Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Dr. Richard H***, Architekt und Inhaber eines Ingenieurbüros,
Wiesengasse 3, D-6404 Neuhof, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Bruno L***, Berufskraftfahrer, Koschiergasse 7, 1210 Wien, vertreten durch Dr. Udo Kaiser, Rechtsanwalt in Wien, und 2) R*** Ö*** (Österreichische Bundesbahnen), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen S 500.000,- und Feststellung (S 200.000,-), infolge ordentlicher und außerordentlicher Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31.August 1989, GZ 15 R 139/89-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Teil-Zwischenurteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 24.März 1989, GZ 3 Cg 35/88-19, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
1.) Die außerordentlichen Revisionen der beklagten Parteien werden zurückgewiesen.
Den ordentlichen Revisionen der beiden beklagten Parteien wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das insoweit, als die Klagsforderung aus dem Titel des Schmerzengeldes dem Grunde nach mit zwei Dritteln als zu Recht bestehend erkannt wurde, als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt bzw bestätigt wird, wird im übrigen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen wird.
Die Kosten des Verfahrens über die ordentlichen Revisionen der beklagten Parteien sind als weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu behandeln.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 9.1.1987 ereignete sich gegen 8,05 Uhr auf der Bundesstraße 10 bei Km 69.067 (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen FD-DD 745 (D) und der Erstbeklagte als Lenker des Omnibusses mit dem Kennzeichen BB 5.320 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist die Halterin des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Die beiden Fahrzeuge kollidierten im Begegnungsverkehr. Dabei wurde der Kläger verletzt; die beiden Fahrzeuge wurden beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde gegen die beiden beteiligten Lenker zu U 104/87 des Bezirksgerichtes Neusiedl am See ein Strafverfahren eingeleitet. Der Erstbeklagte wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 28.9.1988 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß er durch Außerachtlassung der im Straßenverkehr notwendigen Sorgfalt und Aufmerksamkeit mit dem von ihm gelenkten Omnibus über die Fahrbahnmitte geriet und mit dem entgegenkommenden PKW des Klägers zusammenstieß. Hingegen wurde der Kläger gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. In diesen Strafurteil wurde der Erstbeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Teilschmerzengeldes von S 50.000,- an den Kläger verurteilt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 500.000,- (Schmerzengeld); überdies stellte er ein Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen darauf, daß den Erstbeklagten das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Der Kläger sei mit seinem PKW auf der Bundesstraße 10 von Nickelsdorf in Richtung Wien gefahren, wobei er eine Geschwindigkeit von etwa 50 bis 60 km/h und einen Seitenabstand von 1 bis 1,2 m zum rechten Fahrbahnrand eingehalten habe. Die Sichtweite habe mindestens 200 m betragen. Von beiden Seiten hätten Schneezungen 1 bis 1,5 m in die Fahrbahn hineingereicht. Aus der Gegenrichtung habe sich der vom Erstbeklagten gelenkte Omnibus genähert. Vor diesem seien zwei Lastkraftwagen gefahren. Der Erstbeklagte habe zu dem vor ihm fahrenden LKW einen eher geringen Abstand eingehalten. Er habe offenbar den vor ihm fahrenden LKW überholen wollen und sei dabei unmittelbar vor dem herankommenden PKW des Klägers mit der linken Flanke des Omnibusses wesentlich über die Fahrbahnmitte geraten. Der Kläger habe den Unfall nicht mehr verhindern können. Infolge einer von ihm vorgenommenen Notbremsung sei sein PKW etwas (bis zu 30 cm) nach links gekommen.
Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß den Kläger ein Mitverschulden von zumindest einem Drittel treffe. Der Erstbeklagte sei mit dem Omnibus hinter zwei LKW-Zügen in Richtung Nickelsdorf gefahren. Dadurch, daß durch die LKW-Züge der auf der Straße liegende Schnee aufgewirbelt worden sei, sei der aus der Gegenrichtung kommende Kläger in seiner Sicht behindert gewesen. Er habe die Scheibenwischanlage einschalten müssen und sei dabei zu weit nach links gekommen und gegen den Omnibus gestoßen. Die vom Kläger eingehaltene Geschwindigkeit sei überhöht gewesen. Das vom Kläger verlangte Schmerzengeld sei überhöht. Die Beklagten wendeten eine Schadenersatzforderung der Zweitbeklagten aus diesem Verkehrsunfall von S 166.507,63 aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Die Zweitbeklagte habe den Betrag von S 50.000,-
(Teilschmerzengeld), der dem Kläger im Adhäsionsverfahren zugesprochen worden sei, bezahlt.
