlangen. Er sei als Masseverwalter nicht Vertreter der Gläubiger des Gemeinschuldners. Wäre der Beklagte zur Zahlung verpflichtet, stünde dieses Geld nicht dem Masseverwalter, sondern den zumindest in der Höhe des Klagsbetrages unbefriedigt gebliebenen Pfandgläubigern zu.
Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde vom Kläger mit Berufung bekämpft.
In der Berufungsverhandlung vom 19. Oktober 1989 (ON 13) schränkte der Kläger das Klagebegehren auf S 600.161,09 sA ein, weil die Finanzlandesdirektion für Tirol mit Bescheid vom 7. Juni 1989 die Umsatzsteuer-Zahllast auf diesen Betrag herabgesetzt habe. Die Richtigkeit dieser Behauptung ist unbestritten. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung des Klägers Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des (eingeschränkten) Klagebegehrens ab.
Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, es sei rechtlich unerheblich, ob die Finanzbehörde die Vorsteuerberichtigung auf Grund der Konkurseröffnung oder der Zwangsversteigerung der Betriebsliegenschaft vorgenommen habe. Der Masseverwalter als Vertreter des Gemeinschuldners (zugleich des Verpflichteten im Zwangsversteigerungsverfahren) sei als Lieferant im Sinne des § 11 UStG 1972 anzusehen, während der Ersteher als Empfänger der Leistung (der versteigerten Liegenschaft samt Zubehör) zu behandeln sei. Zwischen diesen beiden Personen habe daher ein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang stattgefunden. Durch die Regelung des § 12 Abs 14 UStG 1972 sollten jene nachteiligen Folgen beseitigt werden, die den Verfassungsgerichtshof bewogen hätten, § 6 Z 9 lit a UStG 1972 als verfassungswidrig aufzuheben. Zur Vermeidung einer umsatzsteuerlichen Belastung von Grund und Boden sehe die Regelung des § 12 Abs 14 UStG 1972 im Fiktionsweg ein Vorsteuerabzugsrecht des Grundstückserwerbers für jene Beträge vor, die der Lieferer auf Grund des steuerfreien Umsatzes nach § 12 Abs 3 UStG 1972 nicht als Vorsteuer abziehen könne oder die er auf Grund des steuerfreien Umsatzes nach § 12 Abs 10 bis Abs 12 UStG 1972 berichtigen müsse. Um diesen Vorsteuerabzug zu ermöglichen, werde der Lieferer des Grundstückes berechtigt, diese Beträge in der Rechnung an den Abnehmer gesondert auszuweisen. Das Vorsteuerabzugsrecht des Grundstückserwerbers erstrecke sich grundsätzlich auf die gleichen Beträge, die beim steuerfrei liefernden Unternehmer gemäß § 12 Abs 3 UStG 1972 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen gewesen seien bzw. für die beim Lieferer eine Berichtigungspflicht nach § 12 Abs 10 bis Abs 12 UStG 1972 infolge der steuerfreien Veräußerung entstehe. Die hier maßgebliche Frage sei, ob dieses im § 12 Abs 14 UStG 1972 angeführte gesonderte Inrechnungstellen auch bedeute, daß hiedurch eine Zahlungspflicht des Erstehers ausgelöst werde. Sinn dieser Bestimmung sei die Entlastung des Rechtsverkehrs mit Grundstücken von der Umsatzsteuer. Wäre der Lieferer nur berechtigt, eine Rechnung über den vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen Betrag oder den Berichtigungsbetrag auszustellen, könnte er aber den entsprechenden Betrag nicht vom Ersteher verlangen, während dieser auf Grund der Rechnung sehr wohl ein Vorsteuerabzugsrecht geltend machen könne, so wäre der Ersteher bereichert. Schon hieraus ergebe sich, daß die Bestimmung des § 12 Abs 14 UStG 1972 dahin aufzufassen sei, daß der Lieferer den betreffenden Betrag nicht nur in Rechnung stellen könne, sondern auch einen Anspruch auf Bezahlung des inrechnungstellbaren Betrages habe. Diese aus § 12 Abs 14 UStG 1972 abzuleitende Zahlungsverpflichtung des Erwerbers stelle eine zivilrechtliche Norm dar, wie sie etwa auch im § 11 Abs 1 UStG 1972 für die Ausstellung der Rechnung statuiert werde.
Daß der Masseverwalter zur Geltendmachung dieser Forderung aktiv legitimiert sei, ergebe sich schon aus seiner Stellung als Vertreter des Gemeinschuldners und als Lieferer im Sinne des § 11 UStG 1972. Die Entscheidung des Erstgerichtes sei daher im Sinne der Stattgebung des im Berufungsverfahren eingeschränkten Klagebegehrens abzuändern.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.
Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch sachlich berechtigt. Gemäß § 12 Abs 14 UStG 1972 ist ein Unternehmer, wenn er nach § 6 Z 9 lit a dieses Gesetzes steuerfrei ein Grundstück liefert und aus diesem Grund ein Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 3 dieses Gesetzes ausgeschlossen oder eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs 10 bis Abs 12 dieses Gesetzes vorzunehmen ist, berechtigt, dem Empfänger der Lieferung den vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen oder auf Grund der Berichtigung geschuldeten Betrag - soweit er auf die Lieferung des Grundstückes entfällt - gesondert in Rechnung zu stellen. Dieser in der Rechnung gesondert ausgewiesene Betrag gilt für den Empfänger der Lieferung als eine für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung gesondert in Rechnung gestellte Steuer (§ 12 Abs 1 Z 1 dieses Gesetzes).
