TE OGH 1990/10/3 11Os70/90 (11Os71/90)

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Veröffentlicht am 03.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Oktober 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hildemarie M*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB I. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten und die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 16. Oktober 1989, GZ 12 Vr 493/87-167, und II. über die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom 16. Oktober 1989, GZ 12 Vr 493/87-167, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil sowie demzufolge auch der Beschluß auf Widerruf der zum AZ 5 d Vr 14.572/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht werden aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte werden mit ihren Berufungen sowie die Angeklagte mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Hildemarie M*** des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches liegt ihr zur Last, in der Zeit zwischen Ende November 1986 bis Anfang Jänner 1987 in Judenburg mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Rudolf E*** in mehreren Angriffen durch die Behauptung, sie benötige für eine Gemäldeausstellung in New York und für die Bezahlung von Steuerschulden zur Erlangung des Reisepasses dringend Bargeld, und durch das Versprechen, sie werde Darlehensbeträge unmittelbar nach der Gemäldeausstellung in New York verläßlich zurückzahlen und zur Sicherstellung wertvolle Bilder und Schmuck übergeben, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausfolgung von Darlehensbeträgen von 100.000 S, 150.000 S und 380.000 S, somit insgesamt 630.000 S, sohin zu Handlungen verleitet, welche ihn an seinem Vermögen mindestens in der Höhe der Darlehensbeträge schädigten, wobei der Schaden 100.000 S (richtig im Hinblick auf § 147 Abs. 3 StGB: 500.000 S) überstieg. Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 1, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kann Berechtigung nicht versagt werden, soweit sie Begründungsmängel (Z 5) geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt sie auf, daß die Urteilsfeststellung, wonach die Angeklagte nie mit dem Zeugen L*** die von ihm "zum Verkauf" übernommenen Bilder "abgerechnet" habe (US 5), mit einem Begründungsmangel behaftet ist. Aus der Aussage dieses Zeugen (S 177 f, 189 f/II) geht vielmehr hervor, daß er der Angeklagten mehrere Bilder um sehr geringes Entgelt verkaufte, nicht aber, daß die Bilder - wie das Schöffengericht auch an anderer Stelle ausführt (US 23) - "lediglich offenbar zum kommissionsweisen Verkauf übergeben" wurden, womit das Erstgericht ersichtlich zum Ausdruck bringen wollte, daß die Angeklagte selbst bei einer von ihr behaupteten Verpfändung dieser Bilder dolos gehandelt hätte. Im übrigen unterlief - wie in diesem Zusammenhang bemerkt sei - dem Erstgericht bei Wiedergabe der Aussage des Zeugen L*** eine Aktenwidrigkeit: Der Zeuge bekundete nämlich nicht, wie das Schöffengericht (US 18) anführt, daß er der Angeklagten Bilder übergab, um ihr bei der Bestreitung des Lebensunterhaltes behilflich zu sein, sondern sagte, daß er deshalb die Bilder "gegen ein relativ geringes Entgelt" verkaufte, um seinen Unterhalt und den Ankauf von Farben bestreiten zu können (S 178 und 190/II).

Auch die Konstatierung, die Angeklagte habe "nicht die geringsten Fähigkeiten (besessen), als Kunstmalerin bzw. Porträtmalerin ihren Lebensunterhalt zu fristen" (US 9), ist mit Begründungsmängeln behaftet:

Das Schöffengericht stützte diese Feststellung vornehmlich auf die Aussage des Zeugen Georg J*** (US 4, 17), der früher mit der Angeklagten verheiratet gewesen war, und bezog sich in diesem Zusammenhang auf Aussagen von Zeugen, welche die Angeklagte nicht malen gesehen und keine von ihr verfertigten Bilder bemerkt hatten (US 17 ff), darunter jene des Zeugen L***.

Dabei überging es, wie die Beschwerdeführerin zutreffend moniert, den Umstand, daß die Ehe mit J*** bereits vor mehr als 20 Jahren geschieden wurde und dieser Zeuge seither über allfällige Aktivitäten der Angeklagten nur aus Gesprächen mit den gemeinsamen Kindern unterrichtet ist (S 481/I). Weiters wurde jener Teil der Aussage des Zeugen L*** - eines Malers - keiner Erörterung unterzogen, wonach er ein Porträt der Angeklagten angesichts der dafür typischen Kopfhaltung als Selbstporträt einschätzte (S 178/II). Letztlich wurden Aussagen von Zeugen, die eine Maltätigkeit der Angeklagten behaupteten, teils überhaupt mit Stillschweigen übergangen (Hilde J***, S 491/I, Rudolf F***, S 499/I) oder - im Zusammenhang mit der behaupteten Pfandhingabe - nur erwähnt (US 22; Karl H***, S 263/II, Felicitas J***, S 264/II), ohne zum Ausdruck zu bringen, welcher Beweiswert diesen Bekundungen zukommt.

Auch die Feststellung, wonach die Angeklagte weder Bilder noch Schmuck zur Besicherung der ihr gewährten Darlehen übergab (US 10), ist nicht frei von Begründungsmängeln:

Das Erstgericht stützte sich dabei besonders auf die Aussage des Zeugen E***, den Umstand, daß die Angeklagte diesen Teil ihrer Verantwortung erst in einem späteren Verfahrensstadium vorbrachte, und die Erwägung, daß hiezu vernommene Zeugen weder Bilder noch Schmuck näher beschreiben konnten (US 20 ff). Es ging aber dabei nicht auf eine beweiswürdigende Erörterung des Umstandes ein, ob Bilder - in Mappen oder Rollen - in die Wohnung E*** gebracht wurden (Johanna F***, S 495/I, Felicitas J***, S 264/II), nachdem sie sich möglicherweise vorübergehend in der Wohnung der Eheleute F*** befunden hatten (Rudolf F***, S 499/I) bzw. ob dies überhaupt der Fall war (Zeuge Rudolf E***, S 488/I, 126 f/II). Eine Erörterung der Aussagen der drei zuerst genannten Zeugen wäre, auch wenn sie die Bilder, die wahrgenommen zu haben sie behaupten, nicht näher beschreiben können, vorliegend jedenfalls auch deshalb geboten gewesen, weil der Zeuge E*** in dem von ihm formulierten Schuldschein vom 13.Jänner 1987 eine Übergabe von Bildern und "Gegenständen" als Sicherstellung deklarierte (S 43/I). Soweit das Schöffengericht in diesem Zusammenhang ausführt, der Angeklagten sei "nicht einmal der geringste Beweis" für die Existenz des Schmuckes und der Bilder "gelungen" (US 23), ist es ebenso wie zu den Ausführungen, daß sie für die behauptete Tätigkeit als Kunst- und Porträtmalerin "in keinem einzigen Fall auch nur den geringsten Nachweis erbringen" konnte und "jeglichen Beweis dafür ... schuldig geblieben" sei (US 5, 20, 25), darauf zu verweisen, daß das österreichische Strafprozeßrecht eine Beweislastverteilung dieser Art, wie sie dem Erstgericht vorzuschweben scheint, nicht kennt.

Schon aus den angeführten Gründen zeigte sich bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung eine Kassation des Schuldspruches und die Anordnung der Verfahrenserneuerung als unumgänglich (§ 285 e StPO), ohne daß es noch eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Mit den Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte - diese auch mit ihrer Beschwerde - auf die mit der Kassation des Schuldspruches notwendigerweise verbundene Aufhebung des Strafausspruches und des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Beschlusses über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht zu verweisen.

Anmerkung

E21782

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00070.9.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19901003_OGH0002_0110OS00070_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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