TE OGH 1990/10/3 1Ob44/89

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Veröffentlicht am 03.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A. F*** Weinhandelsgesellschaft mbH, Retz, Wieden 48, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 4,102.604,50 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. August 1989, GZ 14 R 121/89-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Jänner 1989, GZ 54 a Cg 1078/87-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in dem das Klagebegehren abweisenden Teil sowie im Kostenausspruch aufgehoben; die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung:

Am 26.April 1985 beschlagnahmte der Bundeskellereiinspektor für den Bezirk Neusiedl am See bei der Weingut S*** Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden Weingut S***) in 13 verschiedenen Tanks gelagerte Weine und zog daraus jeweils Proben. Die Untersuchung von sechs Weinproben veranlaßte die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt in Wien zur Anzeige vom 10.Mai 1985 wegen Verstößen gegen das WeinG 1961 und das LMG beim Bezirksgericht Neusiedl am See. Für die übrigen sieben Weinproben hatten die von der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt am 10.Mai 1985 ausgestellten Untersuchungszeugnisse hingegen "keine Grundlage für eine Beanstandung" ergeben. In diesen Zeugnissen ist ausgeführt, daß sowohl Ethylenglycol (gaschromatographisch) sowie Diethylenglycol (gaschromatographisch) bis zu einer Grenze von 0,1 g/l (= 100 mg/l) nicht (mit Sicherheit), Diethylenglycol (GC-MS-Kopplung) nicht mit Sicherheit nachweisbar sei. In allen Fällen ist im Untersuchungszeugnis angemerkt, daß aus arbeitstechnischen Gründen von einer eingehenderen Untersuchung Abstand genommen worden sei. Noch am gleichen Tag verfügte der Bundeskellereiinspektor die Aufhebung der Beschlagnahme.

Die klagende Partei begehrte aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung den Zuspruch von zuletzt 4,281.944,50 S als Nettokaufpreis von Wein sowie Fracht- und Lagerkosten und brachte vor, sie habe von der A*** Weinkellerei Gesellschaft mbH Wein nur deshalb gekauft und dafür 3,560.042,50 S bezahlt, weil die Verkäuferin Untersuchungszeugnisse der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt vorweisen habe können, in denen den Weinen die uneingeschränkte Verkehrsfähigkeit attestiert worden sei. Tatsächlich seien die in den beiden Rechnungen vom 30.Mai 1985 aufscheinenden, in der Zeit vom 22. bis 30.Mai 1985 gelieferten Weine vorher behördlich beschlagnahmt, die Beschlagnahme jedoch aufgrund der Untersuchungszeugnisse der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt aufgehoben worden. Die klagende Partei habe auf die Erklärung des Weines als verkehrsfähig durch die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt bzw den Bundeskellereiinspektor vertrauen können. Nach Ankauf des Weines und Lieferung an die klagende Partei habe eine (weitere) behördliche Untersuchung ergeben, daß der Wein mit 5 bis 90 mg/l DEG versetzt sei, weshalb er durch Versiegelung der Tanks sichergestellt und als nicht verkehrsfähig deklariert worden sei. Insbesondere die handschriftlichen Analyseprotokolle der Untersuchungszeugnisse der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt, die dem Freigabeprotokoll des Bundeskellereiinspektors zugrundeliegen, würden erweisen, daß die Weine am 10.Mai 1985 nicht unverfälscht und frei von DEG gewesen seien. Die Untersuchungszeugnisse wiesen zwar eine "Nachweisgrenze" von 100 mg/l auf; dies ändere jedoch nichts daran, daß die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt bei der Untersuchung der Weine Anfang Mai 1985 von der Gesundheitsschädlichkeit von DEG gewußt, ein entsprechendes Analyseverfahren zur Verfügung gehabt und in den Weinen DEG in gesundheitsschädigendem Ausmaß auch festgestellt habe. Die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt habe die bereits am 10. Mai 1985 international übliche Untersuchungsmethode für den Nachweis auch geringerer DEG-Beimengungen als 100 mg/l fahrlässig nicht angewendet.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte dessen kostenpflichtige Abweisung und wendete im wesentlichen ein, es sei nicht nachweisbar, daß die von der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt untersuchten und die später bei der klagenden Partei beschlagnahmten Weine ident seien. Zwischen beiden Untersuchungen läge ein Zeitraum von mehreren Monaten; während dieser Zeit sei der Wein nicht unter amtlichem Verschluß gewesen, es hätte somit eine nachträgliche Verfälschung stattfinden können. Die Verkehrsfähigkeit der Weine sei in der von der klagenden Partei behaupteten Form von der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt nicht bescheinigt worden, vielmehr gehe aus den Untersuchungszeugnissen deutlich die "Nachweisgrenze" von 100 mg/l hervor. Der Nachweis geringerer Mengen DEG als 100 mg/l sei mit den damals in Österreich und auch international üblichen Methoden mit forensischer Sicherheit nicht möglich gewesen. Die klagende Partei habe ihren Schaden selbst verschuldet, weil sie bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes den freigegebenen Wein angesichts der bloß beschränkten Bestätigung der DEG-Freiheit nicht hätte kaufen dürfen. Das Erstgericht wies einen Teilbetrag von 171.340 S samt 12 % Zinsen seit 1.Jänner 1988 und das Begehren, soweit es sich auf den Rechtsgrund stützt, das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (im folgenden BMLF) sei seit Anfang 1985 darüber informiert gewesen, daß Wein mit Glycolbeimengungen im Umlauf sei, habe aber entsprechende Aufsichtsmaßnahmen unterlassen, zur Gänze - rechtskräftig - zurück und das restliche Begehren auf Zahlung von 4,102.604,50 S sA ab.

