TE OGH 1990/10/18 6Ob674/90

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Veröffentlicht am 18.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O*** und E*** Gesellschaft mbH & Co KG, 6020 Innsbruck, Kranebitter Alle 88, vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Manfred L***, Frühpensionist, 6020 Innsbruck, Holzhammerstraße 15, vertreten durch Dr. Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 132.515 sA und Zurückstellung von Mietgegenständen (Streitwert S 11.500), Revisionsinteresse: S 88.425 und Zurückstellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5. April 1990, GZ 1 R 102/90-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. Dezember 1989, GZ 41 Cg 72/89-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird teilweise nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von S 44.100 sA als unangefochten unberührt bleibt, insoweit als

T e i l u r t e i l

bestätigt, daß die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei den Videorecorder Marke VHS und den Videofilm Nr. 563 zurückzustellen. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Im übrigen, also hinsichtlich des restlichen Zahlungsbegehrens von S 88.415 sA, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit ihrer am 28. 2. 1989 bei Gericht eingelangten Klage begehrte die klagende Partei, den Beklagten zur Herausgabe eines Videorecorders und eines Videofilmes sowie zur Zahlung von S 132.515 sA zu verurteilen, dies mit dem Vorbringen, der Beklagte habe am 20. 9. 1984 einen Videorecorder zum Mitzins von S 70 pro Tag und einen Videofilm zum Mietzins von S 15 pro Tag bis 21. 9. 1984 gemietet. Vereinbarungswidrig seien die Mietgegenstände nicht zurückgegeben worden. Der Beklagte habe, als er nach zahlreichen Meldeanfragen habe ausgeforscht werden können, die Forderung der klagenden Partei anerkannt.

Der Beklagte räumte ein, einen Videorecorder um eine Miete von S 70 pro Tag sowie einen Film um eine Miete von S 15 pro Tag gemietet und diese Gegenstände bislang noch nicht zurückgestellt zu haben, beantragte jedoch Klagsabweisung und wandte ein, der klagenden Partei stünden Mietzinse höchstens bis zum Zeitwert beziehungsweise der gewöhnlichen Nutzungsdauer des Videorecorders und des Filmes, insgesamt höchstens S 6.600 zu. Die Klagsforderung sei aber verjährt.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Rückstellung der Mietgegenstände und zur Zahlung von S 88.415 sA und wies das Mehrbegehren von S 44.100 sA ausgehend von folgenden wesentlichen Feststellungen ab:

Am 19. 9. 1984 schloß der Beklagte mit der klagenden Partei einen Mietvertrag über einen Videorecorder sowie einen Film mit der Nummer 584 ab. Diesen Film retournierte er am 20. 9. 1984 im Austausch gegen den Film Nr. 563. Es wurde vereinbart, daß sowohl Videorecorder als auch Film am 21. 9. 1984 zurückgestellt werden müssen.

Die Miete für den Videorecorder war mit S 70 pro Tag, jene für den Film für den ersten Tag mit S 55 und für jeden weiteren Tag mit S 15 vereinbart worden. Der Beklagte stellte in der Folge die Gegenstände nicht zurück. Am 19. 11. 1984 wurde eine Mahnung an die vom Beklagten bekanntgegebene Adresse gerichtet, der Brief kam als unbestellbar zurück.

Nachdem die Adresse des Beklagten ausfindig gemacht und eine Strafanzeige gegen ihn erstattet worden war, erklärte der Beklagte bei einer Vernehmung am 14. 10. 1985 vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck, er werde die Gegenstände unverzüglich zurückstellen. Dies geschah jedoch nicht.

Mit Schreiben vom 20. 9. 1988 forderte der Klagevertreter den Beklagten zur Rückstellung der Gegenstände und zur Mietzinszahlung von S 148.920 einschließlich Umsatzsteuer bis 27. 9. 1988 auf, wobei er namens der klagenden Partei das Anbot machte, gegen eine Abschlagszahlung von S 80.000 - auch in Raten - die Gegenstände in das Eigentum des Beklagten zu übergeben und von der Einhebung weiterer Benützungsentgelte Abstand zu nehmen.

