TE OGH 1990/9/27 7Ob662/90

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Veröffentlicht am 27.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann, Dr. Niederreiter, Dr. Redl und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache 1.) der mj. Bianca P***, geboren am 10. März 1987, und 2.) des mj. Andreas P***, geboren am 12. Oktober 1978, beide in Obsorge der Mutter Marianne P***, Wels, Rablstraße 14, infolge Revisionsrekurses des Kindesvaters Johann P***, Gerätefahrer, Steinhaus, Oberhart 39, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in Lambach, wegen Unterhalt, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 21.März 1990, GZ R 270/90-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 1.Feber 1990, GZ 2 P 181/89-15, zum Teil bestätigt, zum Teil abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß, soweit er nicht durch den Zuspruch von S 1.000,- monatlich pro Kind ab 1.11.1989 und durch die Abweisung des S 2.200,- monatlich pro Kind ab 1.11.1989 übersteigenden Unterhaltsmehrbegehrens unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, in seinem restlichen, den Vater verpflichtenden Teil aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neue nach Verfahrensergänzung zu treffende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der beiden unterhaltsberechtigten Kinder ist noch aufrecht, die Mutter lebt mit den Kindern im Haus für Frauen in Not in Wels, während der Vater in der ehelichen Mietwohnung in Steinhaus verblieben ist. Für diese Wohnung hat er monatlich S 1.600 an Miete und S 1.000 an Betriebskosten und Strom zu bezahlen. Er bezieht ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 14.800,-, während die Mutter über ein solches von S 5.600,-- verfügt. Diese muß für ihre und die Unterkunft der Kinder täglich S 100,-- bezahlen. Die Kreditverbindlichkeiten der Eltern bei der PSK belaufen sich auf S 175.000,--. Die Kredite wurden zur Anschaffung eines PKWs, von Wohnungseinrichtungsgegenständen und zur Deckung der Ausgaben des täglichen Lebens aufgenommen. Die monatliche Rückzahlungsrate von S 6.100,-- wird derzeit allein vom Vater getragen. Die monatliche Leasingrate für den vom Vater allein benützten PKW beträgt etwa S 2.500. Vom Wohnort des Vaters besteht um 6 Uhr in der Früh eine entsprechende Zugsverbindung nach Wels, wo er seinen Arbeitsplatz hat. Der Vater könnte seinen Arbeitsplatz auch mit einem Moped erreichen.

Das von der Mutter betraute Jugendamt begehrte für die beiden Kinder eine monatliche Untehaltszahlung von je S 2.930,-- ab 1.11.1989. Der Vater hat sich nur zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 1.000,-- pro Kind bereit erklärt. Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von je S 2.500,-- ab 1.11.1989, wies das Unterhaltsmehrbegehren ab und traf die oben wiedergegebenen Feststellungen. Das Rekursgericht setzte über Protokollarrekurs des Vaters dessen monatliche Unterhaltsverpflichtung pro Kind auf je S 2.200,-- herab und wies das Unterhaltsmehrbegehren ab. Es erklärte den außerordentlichen Revisionsrekurs für unzulässig. Es kam rechtlich zum Ergebnis, daß es sich bei den PSK-Krediten "offensichtlich" um gemeinsame Verbindlichkeiten beider Ehegatten handelt und daß die zu berücksichtigenden Ausgaben des Vaters für Kreditrückzahlungen und für seine Kosten, die er zur Erreichung des Arbeitsplatzes aufwenden muß, mit einem (gleich § 273 ZPO ausgemittelten) Betrag von S 3.000,-- von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug zu bringen sind. In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs begehrt der Vater nur die Aufhebung der Rekursentscheidung und die Verfahrensfortsetzung vor dem Erstgericht.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs wird nur mehr die Nichtberücksichtigung der restlichen Kreditrückzahlungsrate und die Nichtberücksichtigung der PKW-Kosten als Rechtsfrage geltend gemacht. Nach der Rechtsprechung der Rekursgerichte innerhalb der letzten 3 Jahre vor Inkrafttreten der WGN 1989 stellten Kredite, die zur Erhaltung der Arbeitskraft und der wirtschaftlichen Existenz des Verpflichteten aufgenommen worden sind, weiters solche, die für einen beruflich notwendigen PKW, soweit dessen Anschaffungskosten angemessen sind, und außerdem Kredite, die zur Deckung einer unabwendbaren außergewÄhnlichen Belastung aufgenommen worden sind - in diesem Zusammenhang wurden auch Kredite für Anschaffungen für die gemeinsam bewohnte Wohnung anerkannt - eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage dar (EFSlg.56.395 ff, 53.064 ff).

