Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin K*** H*** Gesellschaft mbH i. L., vertreten durch Dr.Werner Achtschin, Rechtsanwalt in Graz, wider die Antragsgegner 1.) R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, 2.) Dr.Gernot S***, Rechtsanwalt, Zell am See, Salzmannstraße 6, wegen Beweissicherung (Streitwert S 80.000) infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 13.Juli 1990, GZ 2 R 218/90-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 17.April 1990, GZ 2 Nc 7/90-4, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Auftrag des Rekursgerichtes an das Erstgericht, über den Antrag auf Verfahrenshilfe zu entscheiden, aufgehoben wird.
Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin beantragte am 22.2.1990 Verfahrenshilfe in vollem Umfang zur Einbringung eines Beweissicherungsantrages. Mit Beschluß vom 17.4.1990 (ON 4) wies das Erstgericht den Beweissicherungsantrag zurück. Zur Erhebung eines Rekurses gegen diesen Beschluß beantragte die Antragstellerin neuerlich die Verfahrenshilfe in vollem Umfang. Mit Beschluß vom 24.4.1990 bewilligte das Erstgericht die Verfahrenshilfe. Der bestellte Verfahrenshelfer brachte beim Erstgericht den Antrag auf Beweissicherung ein und erhob gegen den Beschluß vom 17.4.1990 Rekurs.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.
Nach der Auffassung des Rekursgerichtes beziehe sich die vom Erstgericht bewilligte Verfahrenshilfe nur auf das Rekursverfahren, sodaß über den Antrag vom 22.2.1990 noch zu entscheiden sein werde. Die Entscheidung vom 17.4.1990 sei ohne Vorliegen eines entsprechenden Antrages gestellt worden und daher gemäß § 405 ZPO aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nur teilweise berechtigt. Gegenstand der Entscheidung der zweiten Instanz war auch die Verfahrenshilfe. Beschlüsse über die Verfahrenshilfe sind gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO unanfechtbar. Hiezu zählen Beschlüsse über die Bewilligung, die Erweiterung, das gänzliche oder teilweise Erlöschen und die Entziehung der Verfahrenhilfe, die Bewilligung oder Verweigerung der einzelnen Begünstigungen, ferner Entscheidungen über die Nachzahlung von gestundeten Beträgen, über die Bestimmung der Kosten des zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalts und die Bewilligung von Vorschüssen an ihn. Dagegen greift diese Rechtsmittelbeschränkung nicht Platz bei Beurteilung der im § 73 ZPO geregelten Folgen der Verfahrenshilfe über den Verfahrens- und Fristenablauf (Fasching ZPR Rz 2020). Hiezu gehört auch die Beurteilung des Umfanges der Antragserledigung durch das Erstgericht und dessen Wirkungen für den weiteren Verfahrensverlauf. Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 24.4.1990 der Antragstellerin die Verfahrenshilfe mit den Begünstigungen nach § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis c und Z 3 ZPO ohne Beschränkung auf das Rechtsmittelverfahren. Die Bewilligung einer Teil-Verfahrenhilfe ist im Gesetz auch nur insoweit vorgesehen, als der Umfang der gesetzlich normierten Begünstigungen beschränkt werden kann. Ansonsten wirkt die Verfahrenshilfe für das ganze Verfahren, für das sie beantragt wurde (Fasching Erg.Bd. 14 f). Die Bewilligung durch das Erstgericht erstreckte sich somit auch auf den Antrag vom 20.2.1990. Der Beschluß wurde der Antragstellerin am 8.5.1990 zugestellt und ihr gegenüber wirksam. Unbeachtet blieb jedoch, daß gemäß § 72 Abs 2 ZPO gegen Beschlüsse über die Verfahrenshilfe auch dem Gegner der Rekurs zukommt und daher auch ihm eine Beschlußausfertigung zuzustellen ist. Dem Revisionsrekurs kommt daher insoweit Berechtigung zu, als er sich gegen den Entscheidungsauftrag des Rekursgerichtes wendet. Dagegen entspricht die Auffassung der zweiten Instanz über die Sanktion einer Entscheidung ohne Antrag der herrschenden Ansicht (vgl Fasching aaO Rz 1452; MGA ZPO14 § 405/1). Den Fragen der inländischen Gerichtsbarkeit und der Zuständigkeit kommt im derzeitigen Verfahrensstadium keine Bedeutung zu.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 388 Abs 4 ZPO.
Anmerkung
E21953European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00642.9.0927.000Dokumentnummer
JJT_19900927_OGH0002_0070OB00642_9000000_000