Am 10. 10. 1988 erklärte der Beklagte in der Kanzlei des Klagevertreters, Videorecorder und Film noch zu besitzen, aber einem Dritten in Innsbruck geliehen zu haben. Er werde die Sachen holen und zurückbringen, sowie weiters den Betrag von S 80.000 bezahlen. Dies sei ihm aber erst möglich, wenn er von seiner Bank einen Kredit bekomme.

Am 22. 11. 1988 erhielt der Klagevertreter eine Postkarte des Beklagten, auf welcher dieser mitteilte, von der Bank die Zustimmung zu haben, er das Geld aber erst bekomme, wenn er die (beantragte Invaliditäts-)Pension fix erworben habe. Dies werde höchstens bis zum 15. 12. 1989 dauern, er bitte, bis dahin zuzuwarten. Da sich der Beklagte nicht mehr meldete, wurde am 28. 2. 1989 die Klage überreicht.

Die klagende Partei hatte 1984 ca. zehn Videorecorder zu vermieten, wobei der Bestand infolge Expansion bis 1989 auf 80 bis 100 Recorder angewachsen ist. Diese werden durchschnittlich drei bis fünf Jahre verwendet und im Schnitt 150 bis 200 Mal vermietet, dies meist für einen Tag. Es sind auch noch Filme aus dem Jahre 1984 im Bestand der klagenden Partei, die allerdings nur mehr zu Spitzenzeiten vermietet werden können.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der klagenden Partei stehe, da der Beklagte weder Recorder noch Film zurückgestellt habe, ein Benützungsentgelt von S 70 pro Tag für den Recorder und für den Film von S 55 für den ersten Tag und von S 15 für jeden weiteren Tag zu. Alle vor dem 27. 2. 1986 fällig gewordenen Beträge seien, da die Klage erst am 28. 2. 1989 beim Erstgericht eingelangt sei, verjährt. Der Beklagte habe jedoch am 10. 10. zugesagt, den Betrag von S 80.000 zu bezahlen sowie Videorecorder und Film zurückzustellen und damit diesen Betrag anerkannt, sodaß dieser Betrag und die seit diesem Tage fälligen Entgelte, wie gefordert, bis zum 28. 12. 1988 zustünden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Es führte rechtlich aus, für die Benützung einer fremden Sache ohne Vertrag sei nach den Grundsätzen des § 1041 ABGB ein Benützungsentgelt bis zur Rückstellung des Bestandobjektes in Höhe des bisherigen Bestandzinses zu entrichten, unabhängig davon, ob der Mieter das Objekt tatsächlich noch benütze oder nicht. Dieser neue, vom bisherigen Vertragsverhältnis unabhängige Anspruch, der kein Schadenersatzanspruch sei, entstehe ab dem Tag, an dem der Mietvertrag vereinbarungsgemäß geendet habe. Die Erklärungen des Beklagten gegenüber dem Klagevertreter seien als konstitutives Anerkenntnis zu werten. Es sei damit eine selbständige Verpflichtung entstanden. Willensmängel seien vom Beklagten nicht geltend gemacht worden. Im übrigen sei zur Unterbrechung der Verjährung auch ein deklaratives Anerkenntnis ausreichend, die Kenntnis der Höhe der Schuld sei ebensowenig erforderlich, wie ein ausdrückliches ziffernmäßiges Anerkenntnis.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Soweit sich der Beklagte darauf beruft, er hätte nicht zur Zurückstellung der Bestandobjekte verurteilt werden dürfen, weil er diese nicht mehr besitze und niemand verurteilt werden könne, etwas Unmögliches zu erfüllen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er im Verfahren erster Instanz ausdrücklich zugestanden hat, die Gegenstände nicht zurückgegeben zu haben, ohne vorzubringen, daß und aus welchen Gründen ihm eine Rückstellung nicht möglich sei. Im übrigen kann sich derjenige, der die Unmöglichkeit der Leistung selbst verschuldete hat, jedenfalls so lange nicht darauf berufen, als die Möglichkeit der Wiederbeschaffung gegeben und zumutbar ist (JBl 1958, 471 ua).

