Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wachberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richard Walter P*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Mai 1990, GZ 4 a Vr 1809/89-147, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen wird der Akt dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochenen Urteil wurde der Angeklagte Richard Walter P*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (Punkt I. des Urteilssatzes), des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB (Punkt II.) und des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB (Punkt III.) schuldig erkannt.
Darnach hat er
(zu I.) in Vösendorf und anderen Orten in der Zeit zwischen 8. April 1985 bis 28.Dezember 1988 in insgesamt 7 Fällen, teils durch Einbruch (Faktum I/1) fremde bewegliche Sachen im Wert von etwa 30.000 S den im Urteilsspruch bezeichneten Personen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen;
(zu II.) in Wien und anderen Orten in der Zeit vom 12.Mai 1985 bis zum 15.Februar 1989 mit Bereicherungsvorsatz Postbedienstete und Bankangestellte durch Einreichung von Scheckformularen der im Spruch bezeichneten Kontoinhaber zur Honorierung, die er diesen weggenommen und auf denen er jeweils als Aussteller mit deren Namen unterschrieben hat, als auszuzahlende Geldbeträge jeweils 2.500 S und das Ausstellungsdatum eingesetzt hatte, und wobei er sich jeweils mit den ebenfalls den Kontoinhabern weggenommenen Scheckkarten auswies und seine Inkassobefugnis vortäuschte, durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden zur Auszahlung von Bargeldbeträgen, sohin zu Handlungen verleitet, die die im Urteilsspruch angeführten Personen und Bankinstitute um einen Betrag von etwa 380.000 S schädigten bzw schädigen sollten, wobei es in einem Falle (Faktum II. B) beim Versuch geblieben ist und er die schweren Betrugsfakten in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; (zu III.) am 10.Oktober 1989 in Wien anläßlich seiner Einvernahme als Angeklagter dadurch, daß er vorbrachte, der Untersuchungsrichter Dr. Maximilian N*** habe nicht alles diktiert bzw schreiben lassen, was er ihm gesagt habe, den Genannten einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Amtsmißbrauchs falsch verdächtigt, wobei er wußte (§ 5 Abs 3 StGB), daß diese Verdächtigung falsch ist und er den Genannten dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Mit seiner Berufung ficht er den Ausspruch über die Strafe und den über die privatrechtlichen Ansprüche an; die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der Strafe.
Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung der in der Hauptverhandlung (III S 150 f) gestellten Anträge auf Einvernahme der Zeugen Elisabeth P***, Liselotte K*** und Fritz B*** darüber, daß der Angeklagte am 3.Februar 1989 in Trebesing war und sich am 17. und 18.März 1988 sowie am 31. Dezember 1987 in Gmünd in der Stadtschenke "PUB C***" aufgehalten hat, ferner des Zeugen Hartwig O*** zum Beweise dafür, daß der Angeklagte am 23.Jänner 1989 in Gmünd war. Das Schöffengericht hat unter Bekanntgabe dieser Beweisthemen die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich um Befragung der beantragten Zeugen ersucht (III ON 137) und das Erhebungsergebnis (III ON 138) in der Hauptverhandlung (III S 204) verlesen. Diese Beweisanträge wurden "im Hinblick auf die ausdrückliche Klärung durch die Gendarmerieerhebungen ON 138" abgewiesen (III S 216) und in der im Urteil (III S 250 f) nachgetragenen Begründung darauf verwiesen, daß die Zeugin Liselotte K*** nach diesen Erhebungen nicht mehr angeben konnte, den Angeklagten an diesem im Beweisantrag genannten Tag gesehen zu haben, daß Elisabeth P*** zu der dort genannten Zeit ein Zusammentreffen mit dem Angeklagten mit Sicherheit ausschloß und daß auch Hartwig O*** und Fritz B*** nicht bestätigen konnten, den Angeklagten an den im Antrag genannten Tagen gesehen zu haben und daß alle beantragten Zeugen auch bei ihrer Einvernahme vor Gericht diese Angaben vor der Gendarmerie nur bestätigen hätten können.