Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wachberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas B*** und Helmut W*** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB und anderen strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Helmut W*** sowie die Berufung des Angeklagten Andreas B*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 13. Juni 1990, GZ 11 Vr 158/90-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt bzw zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, es wird - in Ansehung des Angeklagten Andreas B*** gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO - das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch zu Punkt II. des Schuldspruchs, Andreas B*** und Helmut W*** hätten durch gefährliche Drohung mit dem Tod den Heinz G*** zu einer Unterlassung zu nötigen versucht, und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung dieser den Angeklagten zur Last fallenden Tat (als Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB) sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung gemäß dem § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 5.November 1963 geborene Andreas B*** und der am 17. Jänner 1957 geborene Helmut W*** wurden mit dem angefochtenen Urteil wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB und der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (sowie Andreas B*** auch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB) schuldig erkannt. Danach haben sie am 19.März 1990 in Garsten ihren Zellengenossen Heinz G*** in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB)
I. dadurch, daß Helmut W*** diesen erst aufforderte, dem Angeklagten Andreas B*** eine "Feinmassage" zu verabreichen, und durch die Äußerung, sie würden die Hoden G*** an das Stromnetz anschließen, ihm einen "Einschnitt" versetzen und ihm "gehöre ein Bauchstich", und W*** in der Folge verhinderte, daß Heinz G*** die Alarmglocke betätigte; während Andreas B*** den Unterleib des Heinz G*** entkleidete, diesem einen Faustschlag versetzte, einen Kopfpolster auf dessen Gesicht preßte, dessen Beine hochdrückte und an ihm einen Analverkehr durchführte, eine Person mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt und II. durch die Androhung, G*** niederzustechen oder niederstechen zu lassen, wobei ihm auch eine Schutzhaft nicht helfen würde, sollte er wegen der zu I. geschilderten Tathandlung Anzeige gegen sie erstatten, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung, zu nötigen versucht. Der Schuldspruch gegen Andreas B*** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB blieb unangefochten, während Helmut W*** jenen wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB und der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Beide Angeklagten erhoben überdies Berufung gegen den Strafausspruch.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge (Z 5) versagt zur Gänze. Damit wird im wesentlichen unzureichende Begründung des Tatbeitrages des Beschwerdeführers sowie seines Vorsatzes in Beziehung auf das Verbrechen der Vergewaltigung behauptet. Soweit die Beschwerde ausführt, den Verfahrensergebnissen könne nicht entnommen werden, daß W*** die Betätigung der Alarmglocke durch G***
verhinderte, geht sie an der diesbezüglich eindeutigen und keinen Zweifel offen lassenden Zeugenaussage des G*** in der Hauptverhandlung vorbei, wonach dieser nach Drohung mit Schlägen durch beide Angeklagte ("sie") Angst gehabt habe, zur Glocke wollte, aber immer wieder von diesen abgefangen worden sei, sie (also wiederum beide) ihn nicht mehr aus dem Bett gelassen hätten, er versucht habe zu schreien, aber abwechselnd von B*** und W*** Schläge bekommen habe (AS 104). Die Tatrichter konnten somit die bekämpfte Annahme zutreffend auf die Bekundungen des Tatopfers stützen (US 8).
Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang hervorgehobene (allenfalls mißverständliche) Aussage dieses Zeugen, W*** sei nicht aktiv geworden, bezieht sich im gegebenen Sinnzusammenhang auf Angaben gegenüber Justizwachebeamten, W*** habe ein Messer gehabt, weswegen sich G*** vor dem Niederstechen fürchtete. Der Zeuge hat diese Angabe schon bei seiner ersten Vernehmung nicht mehr aufrecht erhalten (ON 3) und, wie auch das Erstgericht erkannte (US 9), plausibel damit begründet, er habe das rasche Verlegen in einen anderen Haftraum erreichen wollen, weil er vor den beiden Angeklagten Angst gehabt habe (AS 108).
