TE OGH 1990/9/26 9ObA195/90

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Veröffentlicht am 26.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Gerald Kopecky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*** S*** W*** V***, Wien 1.,

Ringturm, vertreten durch Dr. Peter Raits ua, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Michael S***, Versicherungsprovisionär, Bergheim, Freyweg 26, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer und Dr. Rainfried Eberl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 80.481 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.April 1990, GZ 12 Ra 12/90-27, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. November 1989, GZ 20 Cga 250/88-19, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.629,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 771,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war ab 1.Juni 1986 als Angestellter bei der klagenden Partei beschäftigt. Seine Hauptaufgabe war es, eine spezielle Verkaufsorganisation für bestimmte Lebens- und Unfallversicherungen, die WSO-Einheit, wie sie damals schon für Wien bestand, im Bundesland Salzburg aufzubauen. Der Beklagte hatte Mitarbeiter auszuwählen, sie vertraglich zu binden, einzuschulen und zu betreuen. So wie alle anderen Mitarbeiter der klagenden Partei konnte der Beklagte auch selbst eine Akquisitionstätigkeit entfalten, wofür ihm Provisionen zu den im Unternehmen der beklagten Partei üblichen Bedingungen zustanden. Für die Leitung der WSO-Einheit vereinbarten die Parteien neben einem fixen Monatsgehalt von 17.000 S noch Superprovisionen in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der von der WSO-Einheit akquirierten Kapitalversicherungssummen in der Lebensversicherung bzw. der Neu- und Plusprämien in der Unfallversicherung. Ab 1.Jänner 1987 wurde diese 12mal jährlich zu zahlende Superprovision mit 4.000 S garantiert, was bedeuten sollte, daß sie dem Beklagten in dieser Höhe auch dann zustehen sollte, wenn die WSO-Einheit so wenig akquiriert, daß diese Superprovision nicht erreicht worden wäre. Darüber hinaus erhielt der Beklagte noch Akonti auf den Superprovisionsanspruch (von Jänner bis August 1987 monatlich je 16.000 S und von September bis November 1987 monatlich je 6.000 S). Bezüglich dieser Akontobeträge war ausdrücklich vereinbart, daß sie mit den tatsächlichen Leistungen des Beklagten und seiner Organisation gegenverrechnet werden können: Provisionsansprüche werden an die Mitarbeiter der klagenden Partei bereits vor ihrer Fälligkeit ausgezahlt. Werden im relevanten Zeitraum (das ist vor allem das erste Versicherungsjahr) Versicherungsverträge storniert, werden bereits ausgezahlte Prämien rückverrechnet. Nach der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung entstand der Provisionsanspruch, ungeachtet allenfalls früher erfolgter Gutschriften, erst mit der Zahlung der vollen Prämie. Dieser Anspruch erlosch rückwirkend, wenn bereits gezahlte Prämien, aus welchem Grund immer, ganz oder teilweise rückvergütet wurden. Eine schon bezogene Provision war in diesem Fall rückzuerstatten. Es bestand für die klagende Partei keine Verpflichtung zur Prämienklage oder zur Eintreibung der Prämien durch Zwangsvollstreckung. Von den

223 Versicherungsverträgen, welche die vom Beklagten geleitete WSO-Einheit im Jahre 1987 akquirierte, mußten 81 Verträge storniert werden, weil die Versicherungsnehmer die Prämie nicht zahlten. Insgesamt hatte der Kläger im Jahre 1987 194.000 S aus dem Titel Superprovision erhalten (davon 48.000 S Garantieprovision und 146.000 S Provisionsakonti). Nach Abzug der stornierten Verträge beträgt der Superprovisionsanspruch des Beklagten für das Jahr 1987