Das Erstgericht entschied mit Teilzwischenurteil, daß die Klagsforderung aus dem Titel des Schadenersatzes (Schmerzengeld) dem Grunde nach mit zwei Dritteln zu Recht besteht. Daß die Klagsforderung mit einem weiteren Drittel dem Grunde nach nicht zu Recht besteht, wurde im Spruch der Entscheidung des Erstgerichtes nicht zum Ausdruck gebracht. Daß der Entscheidungswille des Erstgerichtes jedoch dahin ging, ergibt sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen seines Urteiles.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Bundesstraße verläuft im Unfallsbereich gerade und übersichtlich. Die Fahrbahnmitte ist durch Leitlinien, der Fahrbahnrand durch weiße Randlinien gekennzeichnet. Die Rauhasphaltfahrbahn ist von Apshaltrand zu Asphaltrand 7,7 m breit; der Abstand zwischen den Innenkanten der Randlinien beträgt 7 m. Zur Unfallszeit herrschte Tageslicht. Infolge Schneefalles betrug die Sichtweite etwa 200 m. Von beiden Seiten ragten fallweise auf Grund von Schneeverwehungen ca 10 bis 20 cm hohe Schneezungen, ca 1 bis 1,5 m in die Fahrbahn hinein, weshalb auch Rand- und Leitlinien schlecht sichtbar waren. Im unmittelbaren Unfallsbereich waren jedoch solche Schneezungen nicht vorhanden. Die Fahrbahnoberfläche war stellenweise vereist und mit festgefahrenem Schnee bedeckt. Es war nicht gestreut.
Der Kläger fuhr mit seinem 1,8 m breiten PKW aus Richtung Nickelsdorf kommend in Richtung Wien. Er hielt eine Fahrgeschwindigkeit von ca 50 bis 60 km/h und eine Fahrlinie etwa 30 bis 60 cm rechts der in Fahrbahnmitte befindlichen Leitlinie, die nur zum Teil sichtbar war, ein.
Aus der Gegenrichtung näherte sich der Erstbeklagte mit dem mit 9 Fahrgästen besetzten 2,5 m breiten Omnibus. Er hielt eine Geschwindigkeit von etwa 60 bis 70 km/h ein. Vor ihm fuhren zwei LKW-Züge, wobei er zu dem vor ihm fahrenden LKW-Zug zunächst einen Abstand von etwa 50 bis 60 m einhielt. Der Erstbeklagte fuhr dabei in den Fahrspuren, die von dem vor ihm fahrenden LKW-Zügen vorgegeben waren, wobei ihm angesichts der infolge Schneelage nicht erkennbaren Leitlinie nicht auffiel, daß er eine Fahrlinie ca 50 cm über der Fahrbahnmitte einhielt.