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung der Rekursgerichte sind auch Kosten, die für die Erreichung des Arbeitsplatzes notwendig sind, Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage (vgl. EFSlg.56.278 f und EFSlg 53.521 ff). Der Oberste Gerichtshof hat bisher zur Frage der Abzugsfähigkeit von Kreditrückzahlungsraten nicht Stellung genommen. In den Entscheidungen 7 Ob 1520/90 und 7 Ob 549/90 (beide Rechtsmittel wurden zurückgewiesen) wurde jeweils darauf hingewiesen, daß die Rechtsprechung der Rekursgerichte zu dem in diesen außerordentlichen Revisionsrekursen aufgeworfenen Fragen einhellig sei und daß die Unterhaltsverpflichteten nicht den Beweis erbracht hätten, daß ihre Verschuldung bzw. die Kreditaufnahmen zur Erhaltung der Arbeitskraft oder für existenznotwendige Bedürfnisse erfolgt sei. Das Rekursgericht ist jedoch mit der pauschalen Berücksichtigung eines Betrages von S 3.000,- monatlich als Minderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage von der vorgenannten einhelligen Rechtsprechung abgegangen, weshalb der außerordentliche Revisionsrekurs zulässig und auch berechtigt ist.

Vorauszuschicken ist, daß die nachstehenden Erwägungen nur für Kreditverbindlichkeiten zutreffen, die während der aufrechten Ehe im beiderseitigen Einvernehmen eingegangen worden sind und daher auf andere Fälle nicht anwendbar sind. Als Hauptgrundsatz ist in den Vordergrund zu stellen, daß der Unterhaltsberechtigte durch die Trennung oder Scheidung weder besser noch schlechter als bei