Es vertrat rechtlich im wesentlichen die Auffassung, niemand habe Anspruch darauf, daß wegen Verstößen gegen das WeinG bestimmte Personen vor Gericht verfolgt würden. Das erste Beschlagnahmeverfahren habe nur den Zweck gehabt, die vom Bundeskellereiinspektor verfügte Beschlagnahme auf ihre Berechtigung zu überprüfen, aber nicht, die uneingeschränkte Verkehrsfähigkeit des Weines, ähnlich einem Gütezeugnis, zu attestieren. Dies sei durch den Hinweis im Gutachten, daß keine Nachweisbarkeit von ua DEG über der Grenze von 100 mg/l vorgelegen sei, zusätzlich untermauert worden. Der Schutzzweck der Norm (§§ 25 ff WeinG) sei darauf gerichtet, den Konsumenten vor allem vor gesundheitlicher Schädigung zu schützen, könne aber nicht auf vermögensrechtliche Nachteile im Geschäftsverkehr unter Weinhändlern ausgedehnt werden; im besonderen nicht in der Form, daß der Weinhändler, der den bis zu einer Nachweisgrenze von 100 mg/l auf DEG-Verfälschung untersuchten Wein erwerbe, mit einem darunter liegenden DEG-Gehalt nicht zu rechnen brauche.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es traf aufgrund der Untersuchungszeugnisse die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und teilte im wesentlichen die erstgerichtliche Rechtsauffassung über den fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist gerechtfertigt. Zu prüfen ist vorerst, ob dem Bundeskellereiinspektor als Organ des Rechtsträgers Bund ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist, wenn er nur auf der Grundlage der ihm vorgelegten Untersuchungszeugnisse der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt die Weine nach ihrer Beschlagnahme wieder zum Verkehr freigab. Nach dem WeinG 1961 wurden die Bundeskellereiinspektoren zwar vom BMLF bestellt, unterstanden jedoch dem (jeweiligen) Landeshauptmann. Diese rechtliche Stellung war auf Grund des Art 102 Abs 1 B-VG (vgl Erkenntnis des VfGH Slg 2.264) verfassungsrechtlich unbedenklich (EB 473 BlgNR IX.GP, 38). Da es nach herrschender Auffassung bei Klärung der Frage, welcher Rechtsträger nach dem AHG in Anspruch genommen werden kann, darauf ankommt, in wessen Namen und für wen (funktionell) das Organ gehandelt hat, somit der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das Organ im Zeitpunkt der schuldhaften Rechtsverletzung tätig war (SZ 54/171, SZ 53/70 uva; Schragel, AHG2, 61 f), haftet der beklagte Rechtsträger Bund entgegen seiner Rechtsauffassung für den Bundeskellereiinspektor für den Bezirk Neusiedl am See, der bei der Weinaufsicht im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung dem burgenländischen Landeshauptmann unterstand (Schragel aaO). Eine allfällige Haftung des Weinverkäufers aus dem Titel der Gewährleistung oder des Schadenersatzes übt keinen Einfluß auf die Haftung des Rechtsträgers Bund für ein allfälliges schuldhaft-rechtswidriges Verhalten des Bundeskellereiinspektors als seines Organs.

