TE OGH 1990/10/11 6Ob19/90

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Veröffentlicht am 11.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Handelsregistersache der Firma C*** D***-M***

Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Salzburg, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 9.April 1990, GZ 6 R 76/90-18, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom 15. Februar 1990, GZ HRB 5125-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß dem Erstgericht die Eintragung des Rudolf G*** als weiteren alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer und des Jürgen W*** als Prokurist, der berechtigt ist, die Firma gemeinsam mit jeweils einem Geschäftsführer zu vertreten, in das Handelsregister aufgetragen wird.

Text

Begründung:

Mit der mit 13.12.1989 datierten Eingabe beantragte die Firma C*** D***-M*** Gesellschaft mbH, Rudolf G*** als

weiteren alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer einzutragen, und gab bekannt, daß Jürgen W*** zum Gesamtprokuristen bestellt worden sei, der jeweils mit einem Geschäftsführer gemeinsam die Gesellschaft vertrete.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Eintragung eines weiteren Geschäftsführers und des Kollektivprokuristen in das Handelsregister ab. Es führte aus, da die beiden Geschäftsführer jeweils alleinzeichnungsberechtigt seien, könne durch die vorgesehene Prokuraregelung keine weitere organschaftliche Vertretungskombination geschaffen werden. Das Wesen der Gesamtprokura liege darin, daß mehrere Prokuristen nur gemeinschaftlich handeln könnten. Die hier vorgesehene Art der Vertretung sei eine bloße "Scheinprokura", weil sie keinen Inhalt aufweise. Sie könne daher nicht mehr in den gesetzlichen Rahmen eingeordnet werden. Die Eintragung eines Kollektivprokuristen, der nur gemeinsam mit einem ohnehin selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer zeichnen solle, sei daher abzulehnen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft keine Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, ein Teil der Rechtsprechung und Lehre vertrete zwar die liberalere Ansicht, eine kombinierte Stellvertretung auch dann zuzulassen, wenn ein Geschäftsführer oder ein Prokurist auch alleinvertretungsbefugt wäre. Aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 48 und 50 HGB sowie § 18 Abs 3 GmbHG, § 71 Abs 3 AktG und § 125 Abs 3 HGB könne nur die Zulässigkeit einer Gesamtvertretung entweder durch zwei oder mehrere Geschäftsführer, Gesamtprokuristen oder die Kombination Geschäftsführer mit einem Prokuristen abgeleitet werden, wenn auch dabei im Rahmen der organschaftlichen Vertretung durch die notwendige Mitwirkung eines Geschäftsführers der Prokurist in den an sich in den Rahmen des § 48 HGB fallenden Tätigkeiten eingeschränkt sein möge. Die "Chefzeichnung" hingegen diene eher nur der Offenlegung interner Vorgänge, wenn etwa der Prokurist als Angestellter einen gewissen Tätigkeitsbereich habe und durch die Kollektivzeichnung zum Ausdruck kommen solle, daß die vom Prokuristen geplante oder ausgeführte Maßnahme mit dem Plazet des Prinzipals in Vollzug gesetzt werde. Damit werde der Unterschied zwischen Geschäftsführung und Vertretung, Innen- und Außenverhältnis verwischt.