Wegen des von den entgegenkommenden LKW-Zügen von der Fahrbahn aufgewirbelten Schnees mußte der Kläger an seinem PKW die Scheibenwischanlage einschalten, obwohl sich der dafür vorgesehene Hebel am Lenkrad befindet und mit Fingerdruck betätigt werden kann, kam der Kläger dadurch mit seinem Fahrzeug etwa 20 bis 50 cm nach links ab und kollidierte mit dem entgegenkommenden Omnibus. Bei der Kollision zwischen den Frontecken des PKW und des Omnibus mit einer Überdeckung von etwa 40 cm befand sich der PKW des Klägers 10 cm rechts der Fahrbahnmitte auf seiner rechten Fahrbahnhälfte, wogegen sich der Omnibus 50 cm über der Fahrbahnmitte, also auf der vom Kläger benützten Fahrbahnhälfte befand. Der Omnisbus befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem leichten Schrägzug nach rechts im Ausmaß von 1 1/2 Grad. Die Fahrlinie des PKW lag in einem Bereich von etwa 1,6 m zu der rechts befindlichen Randlinieninnenkante. Die Kollisionsgeschwindigkeit des PKW betrug etwa 58 km/h, die des Omnibus etwa 49 km/h. Die Abwehrstrecke bzw die Abwehrzeit des Erstbeklagten betrug 29,1 m bzw 1,9 Sekunden. Die tatsächliche Entfernung zum Gefahrenerkennungszeitpunkt betrug für den Erstbeklagten rund 60 m. Bei diesem Unfall erlitt der Kläger schwere Verletzungen, und zwar eine Luxationsfraktur des linken Schenkelkopfes mit Ausbruch des hinteren Pfannendaches in Verbindung mit einer Teillähmung des Ischiasnervs, einen Bruch des Schienbeinkopfes links, eine Prellung des Schädels und des Brustkorbes sowie zahlreiche Hautabschürfungen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß den beiden beteiligten Lenkern ein Verstoß gegen § 7 Abs 1 StVO zur Last zu legen sei. Es sei dem Kläger zumutbar gewesen, im Bereich der Unfallstelle eine Fahrlinie zunächst dem rechten Fahrbahnrand zu wählen; der Erstbeklagte hätte die Fahrbahnmitte nicht überfahren dürfen. Diesem beiderseitigen Fehlverhalten sei eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten angemessen. Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft. Der Kläger bekämpfte sie insoweit, als seine Schmerzengeldforderung dem Grunde nach nicht zur Gänze als zu Recht bestehend erkannt wurde; die Beklagten bekämpften die Entscheidung des Erstgerichtes insoweit, als nicht die Zahlung von S 50.000,- berücksichtigt, das Klagebegehren nicht mit einem Betrag von S 216.666,67 sA abgewiesen und nicht ausgesprochen wurde, daß die eingewendete Gegenforderung mit einem Drittel zu Recht besteht.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil vom 31.8.1989 (ON 29) der Berufung der Beklagten keine Folge. Hingegen gab es der Berufung des Klägers Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klagsforderung aus dem Titel des Schadenersatzes (Schmerzengeld) dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte und aussprach, daß die Gegenforderung der Zweitbeklagten nicht zu Recht besteht.
Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, der Kläger bekämpfe in seiner Berufungsschrift die Feststellung, er sei in der letzten Bewegungsphase vor der Kollision durch Betätigung der Scheibenwischanlage aus seiner ursprünglich eingehaltenen Fahrlinie nach links abgekommen und daß sich der vom Erstbeklagten gelenkte Omnibus in den Fahrspuren der vor ihm fahrenden Lastkraftwagen bewegt habe. Wenn diese Bedenken des Klägers auch grundsätzlich vom Berufungsgericht geteilt würden, seien sie doch ohne Relevanz für die rechtliche Beurteilung der Sache. Das Ausmaß des rechtsseitigen Sicherheitsabstandes richte sich nach den Umständen des Einzelfalles, somit insbesondere nach der Fahrbahnbreite, der Geschwindigkeit und den gegebenen Fahrbahnverhältnissen. Die Verpflichtung, am rechten Fahrbahnrand zu fahren (§ 7 Abs 2 StVO) trete ein, wenn im großen Durchschnitt gesehen eine gefährliche Situation der vom Gesetz beispielsweise aufgezählten Art vorliege; andererseits solle die Bestimmung des § 7 StVO die Flüssigkeit des Verkehrs nur so weit beschränken, als es im Interesse der Sicherheit erforderlich sei. Hievon ausgehend seien in der Rechtsprechung auch größere Abstände toleriert worden, wenn sich daraus ein ausreichender Abstand von der Fahrbahnmitte ergeben habe, um den Gegenverkehr ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit zu ermöglichen. Daß dieses Erfordernis hier vorgelegen sei, gehe schon daraus hervor,daß der Kläger die vor dem Omnibus fahrenden Lastkraftwagen problemlos passiert habe. Daß der Kläger in der Folge - aus welchem Grund immer - 20 bis 50 cm nach links abgekommen sei, sodaß er nur mehr einen Abstand von 10 cm zur Mittellinie eingehalten habe, schade schon deshalb nicht, weil für den Omnibus 3,6 m innerhalb der Randlinien bzw 3,95 m Durchfahrtbreite auf dem befestigten Teil der Fahrbahn übrig geblieben sei. Während der PKW mit seinem geringeren Eigengewicht bei den festgestellten Fahrbahnverhältnissen nicht äußerst rechts gelenkt zu werden brauchte, habe für den Erstbeklagten kein Grund bestanden, sein erheblich schwereres Kraftfahrzeug im Begegnungsverkehr nicht äußerst rechts zu halten. Der Kläger habe ebenso wie der Erstbeklagte dem Gebot des § 7 Abs 2 StVO nicht entsprochen, weil es ihm möglich gewesen wäre, die von ihm ursprünglich eingehaltene Fahrlinie beizubehalten; der Unfall sei aber dadurch herbeigeführt worden, daß der Erstbeklagte die Fahrbahnmitte um 50 cm überfahren habe. Gegenüber dem schwerwiegenden Verschulden des Erstbeklagten trete daher der Verstoß des Klägers gegen die genannte Vorschrift so weit zurück, daß er zu vernachlässigen sei.