Da nach herrschender Auffassung ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, auch in einer Unterlassung bestehen kann, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und ein pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (SZ 60/130, SZ 59/68 uva; Schragel aaO, 129), ist es unerheblich, ob hier das behauptete schadensursächliche Verhalten des Bundeskellereiinspektors als Tun oder als Unterlassung zu beurteilen ist.

Die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens (§ 1294 ABGB) als Zurechnungskriterium im Schadenersatzrecht und eine der Voraussetzungen der Verschuldenshaftung (Koziol-Welser, Grundriß8 I 414) kann nur auf Grund umfassender Interessenabwägung beurteilt werden (SZ 56/124). Ein Verhalten (Handlung oder Unterlassung) ist rechtswidrig, wenn es gegen Gebote und Verbote der Rechtsordnung, die sich aus vertraglichen Vereinbarungen (Vertragsverletzungen) oder aus dem Gesetz (deliktisches Verhalten) ableiten lassen, oder gegen die guten Sitten (§ 1295 Abs 2 ABGB) verstößt. Normzweck des WeinG 1961 - das WeinG 1985, BGBl 1985/444, ist hier nicht anzuwenden, weil der maßgebliche Sachverhalt vor dessen Inkrafttreten verwirklicht wurde - im allgemeinen als eines Lebensmittelgesetzes ist neben dem Schutz des Verbrauchers durch detaillierte Bezeichnungsvorschriften vor Irreführung ("Konsumentenschutz"; Walter-Mayer, Besonderes Verwaltungsrecht 220; für das WeinG 1985 dieselben Autoren in der 2.Auflage, 261) vor allem die Sicherstellung, daß der Wein nur als Naturprodukt erzeugt und in Verkehr gebracht wird: Entscheidende stoffliche Grundlage muß die frische Weintraube sein ("Reinheitsgebot"). Gemäß § 4 Abs 1 WeinG 1961 darf Wein nur so behandelt werden, daß am Charakter als Naturerzeugnis, dessen entscheidende stoffliche Grundlage die frische Weintraube ist, nichts geändert wird. Darin kommt der oberste Grundsatz der Weinbehandlung "Wein ist ein Naturprodukt und hat ein solches zu bleiben", zum Ausdruck. Die Behandlung des Weines hat nur dem Zweck zu dienen, die von Natur gegebenen Anlagen des Weines zur Entfaltung zu bringen (Jesionek-Brustbauer, Das österr. Weingesetz 1961, 23). Nach § 6 WeinG 1961 ist das Zusetzen von Stoffen zu Wein einer genauen Regelung unterworfen, wobei die Grundsätze im WeinG 1961 selbst enthalten sind, während die Detailbestimmungen im Verordnungswege erlassen wurden. Zusätze, die nicht ausdrücklich durch Verordnung zugelassen sind, sind verboten. Verstöße dagegen sind gerichtlich strafbar (§§ 42 Abs 1, 45 Abs 1 WeinG 1961; Jesionek-Brustbauer aaO, 27). Im vorliegenden Fall war Gegenstand der Untersuchung durch die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt im ersten wie im zweiten (bei der klagenden Partei durchgeführten) Beschlagnahmeverfahren Wein, dessen stoffliche Grundlage nicht nur die frische Weintraube war. Nach der in Ausführung des § 6 Abs 5 WeinG 1961 erlassenen VO des BMLF vom 7. Dezember 1961 zur Durchführung des WeinG (WeinVO), BGBl 1961/321 idF BGBl 1964/213, 1972/2 und 1974/506, ist die Beimengung von DEG weder als Schönungsmittel zur Klärung des Weines (§ 1 Abs 1 bis 3 WeinVO) noch als Reduktions- und Konservierungsmittel (§ 2 WeinVO) noch als zulässiger Zusatz (§ 3 WeinVO) zulässig und daher verboten. DEG durfte daher dem Wein überhaupt nicht, somit auch nicht in Mengen unter 100 mg/l zugesetzt werden. Es bestanden weder gesetzliche Bestimmungen, daß DEG-Beimengungen unter 100 mg/l zulässig oder jedenfalls zu tolerieren seien, noch, daß sich die Untersuchung des Weines auf Feststellung einer DEG-Beimengung von mehr als 100 mg/l zu beschränken habe.

