TE OGH 1990/10/17 3Ob594/90

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Veröffentlicht am 17.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Pflegschaftssache für die mj. Kinder 1) Pierre K***, geboren 27. Jänner 1975, 2) Tanja K***, geboren 7.Juli 1976, beide Wien 10., Herndelgasse 23/4/15, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie

15. Bezirk, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 30.April 1990, GZ 44 R 317/90-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 24.April 1990, GZ 2 P 416/84-23, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Den beiden in Obsorge der Mutter befindlichen Kindern Pierre und Tanja K*** wurden Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG gewährt, welche am 31.12.1989 ausliefen (§ 8 UVG). Der Jugendwohlfahrtsträger beantragte die neuerliche Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 3 UVG mit Antrag vom 3.4.1990 samt Präzisierung vom 18.4.1990. Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, der Vater sei seit 23.12.1989 aus der Vollzugsanstalt geflüchtet. Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die beantragten Vorschüsse gewährt werden, und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz war der Auffassung, daß die Flucht aus der Strafhaft oder dem gleich zu behandelnden Maßnahmenvollzug keinen Grund zur Verweigerung der Vorschüsse nach § 4 Z 3 UVG darstelle. Eine Vorschußleistung nach § 3 oder § 4 Z 1 UVG komme wegen der nicht gegebenen Leistungsfähigkeit des flüchtigen Strafgefangenen nicht in Betracht, weil er keiner rechtmäßigen Arbeit nachgehen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes ist ungeachtet des Ausspruches der zweiten Instanz zulässig, weil der Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz nicht nur eine gegenteilige zweitinstanzliche Judikatur entgegensteht (EFSlg 41.492 = ÖA 1983, 106; EFSlg 57.483 = ÖA 1988, 110), sondern weil seit dem Inkrafttreten der WGN 1989 auch der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat, daß die Rechtsansicht des Erstgerichtes zutrifft (1 Ob 590/90).

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsansicht des ersten Senates in der erwähnten Entscheidung 1 Ob 590/90 an. Die Bestimmung des § 4 Z 3 UVG stellt nicht auf die Anordnung der Haft an sich, sondern auf den tatsächlichen Entzug der Freiheit ab; der Unterhaltsvorschuß nach dieser Gesetzesstelle gebührt also nur für die effektive Haftzeit und nicht für Zeiten einer Flucht (so auch Knoll, Kommentar zum UVW Rz 23 zu § 4).

Das Argument der zweiten Instanz, ein Kind, dessen Vater sich der Strafhaft (oder hier dem Maßnahmenvollzug) durch Flucht entzogen habe, könne bei Säumigkeit des Vaters nach keiner Gesetzestelle einen Unterhaltsvorschuß erhalten, trifft nicht zu. Es können in einem solchen Fall die Voraussetzungen für eine Vorschußgewährung zB nach § 4 Z 2 UVG vorliegen. Ist ein Strafgefangener etwa in einen Staat geflüchtet, aus dem er nicht ausgeliefert wird, in dem er aber ein Einkommen erzielen kann, liegt dies auf der Hand. Aber auch wenn dieser Fall nicht gegeben ist, kann der flüchtige Strafgefangene nach der Anspannungstheorie verpflichtet sein, einen Unterhaltsbetrag zu leisten, indem er infolge seiner rechtswidrigen Flucht gleich einem sonst in Freiheit lebenden Unterhaltsschuldner zu behandeln ist (vgl dazu die Entscheidung LGZ Wien in EFSlg 54.731).

Für die Lösung der zweiten Instanz mögen Zweckmäßigkeitserwägungen sprechen; die Gesetzeslage verbietet jedoch die Zuerkennung von Vorschüssen nach § 4 Z 3 UVG für Zeiträume, in denen sich der Unterhaltsschuldner dem Strafvollzug (Maßnahmenvollzug) durch Flucht entzogen hat.

Anmerkung

E21869

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00594.9.1017.000

Dokumentnummer

JJT_19901017_OGH0002_0030OB00594_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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