Zur Frage, warum nicht zumindest die Eintragung des weiteren alleinzeichnungsberechtigten Geschäftsführers möglich sei, hat das Rekursgericht nicht Stellung genommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, da der Oberste Gerichtshof zu der hier zu entscheidenden Frage - soweit überblickbar - in den letzten 30 Jahren nicht Stellung genommen hat. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Während die Bestimmungen der §§ 48 f HGB nur auf die Bedürfnisse eines Einzelkaufmannes abgestellt sind, sehen die Regelungen in den § 125 Abs 3 HGB, § 71 Abs 3 AktG und § 18 Abs 3 GmbHG für den Fall mehrerer vertretungsbefugter Organe auch die Möglichkeit einer Vertretung gemeinsam mit einem Prokuristen vor (gemischte Gesamtvertretung). Die neuere Rechtsprechung und Lehre sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland stimmen überein, daß die Bestellung nur eines Gesamtprokuristen zur organschaftlichen Vertretung jedenfalls zulässig ist, soferne eine Vertretung auch ohne Mitwirkung des Prokuristen möglich ist (Friedl-Schinko in Straube, HGB, Rz 24 zu § 48; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3, I, 324 f: Krassnig: Halbseitige Gesamtvertretungsverhältnisse und der auf die gemischte Gesamtvertretung beschränkte Prokurist, in GesRZ 1983, 70 ff; Hiermanseder, Das Mitwirken von Prokuristen an der gemischten Vertretung der Handelsgesellschaften, in NZ 1988, 152 ff; OLG Wien in GesRZ 1975, 131 mwN; BGHZ 62, 171; Baumbach-Duden-Hopf, HGB28, § 48 Anm. 2 mwN). Begründet wird diese Ansicht neben dem auch mitberücksichtigten dringenden Bedürfnis der Wirtschaft vor allem damit, daß nach § 50 HGB nur eine Beschränkung des gesetzlich festgelegten Umfanges der Prokura Dritten gegenüber unwirksam sei, § 48 Abs 2 HGB aber die Erteilung der Prokura an mehrere Personen gemeinschaftlich ausdrücklich gestatte und in den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen die organschaftliche Vertretung ausdrücklich vorgesehen sei. Auch ein nur zur organschaftlichen Vertretung bestellter Gesamtprokurist habe das Recht der passiven Einzelvertretung, er sei allein berechtigt, Willenserklärungen oder Ladungen und andere Zustellungen entgegenzunehmen, für das Wissen einer Tatsache sei die Kenntnis nur eines Gesamtprokuristen ausreichend. Gleiches gelte für Kennenmüssen, Willensmängel oder vertragliches oder außervertragliches Verschulden.

Diesen Argumenten ist zuzustimmen. Es darf nicht übersehen werden, daß auch ein Gesamtprokurist, der mit einem weiteren bestellten Gesamtprokuristen zeichnungsberechtigt ist, allein ebenfalls nur zur passiven Vertretung befugt ist, zu allen anderen Geschäften, zu denen die Prokura nach dem Gesetz berechtigt, aber ebenfalls der Zustimmung eines weiteren Prokuristen bedarf. Daß der Gesetzgeber der Möglichkeit der alleinigen Passivvertretung durchaus Bedeutung zugemessen hat, ergibt sich schon daraus, daß diese in § 125 Abs 2 HGB, § 18 Abs 4 GmbHG und § 71 Abs 2 AktG ausdrücklich angeführt ist.

Die Prokura ist eine typisierte handelsrechtliche Vollmacht, die mit ihrer Eintragung im Handelsregister vor allem dem Schutz Dritter dient. Der Vertragspartner kann sich durch Einsicht in das Handelsregister vergewissern, daß es sich bei seinem Vertragspartner um einen, wenn auch nicht alleinzeichnungsberechtigten Vertreter der Gesellschaft mit dem im Gesetz festgelegten Vollmachtsumfang handelt, dem insbesondere auch die alleinige passive Vertretungsbefugnis zukommt. Daß der zweite Unterzeichnende das Geschäft auch allein hätte abschließen können, macht für den Schutz des Dritten keinen Unterschied. Nach dem Grundsatz der Gestaltungsfreiheit sind daher alle, wenn auch nicht ausdrücklich im Gesetz geregelten Sonderformen der Gesamtprokura zulässig, die nicht zwingenden gesetzlichen Bestimmungen widersprechen. Daraus ergibt sich, wie dies in der Bundesrepublik Deutschland ganz allgemein und zum weit überwiegenden Teil auch von der Lehre in Österreich vertreten wird (BGHZ 62, 171; BGHZ 99, 76;

Baumbach-Duden-Hopf, aaO; Hämmerle-Wünsch, aaO, 322; Krassnig, aaO;

Friedl-Schinko, aaO, Rz 25 zu § 48), daß eine halbseitige Gesamtprokura - die Zeichnungsberechtigung eines Gesamtprokuristen gemeinsam mit einem alleinvertretungsbefugten Prokuristen - oder eine halbseitig gemischte Gesamtprokura - die Zeichnungsberechtigung eines Gesamtprokuristen gemeinsam mit einem von mehreren alleinvertretungsbefugten organschaftlichen Vertretern - in das Handelsregister eingetragen werden können.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E22163

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00019.9.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19901011_OGH0002_0060OB00019_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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