Fortdauer der Ehe gestellt werden darf (BGH FamRZ 1982, 23 =

NJW 1982, 232; 1982, 678 = NJW 1982, 1641). Maßgeblicher Bezugspunkt

für die Unterhaltsbemessung sind nämlich die "ehelichen Lebensverhältnisse". Es ist also zu fragen, wie sich der Unterhaltsverpflichtete verständigerweise bei Fortdauer der ehelichen Gemeinschaft in bezug auf die Verzinsung und Tilgung von Schulden verhalten hätte (BGH FamRZ 1982, 23 Ä24Ü = NJW 1982, 232). Die tatsächliche Handhabung während der intakten ehelichen Gemeinschaft ist aber nicht allein maßgebend, sondern es ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhaltes4 NJW Schriftenreihe, 366). Leichtfertig und ohne verständigen Grund oder zu luxuriösen Zwecken eingegangene Schulden können nicht als einkommensmindernd berücksichtigt werden (BGH FamRZ 1982, 157 Ä158Ü = NJW 1982, 380), weil den mj. Kindern stets ein für die Deckung ihrer Lebensbedürfnisse notwendiger Unterhalt zur Verfügung zu stellen ist und auch während aufrechter Ehe eine unnötige Verschuldung der Eltern ihnen nicht zur Last fallen darf. Bei derartigen Verschuldungen haben die Unterhaltsverpflichteten die Schuldenlast ohne Schmälerung des Kindesunterhaltes unter äußerster eigener Anstrengung abzudecken. Bei mj. Kindern fällt daher das Einverständnis der Eltern, Kredite aufzunehmen, weniger ins Gewicht. Überhaupt verwehrt die Kenntnis von der Unterhaltsverpflichtung bei Begründung von Schulden dem Unterhaltsverpflichteten in der Regel eine Berufung auf völlige oder teilweise Leistungsunfähigkeit infolge dieser Schulden, es sei denn, es handelt sich um notwendige, nicht anders finanzierbare Anschaffungen für den Beruf oder die allgemeine Lebensführung (vgl. BGH FamRZ 1982, 157 Ä158Ü = NJW 1982, 380, Köhler in Münchener Kommentar zu § 1603 BGB Rz 24). Diese in der bundesdeutschen Rechtsprechung dargelegten Gedanken treffen im angeführten Umfang auch für die österreichische Rechtslage zu. Für eine Interessenabwägung, inwieweit Schulden eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, ist sohin der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, der Zweck, für den sie aufgenommen worden sind, das Einverständnis des Ehepartners zu dieser Schuldaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten, das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten weiter herabzudrücken, maßgeblich. Eine Berücksichtigung von Schulden ist unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen vorzunehmen. Ob die genannten Kriterien vorliegen, kann im vorliegenden Fall nicht abschließend beurteilt werden, weil die erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlen. Das Rekursgericht hat von den vom Vater geltend gemachten Abzugsposten S 3.000,-- ohne nachvollziehbare Berechnung anerkannt und ohne darzulegen, daß eine Erforschung des zweckes dieser Auslagen nicht mehr möglich ist. Welcher Art die auf Kredit angeschafften Einrichtungsgegenstände sind und was für Ausgaben des täglichen Lebens Anlaß für die Kreditaufnahmen waren, ist daher nicht konkretisiert. Richtig ist, daß es Sache des Vaters gewesen wäre, die Abzugsfähigkeit der von ihm geleisteten Kreditrückzahlungsraten entsprechend genau zu bescheinigen. Es kann aber dem im erstinstanzlichen und im Rekursverfahren unvertretenen Vater nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er diese Posten nur ungenügend umschrieben hat. Die vom Rekursgericht getroffene Feststellung, daß der Vater zur Erreichung des Arbeitsplatzes keinen PKW benötige, weil von Steinhaus nach Wels eine ausreichende Zugsverbindung bestehe, läßt unberücksichtigt, daß der Vater die Notwendigkeit der Verwendung seines Autos mit seinen wechselnden Arbeitszeiten begründet hat (AS 27), allerdings ohne daß er aufgefordert worden wäre, dies zu konkretisieren. Sollte die Anfahrtsstrecke des Vaters zum Arbeitsplatz nur bis zu ca 15 km betragen, wäre auch die Verwendung eines Mopeds zumutbar und müßten die Möglichkeiten geprüft werden, den Leasingvertrag vorzeitig zur Auflösung zu bringen.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren durch ergänzende Einvernahme der beiden Eltern und durch Einsicht in die Krediturkunden ergänzende Feststellungen im Sinne der oben aufgezeigten Kriterien zu treffen haben.

Der Vater hat in seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß nur eine S 1.000,- monatlich pro Kind übersteigende Unterhaltsverpflichtung bekämpft (vgl. AS 66). Damit erwuchs eine ihn treffende monatliche Unterhaltsverpflichtung in dieser Höhe in Rechtskraft. Die in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs begehrte gänzliche Aufhebung der ihn zu Unterhalt verpflichtenden Beschlüsse der Vorinstanzen übergeht daher die bereits eingetretene Teilrechtskraft. In diesem Umfang erweist sich der Revisionsrekurs als nicht berechtigt.

Dem Revisionsrekurs des Vaters war ansonsten im Sinne einer Aufhebung Folge zu geben.

Anmerkung

E21970

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00662.9.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19900927_OGH0002_0070OB00662_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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