Ebenso formell mängelfrei begründet ist die erstgerichtliche Feststellung zur subjektiven Tatseite des Beschwerdeführers beim Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung. Diese wird, durch die als glaubwürdig erachtete Aussage des Zeugen G*** ausreichend gedeckt, aus einer Gesamtschau der Ereignisse abgeleitet, nämlich aus der einleitenden gerade von W*** an G*** gerichteten Aufforderung, an B*** eine "Feinmassage" (masturbatorische Handlungen, US 6) vorzunehmen, woran sich nach Drohungen beider gegen G*** sodann gewaltsames Vorgehen und letztlich der Vollzug des Analverkehrs an G*** schloß (US 9). In ihrem Kern stellt sich die Mängelrüge in Wahrheit daher lediglich als Versuch dar, aus den durchgeführten Beweismitteln andere Schlußfolgerungen als jene zu ziehen, die das Erstgericht in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) daraus abgeleitet hat. Sie muß deswegen versagen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermißt Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Verbrechen der Vergewaltigung, geht dabei aber an der ausdrücklichen Konstatierung des Schöffengerichts vorbei, beide Angeklagten hätten in der Absicht gehandelt, durch Drohungen und Gewaltanwendungen G*** so einzuschüchtern, daß dieser in der Folge die (vom Erstgericht festgestellte) sexuelle Gewalttätigkeit des B*** über sich ergehen ließ (US 7). Sie entbehrt damit einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung der behaupteten Urteilsnichtigkeit und muß schon aus diesem Grund scheitern.
Berechtigt ist jedoch die (diesbezüglich inhaltlich als Subsumtionsrüge, Z 10, anzusehende) Beschwerde, soweit sie jede Feststellung zur Qualifikation der den Angeklagten angelasteten versuchten schweren Nötigung nach dem § 106 Abs. 1 Z 1 StGB vermißt. Nach Spruch und Gründen der angefochtenen Entscheidung wurde die versuchte Nötigung durch die Androhung begangen, G*** niederzustechen oder niederstechen zu lassen, wobei ihm auch eine Schutzhaft nicht helfen würde, sollte er die Anzeige des Verbrechens der Vergewaltigung nicht unterlassen. Dazu wurde lediglich festgestellt, daß die Absicht der Täter darauf gerichtet war, G*** durch diese Drohungen so weit einzuschüchtern, daß er eine Anzeige beim Wachpersonal unterließ (US 7). Wenn dem Erstgericht auch darin beizupflichten ist, daß das Ausmaß der Bedrohung sowie die konkreten Umstände der Tat (begangen in einem Gefangenenhaus an einem Zellengenossen von zwei strafgerichtlich schwer vorbelasteten Mithäftlingen) objektiv geeignet gewesen waren, in G***, also opferbezogen, den Eindruck hervorzurufen, B*** und W*** seien willens und in der Lage, seinen Tod herbeizuführen, so kann dem angefochtenen Urteil aber in keiner Weise entnommen werden, ob der Qualifikationsgrund nach dem § 106 Abs. 1 Z 1 StGB auch subjektiv vom Tätervorsatz erfaßt war. Dies läßt sich im gegebenen Fall nämlich weder aus dem festgestellten Wortlaut der Drohung (niederstechen oder niederstechen zu lassen) noch dem Zusammenhang, in dem sie geäußert wurde, ableiten. Erst wenn unzweifelhaft feststeht, ob auch der erwähnte Qualifikationsgrund zumindest vom bedingten Vorsatz der Täter umfaßt war (Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 13 zu § 106 StGB; vgl auch SSt 48/61) wird eine erschöpfende strafrechtliche Beurteilung des B*** und W*** diesbezüglich angelasteten Verhaltens möglich sein. In diesem Umfang ist somit das angefochtene Urteil mit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet. Diese in der Beschwerde des Angeklagten W*** relevierte Nichtigkeit war auch in Ansehung des Angeklagten B*** von Amts wegen wahrzunehmen (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 50 zu § 290). Da sich sohin zeigt, daß insoweit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO vorzugehen.
Im übrigen aber war die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO), teils als offenbar unbegründet (§ 285 d abs. 1 Z 2 StPO) zurückzuweisen.
Mit ihren durch die Aufhebung der erstgerichtlichen Strafaussprüche gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E21807European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00105.9.1011.000Dokumentnummer
JJT_19901011_OGH0002_0130OS00105_9000000_000