TE OGH 1990/10/11 7Ob650/90

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Veröffentlicht am 11.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Raffaela F***, geboren am 26. April 1985, vertreten durch die Mutter Karin F***, Angestellte, St. Pölten, Schneckgasse 6, infolge Revisionsrekurses des M*** DER L*** ST. P***-J*** gegen

den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 5. Juni 1990, GZ R 331/90-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 22.März 1990, GZ 1 P 158/89-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Eltern der nunmehr 5 Jahre alten Raffaela F***

einigten sich im pflegschaftsbehördlich genehmigten Scheidungsvergleich vom 28.9.1989 dahin, daß der Mutter die Obsorge über das Kind zukommt und der Vater monatlich S 2.500,-- an Unterhalt zu bezahlen hat. Am 13.3.1990 beantragte der Vater die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf S 1.250,-- und brachte hiezu vor, daß sich sein Kind seit Anfang Februar 1989 (bis auf weiteres) bei der mütterlichen Großmutter in Kanada befinde. Die dazu befragte Mutter Karin F*** sprach sich gegen eine Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung ihres geschiedenen Gatten bei ihrer Einvernahme am 21.3.1990 aus. Sie unterließ einen Hinweis darauf, daß sie zwischenzeitig den Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten-Jugendhilfe nach § 212 Abs 2 ABGB mit der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes betraut hat. Das Erstgericht setzte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters antragsgemäß herab. Dieser Beschluß wurde (nur) beiden Eltern am 27.3.1990 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt. Am 8.5.1990 ersuchte die Jugendhilfe des Magistrates der Landeshauptstadt St.Pölten mit der Begründung, daß sie mit der Wahrnehmung der Unterhaltsinteressen der Minderjährigen beauftragt worden sei, um eine Beschlußzustellung, die am 11.5.1990 erfolgte. Das Rekursgericht wies den am 15.5.1990 eingelangten Rekurs der Jugendhilfe des Magistrates der Landeshauptstadt St.Pölten als verspätet zurück, ließ aber den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es folgerte rechtlich, daß sowohl die Mutter der Minderjährigen als auch das Jugendamt der Verpflichtung, das behauptete Vollmachtsverhältnis anzuzeigen, nicht nachgekommen seien. Nach der Aktenlage sei aber die Mutter nach § 154 a ABGB als alleinvertretungsbefugter Elternteil anzusehen gewesen. Eine Rücksichtnahme auf den verspäteten Rekurs der Jugendhilfe sei nach § 11 Abs 2 AußStrG nicht möglich gewesen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil bisher zu § 212 Abs 2 ABGB noch keine höchstgerichtliche Judikatur ergangen sei. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Magistrates der Landeshauptstadt St.Pölten-Jugendhilfe, richtig wohl als Unterhaltssachwalter der mj. Raffaela F*** mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neue (Sach-)Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Nach § 212 Abs 2 ABGB wird der Jugendwohlfahrtsträger durch die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum Sachwalter des Kindes u.a. für die Festsetzung oder Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche bestellt. Eines Gerichtsbeschlusses bedarf es nicht mehr. Nach Abs 4 der zitierten Norm wird durch die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers jene des gesetzlichen Vertreters aber nicht eingeschränkt. Es gilt § 154 a ABGB sinngemäß. Nach dieser Bestimmung ist in einem zivilgerichtlichen Verfahren nur ein Elternteil zur Vertretung des Kindes berechtigt. Solange sich die Eltern nicht auf den anderen Elternteil einigen oder das Gericht nach § 176 ABGB diesen oder einen Dritten als Vertreter bestimmt, ist derjenige