Der Einhaltung der Vorschriften des WeinG 1961, daß unzulässige Zusätze wie DEG in einer auch noch so kleinen Dosis dem Wein nicht beigesetzt werden und derartiger Wein nicht in den Verkehr gebracht wird, dient insbesondere die im V.Abschnitt geregelte Weinaufsicht als Überwachung des Verkehrs (§ 25 Abs 1 WeinG 1961) durch Aufsichtsorgane, im konkreten Fall durch Bundeskellereiinspektoren, die berechtigt sind, in Weinbaubetrieben Nachschau zu halten (§ 26 WeinG 1961), Proben zu entnehmen (§ 27 WeinG 1961), Getränke erforderlichenfalls zu beschlagnahmen, wenn der Verdacht auf eine vorschriftswidrige Herstellung, Behandlung, Handel oder Bezeichnung....besteht (§ 28 WeinG 1961). Sie sind befugt, vorläufig über beschlagnahmte Getränke und Behälter zu verfügen bzw die Beschlagnahme aufzuheben, wenn auf Grund des Gutachtens der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt keine Anzeige zu erstatten ist (§ 29 WeinG 1961). Der Bundeskellereiinspektor hat die entnommenen Proben zur Untersuchung der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt einzusenden (§ 30 Abs 1 WeinG 1961); diese hat die Proben zu untersuchen und innerhalb von sechs Wochen einen Befund und ein Gutachten dem Bundeskellereiinspektor, der die Proben eingesendet hat, abzugeben (§ 30 Abs 2 WeinG 1961). Die im Rahmen der vom Bundeskellereiinspektor ausgeübten Weinaufsicht aufgedeckten Verstöße gegen das WeinG 1961 in weinerzeugenden Betrieben ziehen im Regelfall strafbehördliche Untersuchungen und Ahndungen oder auch die Beschlagnahme und den Verfall von Produkten nach sich. Zu beachten ist freilich, daß nicht stets dann, wenn ein nicht dem WeinG 1961 entsprechender Wein in den Verkehr gelangt, ein rechtswidriges Verhalten eines Organs des Bundes vorliegen muß. Es bestehen auch keine Normen, die das Verhalten der Organe genau umschreiben, so daß entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen ist, ob die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde (vgl hiezu Koziol, Österr. Haftpflichtrecht2 I 94). Dabei kommt es darauf an, welche Aufsichtsmaßnahmen zumutbar und notwendig gewesen wären. Das Maß des Notwendigen hängt wieder entscheidend von der Gefährlichkeit der Situation ab: je größer die Gefahr ist, daß das WeinG 1961 übertreten wird, desto sorgfältigere Überwachung ist notwendig. Der Bundeskellereiinspektor durfte sich demnach, wenn ihm im Zeitpunkt der Freigabe des Weins Übertretungen des WeinG 1961 durch verbotene Beimengungen der hier in Rede stehenden Art bekannt sein mußten, nicht mit einer bloß teilweisen Prüfung durch die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt begnügen, wenn geeignete Untersuchungsmethoden zur Verfügung standen - was im fortgesetzten Verfahren noch zu klären sein wird -, um auch DEG-Beimengungen unter 100 mg/l festzustellen. Da in einigen, vom Bundeskellereiinspektor damals beschlagnahmten Weinen tatsächlich DEG nachgewiesen worden war und der Verdacht, daß alle Weine damit versetzt sein konnten, nicht von der Hand zu weisen war, mußte der Bundeskellereiinspektor vor einer Freigabe beschlagnahmten Weines - soweit möglich - ein Gutachten über die völlige Freiheit des Weines von DEG verfügen und durfte sich nicht mit den nur teilweise DEG-Freiheit beurkundenden Zertifikaten begnügen. Wenn der Bundeskellereiinspektor die Freigabe der Weine auf Grund unzureichender Gutachten der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt verfügte und damit gegen seine Weinaufsichtspflicht verstieß, läge darin die Rechtswidrigkeit seines Handelns.