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten durch die Abweisung der Beweisanträge deshalb nicht verletzt, weil keine Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, die Zeugen könnten in der Hauptverhandlung anders aussagen. Es entspricht der Erfahrung des täglichen Lebens, daß ein - wie hier - schon längere Zeit zurückliegendes alltägliches Ereignis nur dann in der Erinnerung haften bleibt, wenn es mit besonders markanten Vorgängen verknüpft ist (vgl 12 Os 130/86, 9 Os 161/71 ua); vom Beschwerdeführer wurde aber anläßlich der Antragstellung oder der Verlesung dieser Ergebnisse der vom Gericht veranlaßten Erhebungen nicht dargetan, aus welchen besonderen Gründen eine Ladung und ergänzende Befragung dieser Zeugen tatsächlich zu dem vom Antragsteller behaupteten Ergebnis führen könnte (s Mayerhofer/Rieder2, ENr 19 zu § 281 Z 4 StPO). Das Gericht nahm die Täterschaft des Angeklagten zu den Diebstahls- und Betrugsfakten als erwiesen an, weil der Angeklagte beim Postbeamten Peter S*** im Postamt Enzesfeld/Hirtenberg Schecks einlösen wollte, die vollständig ausgefüllt und angeblich von einer Frau ausgestellt worden waren, der Beamte aber im Hinblick auf einen vorangegangenen Hinweis der Gendarmerie Verdacht geschöpft hatte, die Schecks nicht einlöste und die Gendarmerie verständigte, was dann auch zur Festnahme des Angeklagten führte. Weiters, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Christian G*** (III S 143 ff) der Angeklagte als Aussteller der bei den Diebstählen erbeuteten Schecks anzusehen ist, wobei es sich mit diesem Gutachten ausführlich auseinandergesetzt hat (III S 247 f). Die Tatrichter kamen zur Überzeugung, daß der Beschwerdeführer die Scheckkarten und -formulare anläßlich der zu Punkt I des Urteilssatzes angeführten Diebstähle erbeutet hat.
Soweit die Mängelrüge (Z 5) dazu vorbringt, es fehle eine Begründung dafür, daß der Beschwerdeführer mit den Diebstahls- und Betrugsfakten in Verbindung gebracht werden könne, das Urteil enthalte auch keine konkreten Feststellungen für die Annahme der Täterschaft und für die Verwendung der Scheckvordrucke und den Beweiswert des Gutachtens des Sachverständigen Dr. G*** bekämpft, übergeht sie die vom Erstgericht gegebene Begründung, insbesonders die Ausführungen zum Gutachten des genannten Sachverständigen und entbehrt damit - weil sie nicht auf die Urteilsausführungen abstellt - einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung (Mayerhofer/Rieder, StPO2 ENr 26 bei § 281). Mit seinen weiteren Einwänden zu den Fakten II/B und III wendet sich der Beschwerdeführer im Ergebnis nur gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter (die hier den Angaben der Zeugen S*** und Dr. N*** gefolgt sind) und verweist dabei lediglich auf seine Verantwortung, der das Gericht keinen Glauben geschenkt hat, ohne jedoch aus den Akten Umstände anzuführen, die geeignet wären, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (§ 281 Abs 1 Z 5 a StPO) zu erwecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite geltend. Sie läßt aber dabei außer acht, daß sich die erstgerichtliche Annahme vorsätzlichen Handelns nicht nur aus dem Urteilsspruch, sondern auch aus dem in den Gründen festgestellten Verhalten des Angeklagten (Schilderung der Diebstähle und der Einlösung der Scheckformulare durch den Beschwerdeführer) mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, zumal alle beschriebenen Tätigkeiten gewolltem Handeln entsprechen. Da die Rüge dies negiert, wird sie nicht den Prozeßgesetzen gemäß ausgeführt. Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO wird vom Beschwerdeführer geltend gemacht, das Gericht habe seine Strafbefugnis deshalb überschritten, weil das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für schweren Diebstahl und schweren Betrug nur drei Jahre betrage. Dabei übersieht er, daß die Strafe im vorliegenden Falle wegen gewerbsmäßiger Begehung des Betruges zutreffend nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB (Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren) bemessen wurde. Die behauptete Überschreitung der Strafbefugnis liegt somit nicht vor.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegrüdet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach dem § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird demnach das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.
Anmerkung
E21817European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00112.9.1011.000Dokumentnummer
JJT_19901011_OGH0002_0130OS00112_9000000_000