Durch diese mit dem Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl 1985/557, eingeführte gesetzliche Regelung sollten jene nachteiligen Folgen beseitigt werden, die den Verfassungsgerichtshof bewogen hatten, in seinem in VfSlg 10.405 veröffentlichten Erkenntnis vom 13. März 1985 die Vorschrift des § 6 Z 9 lit a UStG 1972 als verfassungswidrig aufzuheben. Zur Vermeidung einer umsatzsteuerlichen Belastung von Grund und Boden sieht diese gesetzliche Regelung im Fiktionsweg ein Vorsteuerabzugsrecht des Grundstückserwerbers für jene Beträge vor, die der Lieferer auf Grund des steuerfreien Umsatzes nicht als Vorsteuer abziehen kann oder berichtigen muß. Um diesen Vorsteuerabzug des Erwerbers zu ermöglichen, wird der Lieferer des Grundstückes berechtigt, diese Beträge in der Rechnung an den Erwerber gesondert auszuweisen (siehe dazu Kranich-Siegl-Waba-Ciganek; Mehrwertsteuerhandbuch5 Anm 39 zu § 12 UStG 1972).
Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelung bestehen keien Bedenken (siehe dazu Ruppe in NZ 1986, 173). Für die vom Kläger in seiner Revisionsbeantwortung angeregte Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 12 Abs 14 UStG besteht daher kein Anlaß. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der in SZ 52/101 veröffentlichten Entscheidung, auf deren ausführliche Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, ausgesprochen hat, ist beim Eigentumserwerb durch Zuschlag - umsatzsteuerrechtlich gesehen - der Verpflichtete als Lieferant und der Ersteher als Empfänger der Lieferung anzusehen.
Im Zwangsversteigerungsverfahren wird das Eigentum an der in Exekution gezogenen Liegenschaft durch den rechtsbegründenden gerichtlichen Akt des Zuschlages an den Ersteher übertragen, wobei die Versteigerungsbedingungen - ausschließlich und
erschöpfend - jene Bedingungen festlegen, unter denen diese Eigentumsübertragung auf Grund der exekutionsrechtlichen Vorschriften erfolgt. Sie entsprechen den Punkten eines Kaufvertrages bei der freiwilligen Veräußerung und legen den Inhalt des vom Gericht abzuschließenden Verkaufsgeschäftes fest; der Ersteher hat sich ihnen im Sinne des § 194 Abs 3 EO zu unterwerfen (SZ 52/13 mwN).
Es mag möglich sein, in den Versteigerungsbedingungen festzulegen, daß der Erwerber anfallende Umsatzsteuerbeträge zuzüglich zum Meistbot zu entrichten hat (siehe dazu Arnold in GesRZ 1990, 24). Enthalten die Versteigerungsbedingungen aber - wie im vorliegenden Fall - eine solche Bestimmung nicht, dann ist im Meistbot ein festgesetztes Bruttoentgelt zu sehen, das auch eine allfällige Umsatzsteuer umfaßt (Arnold aaO; ähnlich SZ 52/101). Da auch ein entsprechend der Vorschrift des § 12 Abs 14 UStG 1972 vom Lieferanten dem Empfänger gesondert in Rechnung gestellter Betrag nach dieser Vorschrift für den Empfänger der Lieferung als eine gesondert in Rechnung gestellte Steuer gilt, kann auch in einem derartigen Fall der Ersteher der zwangsversteigerten Liegenschaft, wenn die Versteigerungsbedingungen nichts Abweichendes bestimmen, zu keinen das Meistbot übersteigenden Leistungen verhalten werden. Dies mag - bei Nichtberücksichtigung solcher umsatzsteuerrechtlicher Fragen bei Ermittlung des Schätzwertes - rein wirtschaftlich gesehen dazu führen, daß unter Umständen der Ersteher im Fall der Ausnützung einer ihm zustehenden Möglichkeit zum Versteuerabzug begünstigt ist. Das vermag aber nichts daran zu ändern, daß für die Rechte und Pflichten des Erstehers die Versteigerungsbedingungen ausschließlich und erschöpfend maßgeblich sind.
Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes läßt sich aus der Vorschrift des § 12 Abs 14 UStG 1972 eine zivilrechtliche Verpflichtung des Empfängers, dem Lieferanten einen ihm im Sinne dieser Gesetzesstelle gesondert in Rechnung gestellten Betrag zu bezahlen, nicht entnehmen (siehe dazu Kranich-Siegl-Waba-Ciganek aaO Anm zu § 30 UStG 1972). Für eine derartige Auslegung gibt weder der Gesetzeswortlaut noch die dargestellte Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesstelle einen Anhaltspunkt. Auch aus bereicherungsrechtlichen Grundsätzen läßt sich für eine solche Auslegung nichts gewinnen. Abgesehen davon, daß dem Erwerber in derartigen Fällen nur dann ein Vorteil zukommt, wenn er vorsteuerabzugsberechtigt ist und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht (wozu er aber nicht verpflichtet ist und wovon er, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, aus den verschiedensten Gründen Abstand nehmen kann), kommt im Fall des Eigentumserwerbes durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze schon deswegen nicht in Betracht, weil eben die Rechte und Pflichten des Erstehers durch die Vorschriften der Exekutionsordnung und den Inhalt der Versteigerungsbedingungen erschöpfend und abschließend geregelt sind.
Es war daher in Stattgebung der Revision des Beklagten die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E22349European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00558.9.0926.000Dokumentnummer
JJT_19900926_OGH0002_0020OB00558_9000000_000