Die klagende Partei macht mit ihrem Begehren auf Ersatz des für verkehrsunfähigen und damit wertlosen Wein bezahlten Kaufpreises einen sogenannten bloßen (reinen) Vermögensschaden geltend, dessen Verursachung nach herrschender Auffassung nur ersatzpflichtig macht, wenn eine vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechtes oder eines Schutzgesetzes iS des § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers gegeben ist oder sich die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens sonst aus der Rechtsordnung, unmittelbar auf Grund Gesetzes ableiten läßt (SZ 57/196; JBl 1985, 38; Koziol, aaO, II 20 f; Koziol-Welser aaO, I 416). Die Bestimmungen über die Weinaufsicht im WeinG 1961 sind als Schutzgesetze iS des § 1311 ABGB, somit als abstrakte Gefährdungsverbote, die bestimmte Personen oder Personengruppen vor einer Verletzung ihrer Rechtsgüter schützen sollen (vgl ZVR 1985/9; Harrer in Schwimann, § 1311 ABGB Rz 7), anzusehen. Entgegen der Rechtsmeinung der Vorinstanzen ist der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Freigabe des Weins durch den Bundeskellereiinspektor, auf Grund behaupteter unzureichender Untersuchungen durch die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt und demgemäß fehlerhaften Untersuchungszeugnissen und dem Schaden der klagenden Partei zu bejahen. Anerkannt ist zum Amtshaftungsrecht, daß ein subjektives Recht auf Führung der Verwaltung in gesetzmäßiger Weise nicht Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch ist. Die Haftpflicht des Rechtsträgers nach dem AHG bestimmt sich infolge des in § 1 Abs 1 AHG weit umschriebenen Kreises der Schadenersatzberechtigten ("wem immer") grundsätzlich bloß danach, wessen Schutz die verletzte Rechtsnorm bezweckt; das Fehlverhalten gegenüber diesen durch den Rechtssatz geschützten Interessen ist rechtswidrig (SZ 52/186 mwN ua). Eine Schadenersatzpflicht des Rechtsträgers tritt bei Kausalität der rechtswidrig schuldhaften Schadensverursachung ein, wenn die übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck hat, den Geschädigten vor den eingetretenen Nachteilen zu schützen (JBl 1989, 43; SZ 60/177, SZ 59/68 uva; Schragel aaO, 124 mwN in Rz 121). Es wird somit für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, deretwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Die verletzte Amtspflicht muß gerade dem geschädigten Dritten gegenüber oblegen sein (JBl 1989, 53 mwN auch zu deutscher Judikatur; SZ 60/177). Besteht kein Zusammenhang zwischen dem durch Auslegung iS einer wertenden Beurteilung des Sinnes der Norm zu ermittelnden Normzweckes (JBl 1989, 53; Koziol in JBl 1986, 105 zu den E JBl 1986, 98 und 101; Welser in ÖJZ 1975, 43; Reischauer in Rummel, § 1311 ABGB Rz 10) und dem eingetretenen Schaden, liegt nur ein mittelbarer, grundsätzlich nicht ersetzungsfähiger Schaden vor (JBl 1989, 53 mwN ua). Zweck aller Normen des Lebensmittelrechtes, wozu das WeinG 1961 zweifellos zählt, ist bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise (ZVR 1984/214; SZ 54/108 mwN ua) zwar in Übereinstimmung mit dem Standpunkt der beklagten Partei nicht die Sicherung der Beweislage dessen, der Lebensmittel in Verkehr bringt oder bringen will in einem späteren Gewährleistungsprozeß (SZ 57/149 mwN). Während aber Hauptziel des LMG 1975 der notwendige Schutz der Konsumenten vor gesundheitlicher Gefährdung und vor Irreführung ist (RV 4 BlgNR XIII.GP, 21), stellt die speziellere Norm des WeinG 1961 darauf ab, daß Wein nur als Naturprodukt erzeugt und in Verkehr gebracht wird. Verboten ist somit auch das Zusetzen von Wasser (§ 6 Abs 1 lit a WeinG 1961) und bei nicht versetzten Weinen das von Zucker, soweit es sich nicht um Lesegutaufbereitung handelt (§ 6 Abs 2 WeinG 1961). Beide Stoffe (Wasser und Zucker) können aber nicht als gesundheitsschädliche Stoffe erkannt werden. Es kommt daher bei der Weinbehandlung nicht nur auf eine allfällige Gesundheitsschädigung von Konsumenten, sondern darauf an, daß Wein nur so behandelt wird, daß er ein Naturprodukt bleibt. Nach § 42 Abs 1 WeinG 1961 ist Wein, bei dessen Behandlung den Bestimmungen der §§ 2 bis 7, 8 Abs 4, 10, 11 Abs 2, 12 Abs 2 zweiter Satz und Abs 3 (leg.cit.) zuwidergehandelt wurde, verfälschter und verkehrsunfähiger Wein (§ 44 Abs 1 lit e leg.cit.) und dessen Herstellung sowie Inverkehrbringung gerichtlich strafbar (§ 45 Abs 1 lit a und b WeinG 1961). Weil es auf die Gesundheitsschädigung beim verfälschten Wein nicht ankommt, fallen nicht nur die sicher vorrangigen Interessen der Letztverbraucher, sondern auch die der Weinhändler in die geschützte Rechtssphäre der hier relevanten Normen des WeinG 1961; auch der Weinhandel soll damit durch das Verbot des Angriffes in seinem Vermögen geschützt werden (vgl EvBl 1966/305 zur Haftung der Republik für Schäden durch wahrheitswidrig ausgestellte Pflanzenschutzzeugnisse zum Zweck des Verkaufes von Industrieobst ins Ausland).