113.519 S.

Nachdem die klagende Partei im Oktober 1987 den Entschluß gefaßt hatte, den Kläger zu kündigen, übergab der Direktor der Landesdirektion Salzburg dem (einfachen) Betriebsratsmitglied Dr. Ernst K*** am 27.Oktober 1987 ein entsprechendes Verständigungsschreiben. Dieser überreichte es am nächsten Tag dem Betriebsratsvorsitzenden. Am 30.Oktober 1987 beschloß der Betriebsrat, die Kündigung zur Kenntnis zu nehmen. Am 3.November 1987 wurde der Beklagte daraufhin - nachdem er eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt hatte - zum 31.Dezember 1987 gekündigt. Der Beklagte war mit dem von der klagenden Partei vorgeschlagenen Verbrauch seines Erholungsurlaubs während der Kündigungsfrist nicht einverstanden, sondern erklärte sich, abgesehen von Postensuchtagen, arbeitsbereit. Daraufhin wurde der Beklagte dienstfrei gestellt. Nach der Kündigung setzte sich der Beklagte mit dem Zentralbetriebsrat der klagenden Partei in Wien in Verbindung. Dort erläuterte ihm der Zentralbetriebsratsvorsitzende die Lage und meinte, man rechne mit gerichtlichen Schritten des Beklagten gegen die Kündigung. Der Beklagte unternahm aber diesbezüglich keine Schritte. Ab 1.Jänner 1988 ging der Beklagte mit der Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesländer ein neues Dienstverhältnis ein. Mit Schreiben seines Anwaltes vom 4.Februar 1988 lehnte der Beklagte eine Rückzahlung der von der klagenden Partei rückgeforderten Provisionen ab und kündigte die Geltendmachung von Gegenforderungen an. Ferner wies der Beklagte darauf hin, daß der zuständige Betriebsrat mit der Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses nicht befaßt worden sei; der Beklagte behalte sich die Würdigung der daraus resultierenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen ausdrücklich vor. Hingegen erklärte der Beklagte in diesem Schreiben nicht, daß er weiterhin arbeitsbereit sei. Die klagende Partei begehrt die Rückzahlung von Superprovisionszahlungen von 80.481 S sA.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß eine Anrechnung der Garantieprovisionen nicht vereinbart worden sei. Im übrigen habe der Beklagte die Entgeltzahlungen gutgläubig für seinen Lebensunterhalt verbraucht. Die Kündigung vom 3.November 1987 sei rechtsunwirksam, weil die nach § 105 ArbVG gebotene Frist von fünf Arbeitstagen zwischen Verständigung des Betriebsrates und Ausspruch der Kündigung nicht eingehalten worden sei. Der Beklagte mache daher für Jänner bis März 1988 einen Betrag von 129.470 S an Kündigungsentschädigung als Gegenforderung geltend.

Die klagende Partei erwiderte, daß der Beklagte, der ab 1.Jänner 1988 ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen sei und ab diesem Zeitpunkt keinerlei Arbeitsbereitschaft gegenüber der klagenden Partei bekundet habe, der Vertragsauflösung zum 31.Dezember 1987 zugestimmt habe.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 32.481 S als berechtigt, erachtete das Mehrbegehren von 48.000 S und die Gegenforderung als unberechtigt; es sprach der klagenden Partei einen Betrag von 32.481 S sA zu und wies das Mehrbegehren von 48.000 S sA ab. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß bei Verrechnung der Akontozahlungen die Garantieprovisionen von 48.000 S nicht zu berücksichtigen seien; hingegen sei ein gutgläubiger Verbrauch der Provisionsakonti nicht anzunehmen. Die Kündigung des Klägers sei infolge Nichteinhaltung der Frist des § 105 Abs 1 ArbVG zwar rechtsunwirksam - die Verständigung des Betriebsratsvorsitzenden sei erst am 28.Oktober 1987 erfolgt, sodaß die fünftägige Frist erst mit Ablauf des 3.November 1987 geendet habe - doch sei das Verhalten des Beklagten, der nichts gegen die Kündigung unternommen habe, ein neues Arbeitsverhältnis ab 1.Jänner 1988 eingegangen sei und sich nach dem 1.Jänner 1988 nicht mehr als arbeitsbereit erklärt habe, als schlüssige Auflösung zu werten. Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung ab, wobei es aussprach, daß die eingewendeten Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Garantieprovision zwar nicht rückforderbar, aber bei Überschreitung der Garantiesumme durch die verdienten Provisionen auf diese anrechenbar sei. Die Kündigung des Beklagten sei rechtsunwirksam. In diesem Falle habe er die Wahl, entweder auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bestehen (durch Feststellungsklage oder Geltendmachung des Anspruches auf Entgelt) oder Schadenersatz in Form einer Kündigungsentschädigung zu begehren. Für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 31.März 1988 stehe ihm dieser Anspruch aber nicht zu, weil bei Einhaltung der in § 105 ArbVG vorgesehenen Frist der Ausspruch der Kündigung am 5.Dezember 1987 gleichfalls zum 31. Dezember 1987 möglich gewesen wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; in eventu wird die Abänderung dahin begehrt, daß die Klagsforderung mit 80.481 S und die Gegenforderung mit 129.470 S als berechtigt erkannt und das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird weiters ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Was die Klagsforderung betrifft, genügt es, auf die zutreffende Beurteilung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes zu erwidern:

Aus dem Umstand, daß die Garantieprovision nicht rückforderbar ist, kann entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht geschlossen werden, daß sie zur Gänze aus der Provisionsverrechnung ausscheidet; andernfalls wäre sie nicht als Provisionszahlung anzusehen, sondern als Teil des Fixgehaltes. Dem Revisionswerber ist daher zwar darin beizupflichten, daß er mit der Rückforderung der Garantieprovision von 4.000 S monatlich nicht rechnen mußte, weil sie ihm auch dann gebührte, wenn die vom Beklagten bzw. seiner Organisation tatsächlich erzielten Provisionen diesen Betrag nicht erreichten; hingegen konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, daß ihm die diese Summe übersteigenden Provisionsakonti auch dann verbleiben würden, wenn das Provisionsaufkommen unter den akontierten Beträgen (zuzüglich Garantieprovision) bleiben sollte, sodaß diesbezüglich der Einwand des gutgläubigen Verbrauches unberechtigt ist. Tatsächlich wird von der klagenden Partei lediglich ein Teil der die Garantieprovision übersteigenden Provisionsakonti von insgesamt 146.000 S (für 1987) zurückgefordert, wobei den verdienten Provisionen, wie es der Vereinbarung entsprach, nicht nur die Provisionsakonti, sondern auch die Garantieprovisionen gegenüberzustellen waren.

Zu Recht hat das Berufungsgericht weiters die Regelungen des Dienstvertrages über die Eigenprovision auch auf die dem Beklagten zugesicherte Superprovision angewendet. War die beklagte Partei gegenüber dem Mitarbeiter, der den Vertragsabschluß durch eigene Akquisitionstätigkeit herbeigeführt hatte, nicht zur Prämienklage und Eintreibung der Prämie verpflichtet, dann wäre es widersinnig, würde man eine derartige Verpflichtung gegenüber dem annehmen, der einen bloßen Anspruch auf Superprovision hatte.

Zur Gegenforderung des Beklagten:

Der Beklagte hat im Verfahren erster Instanz als Gegenforderung unter anderem einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung für den Zeitraum von Jänner bis März 1988 im Betrage von 129.470 S geltend gemacht. Selbst bei Zutreffen seines Standpunktes, die von der klagenden Partei am 3.November 1987 ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, er habe auch nicht schlüssig der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.Dezember 1987 zugestimmt, wäre dem Beklagten nicht die Kündigungsentschädigung, sondern das - gemäß § 1155 Abs 1 ABGB um anderweitigen Erwerb oder absichtlich versäumten Erwerb zu mindernde - fortlaufende Entgelt zugestanden; da der Kläger, der ab 1.Jänner 1988 ein neues Dienstverhältnis mit der Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesländer begann, nicht diesen Anspruch geltend machte, erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob er der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch sein Verhalten schlüssig zugestimmt hat.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E22032

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00195.9.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19900926_OGH0002_009OBA00195_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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