Elternteil handlungsbefugter Vertreter, der die erste Vertretungshandlung setzt. Es besteht sohin eine konkurrierende Vertretungsbefugnis für das zivilgerichtliche und damit auch das Außerstreitverfahren nach dem Zuvorkommensprinzip (vgl Pichler, Neues im Kindschaftsrecht JBl 1989, 681, 7 Ob 614/90). Wie schon in der Regierungsvorlage zum KindRÄG BGBl.1989/162 idF 1989/251 bemerkt wurde, sollen mit der Bestimmung des § 212 Abs 4 ABGB unnötige parallele Vertretungshandlungen vermieden werden. Gleichzeitig sollen mit dieser Norm die beiden gesetzlichen Vertreter verpflichtet werden, einander über ihre Vertretungshandlungen zu informieren. Dieser Anspruch besteht selbstverständlich auch dann, wenn seine Verlezung nicht zu einer Gefährdung des Kindeswohles führt, da der Zweck der Informationspflicht (auch) darin besteht, unnötige Mehrarbeit zu vermeiden. Jeder der beiden gesetzlichen Vertreter habe daher Anspruch darauf, daß ihn der andere über seine Vertretungshandlung informiert, und jeder von beiden kann sich, wenn die Gefahr der Wiederholung der Verletzung drohe, an das Pflegschaftsgericht wenden (vgl. 172 BlgNR XVII GP, 21). Auch im Ausschußbericht (887 der BlgNR XVII GP, 9) wird hervorgehoben, daß diese Informationspflicht einer Doppelvertretung vorbeugen soll. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Kindes ist, trotz der Verwendung des Wortes "Sachwalterschaft" eine rechtsgeschäftliche Übertragung eines Teiles der Vertretungsmacht (Pichler a.a.O.), die durch eine vom gesetzlichen Vertreter vor dem Jugendwohlfahrtsträger gesetzte Vertretungshandlung zumindest für den anhängigen Verfahrensabschnitt wieder außer Kraft gesetzt wird. Die Frage, ob dem einschreitenden Jugendwohlfahrtsträger zum Unterhaltsherabsetzungsantrag des ehelichen Vaters die begehrte Parteistellung zugekommen wäre, stellt sich nicht mehr, weil die entscheidende Vertretungshandlung von der Mutter des unterhaltsberechtigten Kindes in einer Weise gesetzt worden ist, gegen die der Jugendwohlfahrtsträger ohnedies keine Änderungsmöglichkeit gehabt hätte. Seine prozeßrechtliche Stellung als "Mit"-Vertreter mit Anspruch auf Zustellung der Entscheidung wäre dem Jugendwohlfahrtsträger in einem anhängigen Pflegschaftsverfahren nur dann zugekommen, wenn er die ihm erteilte Vertretungsbefugnis unverzüglich dem Gericht angezeigt hätte. Die Auffassung des Jugendwohlfahrtsträgers, daß mit seiner Betrauung nach § 212 Abs 2 bzw. 3 ABGB durch die Mutter auch ohne Verständigung des Gerichtes ein auch für dieses zu beachtendes Bevollmächtigungsverhältnis begründet wird, findet im Gesetz keinerlei Deckung. Wenn es auch vereinzelt zutreffen mag, daß manche Obsorgeberechtigte durch die Fülle der Rechtsvorschriften überfordert sind, kann dies nicht für den Jugendwohlfahrtsträger gelten und diesen nicht von der Verpflichtung entheben, die erteilte Bevollmächtigung dem Gericht anzuzeigen, damit seine Verständigung erfolgen kann. Ohne eine solche Anzeige kommt aber gegenüber dem Gericht die Wirkung der Bevollmächtigung nicht zum Tragen. Die von der Mutter unterlassene Benachrichtigung des Jugendwohlfahrtsträgers von der Zustellung eines Unterhaltsherabsetzungsbeschlusses rechtfertigt nicht das Begehren auf Beiziehung zu einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrensabschnitt. Das Rekursgericht hat daher zu Recht den vom Jugendwohlfahrtsträger (wohl im Namen des Unterhaltsberechtigten) erhobenen Rekurs als verspätet zurückgewiesen.

Anmerkung

E22165

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00650.9.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19901011_OGH0002_0070OB00650_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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