Neben der Frage, ob die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt damals im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten überhaupt in der Lage war, Wein auf gänzliche DEG-Freiheit zu untersuchen und der Frage der Identität der Weine wird im fortzusetzenden Verfahren auch zu klären sein, wieso die Beschlagnahme der Weine beim Weingut S*** erfolgte, die klagende Partei jedoch als Verkäuferin des Weines die A***

Weinkellerei Gesellschaft mbH benennt. Die Ausführungen im Berufungsurteil, die klagende Partei habe erstmals in der Berufung den Vorwurf erhoben, die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt habe bei der Untersuchung DEG in den Weinen festgestellt, dies aber nicht in das Untersuchungszeugnis aufgenommen, was aber aus den handschriftlichen Analyseprotokollen hervorgehe, übersehen das Vorbringen der klagenden Partei in ihrem, auch in mündlicher Verhandlung vorgetragenen Schriftsatz ON 7. Dieser Verfahrensmangel ist auch relevant. Die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt in Wien als Ausstellerin der Zertifikate ist nach § 25 des Bundesgesetzes vom 27.April 1982 über die landwirtschaftlichen Bundesanstalten, BGBl 1982/230 (die Novelle BGBl 1989/360 ist hier nicht anwendbar), eine Einrichtung des Bundes ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft untersteht und ihre Leistungen, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, für den Bund als Träger von Privatrechten erbringt (§ 2 leg.cit.). Zu den gesetzlichen Bestimmungen, die anderes verfügen, gehören insbesondere die im § 26 Abs 2 leg. cit. angeführten Bundesgesetze - darunter auch das WeinG 1961 - und die darauf beruhenden Durchführungsvorschriften (RV 1017 BlgNR XV.GP, 17). Soweit daher die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt für den Bundeskellereiinspektor im Rahmen der Weinaufsicht nach § 30 Abs 2 WeinG als Amtssachverständiger (Schragel aaO, 42 ff, 47) über Weinproben Befund und Gutachten erstattet, handelt sie hoheitlich. Nach dem Vorbringen der klagenden Partei habe die Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt in Kenntnis der Verfälschung der Weine mit weniger als 100 mg/l in ihren Zertifikaten die Freiheit des Weines von mehr als 100 mg/l bescheinigt. Bei Richtigkeit dieses Vorbringens wäre dies ein gerichtlich strafbarer Beitrag zum Inverkehrbringen von verfälschtem Wein nach § 12 StGB, § 45 WeinG 1961 und käme als weiterer Haftungsgrund in Betracht.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E22332

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00044.89.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19901003_OGH0002_0010OB00044_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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