Das Gericht könne nach § 393 Abs 1 ZPO in einem Rechtsstreit, in dem ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und die Verhandlung zunächst bloß in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif sei, vorab über den Grund des Anspruches durch Zwischenurteil entscheiden. Den Grund des Anspruches bilde im vorliegenden Fall die Frage, ob bei unbestritten feststehender Verletzung des Klägers eine Verschuldensteilung vorzunehmen sei oder nicht, somit der Umfang der Haftung der Beklagten. Es könne daher mit Zwischenurteil auch nicht über einen Teilbetrag der Höhe nach abgesprochen werden, obwohl die Beklagten wegen der Identität des Haftungsgrundes als Gesamtschuldner anzusehen seien. Darüber hinaus würde eine Berücksichtigung des von der Zweitbeklagten bezahlten Schmerzengeldes im Rahmen des klagsabweisenden Teiles des Urteiles zu einer Doppelverrechnung dieses Betrages zu ihren Gunsten führen. Auch die Kompensandoeinwendung der Zweitbeklagten sei als zum Grund des Anspruches gehörig anzusehen. Ein Zwischenurteil könne nur gefällt werden, wenn feststehe, daß die Klagsforderung durch die Gegenforderung, selbst wenn diese zur Gänze zu Recht bestehe, nicht aufgehoben werde. Bestehe daher im vorliegenden Fall der Klagsanspruch zur Gänze zu Recht, sei nicht zu befürchten, daß die einredeweise geltend gemachte Gegenforderung die Höhe der Klagsforderung erreichen könnte.
Diese Entscheidung des Berufungsgerichtes wurde von beiden Beklagten mit ordentlichen Revisionen bekämpft. Beide Beklagte machten in diesen Rechtsmitteln den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragten, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß ausgesprochen wird, daß die Klagsforderung aus dem Titel des Schadenersatzes (Schmerzengeld) dem Grunde nach abzüglich S 50.000,- zu Recht besteht, daß das Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 216.666,67 sA mit Teilurteil abgewiesen wird und daß ausgesprochen wird, daß die eingewendete Gegenforderung der Zweitbeklagten zu einem Drittel dem Grunde nach zu Recht besteht".
Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, diese Revisionen der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihnen keine Folge zu geben. Anläßlich der Vorlage dieser Rechtsmittel berichtigte das Berufungsgericht mit Beschluß vom 24.4.1990 (ON 34) sein Urteil vom 31.8.1989 (ON 29) dahin, daß es aussprach, daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht begründete diesen Beschluß im wesentlichen damit, es habe das angefochtene Urteil im Umfang von einem Drittel der Schadenersatzforderung des Klägers, daher um S 166.666,67, abgeändert. Daher wäre nach § 502 ZPO auszusprechen gewesen, ob die Revision zulässig sei. Dies sei versehentlich unterlassen worden und sei nach den §§ 419, 430 ZPO nachzuholen. Die Revision sei nicht zuzulassen, weil das Berufungsgericht nur über Ermessensfragen zu entscheiden gehabt habe, deren Bedeutung über den konkreten Einzelfall nicht hinausreiche.
Innerhalb offener Frist nach Zustellung dieses Berichtigungsbeschlusses brachten beide Beklagte außerordentliche Revisionen gegen das Urteil des Berufungsgerichtes mit den gleichen Anträgen ein, die sie bereits in ihren vorher eingebrachten ordentlichen Revisionen gestellt hatten.
Diese außerordentlichen Revisionen sind zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 508a Abs 1 ZPO (aF) ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 3 ZPO (aF) nicht gebunden. Gemäß § 502 Abs 4 Z 2 ZPO (aF) ist die Revision jedenfalls zulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 300.000,- übersteigt. Darunter ist der gesamte Streitgegenstand zu verstehen, über den das Berufungsgericht entschieden hat, sei es bestätigend, abändernd oder aufhebend (Fasching, Zivilprozeßrecht1 Rz 1880; Petrasch in ÖJZ 1983, 175). Nach ständiger Rechtsprechung ist im Fall eines Zwischenurteiles über ein auf Zahlung von Geld gerichtetes Leistungsbegehren der Wert des Streitgegenstandes mit dem Geldbetrag, auf den sich diese Entscheidung erstreckt, gleichzusetzen (ZBl 1936/401; 8 Ob 535/86; 2 Ob 158/88 uva). Davon ausgehend ergibt sich der Streitwert der Berufung des Klägers, mit der dieser die Entscheidung des Erstgerichtes insoweit bekämpfte, als seine Schmerzengeldforderung dem Grunde nach nicht zur Gänze als zu Recht bestehend erkannt wurde, mit S 166.666,67. Der Streitwert der Berufung der Beklagten, mit der diese unter anderem die Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von 216.666,67 sA anstrebten, ist jedenfalls zumindest mit diesem Betrag anzusetzen. Daraus ergibt sich aber, daß der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, jedenfalls an Geld oder Geldeswert S 300.000,- übersteigt, sodaß im Sinne der Vorschrift des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO (aF) die ordentliche Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes ohne Rücksicht auf dessen unzutreffenden Ausspruch nach § 500 Abs 3 ZPO (aF) jedenfalls zulässig ist. Da die Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes ordentliche Revisionen eingebracht haben, sind ihre später nach Zustellung des Berichtigungsbeschlusses des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revisionen, mit denen sie die gleichen Anträge stellten wie zuvor in ihren ordentlichen Revisionen, als unzulässig zurückzuweisen, weil ihre Rechtsmittelbefugnis bereits durch Einbringung ihrer ordentlichen Revisionen verbraucht war. Die von beiden Beklagten erhobenen ordentlichen Revisionen sind somit zulässig, sachlich im Ergebnis aber nur teilweise berechtigt. Die Beklagten wenden sich in ihren Rechtsmitteln nicht dagegen, daß ein Teilzwischenurteil über das Leistungsbegehren des Klägers gefällt wurde. Sie versuchen zunächst darzutun, daß im Rahmen eines solchen Urteiles die bereits von der Zweitbeklagten geleistete Zahlung von S 50.000,- zu berücksichtigen und über die eingewendete Gegenforderung dem Grunde nach abzusprechen sei; davon ausgehend sei bei nach Meinung der Beklagten richtiger rechtlicher Beurteilung bei einer vorzunehmenden Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu ihren Lasten das Leistungsbegehren des Klägers mit einem Betrag von S 216.666,67 sA mit Teilurteil abzuweisen.
In diesem Umfang ist den Revisionen der Beklagten nicht zu folgen.
Über eine aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung ist mit Zwischenurteil überhaupt nicht abzusprechen, weil nach § 393 Abs 1 ZPO über den Grund des mit Klage geltend gemachten Anspruches zu entscheiden ist (EvBl 1962/119; RZ 1974/121; 8 Ob 227/82 ua). Nach der durch Art X Z 8 WGN 1989 eingeführten Bestimmung des letzten Halbsatzes des § 393 Abs 1 ZPO kann mit Zwischenurteil auch dann entschieden werden, wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht. Diese Bestimmung ist, da in Art XLI Z 2 ff WGN 1989 nichts Abweichendes angeordnet wird, gemäß Art XLI Z 1 WGN 1989 mit 1.8.1989 in Kraft getreten. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (RV 888 Blg NR 17.GP 44) ergibt, sollte durch diese Ergänzung des § 393 Abs 1 ZPO klargestellt werden, daß in Fällen, in denen strittig ist, ob ein unbestrittenermaßen entstandener Schaden durch eine Teilzahlung oder durch eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung getilgt ist, die Entscheidung über den Grund des Anspruches nicht die Klärung dieses Tilgungseinwandes voraussetzt. Gerade darum handelt es sich aber bei der von den Beklagten relevierten Frage der Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlung und der erhobenen Aufrechnungseinrede. Aber auch nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der WGN 1989 hätten diese Einwendungen der Beklagten zu keinem Erfolg führen können, weil die von diesen Fragen allein betroffene prozessuale Unzulässigkeit eines Zwischenurteiles nur auf entsprechende Rüge einer Partei wahrgenommen hätte werden können (SZ 53/92 mwN ua), die Beklagten aber die Zulässigkeit der Fällung eines Zwischenurteiles über das Leistungsbegehren des Klägers gar nicht in Frage stellen. Soweit die Beklagten anstreben, daß das Leistungsbegehren des Klägers mit einem bestimmten Betrag abzuweisen wäre, wollen sie in Wahrheit die Fällung eines Teilurteiles im Sinne des § 391 ZPO erreichen. Gegen die Verweigerung eines Teilurteiles ist aber ein Rechtsmittel nicht zulässig, gleichgültig, ob die Erlassung eines solchen Teilurteiles von der ersten oder der zweiten Instanz verweigert wurde und aus welchen Gründen dies geschehen ist (SZ 56/150 mwN ua).
Soweit die Beklagten allerdings die Richtigkeit der vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Rechtsansicht bekämpfen, daß, ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, dem Erstbeklagten das Alleinverschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall anzulasten sei, kann ihren Revisionsausführungen im Ergebnis Berechtigung nicht abgesprochen werden.
Es handelt sich im vorliegenden Fall nicht darum, daß im Begegnungsverkehr der Kläger mit seinem PKW auf seiner Fahrbahnhälfte einen tolerierbaren Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand eingehalten hätte, während der Erstbeklagte mit dem von ihm gelenkten Omnibus grundlos die Fahrbahnmitte überfahren hätte. Geht man vielmehr davon aus, daß nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen der Kläger mit seinem PKW von vornherein eine solche Fahrlinie einhielt, daß eine gefahrlose Begegnung mit dem weithin sichtbaren Omnibus keinesfalls gewährleistet war, daß er trotzdem mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfuhr und daß er nicht nur seine im § 10 Abs 1 StVO normierte Verpflichtung zum rechtzeitigen und ausreichenden Ausweichen nach rechts vernachlässigte, sondern infolge einer Unachtsamkeit beim Einschalten der Scheibenwischanlage sogar noch nach links auslenkte, dann kann keine Rede davon sein, daß dieses dem Kläger anzulastende Fehlverhalten bei Abwägung des Verschuldens der beteiligten Lenker vernachlässigt werden könnte.
Allerdings kann über die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Verschuldensteilung derzeit noch nicht abgesprochen werden, weil der Kläger in seiner Berufung die Richtigkeit von dieser Entscheidung zugrundeliegenden Feststellungen über den Unfallsablauf in weitem Umfang bekämpfte, das Berufungsgericht aber, ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, diese Tatsachenrüge in seiner Entscheidung nicht behandelte. Darauf wird in der Revisionsbeantwortung des Klägers zutreffend hingewiesen.
Es war daher das angefochtene Urteil in teilweiser Stattgebung der Revision der Beklagten insoweit, als die Klagsforderung aus dem Titel des Schmerzengeldes dem Grunde nach mit mehr als zwei Dritteln als zu Recht bestehend erkannt wurde, aufzuheben. In diesem Umfang war die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das über die Berufung des Klägers neuerlich zu entscheiden haben wird. Über eine allenfalls vorzunehmende Verschuldensteilung wird erschöpfend erst nach Erledigung der in der Berufung des Klägers ausgeführten Tatsachenrüge abgesprochen werden können. Der Vorbehalt der Kosten des Verfahrens über die ordentlichen Revisionen der Beklagten beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E22108European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00078.9.0926.000Dokumentnummer
JJT_19900926_OGH0002_0020OB00078_9000000_000