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers gilt die Befristung des § 1111 ABGB nicht für die Rückstellung der Bestandsache (SZ 60/229 mwN), das Rückstellungsbegehren der klagenden Partei ist daher berechtigt.

Der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen, mit der Erklärung des Beklagten, er werde die Sachen zurückbringen und den geforderten Betrag von S 80.000 bezahlen, dies sei aber nur möglich, wenn er von seiner Bank einen Kredit bekomme, dieser wiederum hänge davon ab, daß er einen Anspruch auf eine Invaliditätspension fix erwerbe, habe er ein konstitutives Anerkenntnis zur Zahlung eines Betrages von S 80.000 abgegeben, kann nicht gefolgt werden. Auch aus der Sicht des Erklärungsempfängers läßt sich jedenfalls keine Absicht des Beklagten, unabhängig vom bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zur unbedingten Zahlung eines Betrages von S 80.000 zu übernehmen, ableiten. Diese Erklärung kann nur so verstanden werden, daß der Beklagte den Anspruch der klagenden Partei auf Rückstellung der gemieteten Gegenstände und Forderung eines Benützungsentgeltes dem Grunde nach anerkannte, eine feste Bindung zur Zahlung auch der Höhe nach aber nicht eingehen wollte. Wenn damit eine endgültige Bereinigung vorgenommen und ein neuer Schuldgrund geschaffen worden wäre, bliebe die Verurteilung zur Zahlung von weiteren Benützungsentgelten über den Betrag von S 80.000 hinaus unverständlich.

Wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, genügt zur Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB eine Anerkennung der Forderung dem Grunde nach. Die Unterbrechung einer bereits verjährten Forderung ist zwar nicht möglich, doch bedeutet ein solches Anerkenntnis in der Regel den Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Ein solcher Verzicht ist hier zufolge der vom Beklagten dem Klagevertreter gegenüber abgegebenen Erklärungen anzunehmen, sodaß die klagende Partei zur Geltendmachung eines Benützungsentgeltes nach Beendigung des Mietvertrages für die gegen ihren Willen erfolgte Weiterbenützung berechtigt ist. Der Bestandnehmer, der die Rückstellung der Bestandsache verzögert, ist verpflichtet, für die Zeit der gegen den Willen des Bestandgebers erfolgten Weiterbenützung ein angemessenes Benützungsentgelt zu bezahlen. Diese Verpflichtung als Folge des Zuwiderhandelns gegen die Rückstellungspflicht beruht auf § 1041 ABGB und besteht unabhängig davon, ob die Bestandsache über die vereinbarte Bestandzeit hinaus weiterverwendet wird (MietSlg. 35.206 uva). Der Anspruch ist auch kein Schadenersatzanspruch (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 9 zu §§ 1109, 1110 mwN), weshalb er weder ein Verschulden des früheren Bestandnehmers noch einen Schaden des Eigentümers voraussetzt. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob der Bestandnehmer in jenem Zeitraum, in dem er sich mit der Rückstellung in Verzug befindet, seinerseits einen meßbaren Nutzen vom Bestandobjekt hat. Allein der Entgang der Nutzungchance des Eigentümers führt zur Verpflichtung zur Zahlung eines angemessenen Benützungsentgeltes (SZ 58/104; Würth, aaO; ImmZ 1989, 450 ua).

Daraus kann aber entgegen der Ansicht der klagenden Partei und der Vorinstanzen noch nicht die Berechtigung des gesamten Klagsanspruches aus dem Rechtstitel des § 1041 ABGB abgeleitet werden. Die Höhe des angemessenen Benützungsentgeltes kann, vor allem bei Bestandverträgen über unbewegliche Sachen, dem bisher vereinbarten Mietzins entsprechen, wenn man mangels gegenteiliger Behauptungen davon ausgehen kann, daß das Entgelt für die Nutzung der fremden Sache schon bisher in angemessener Höhe vereinbart war und demnach dem Eigentümer auch in der Folgezeit der nicht mehr durch den Vertrag gedeckten Benützung seiner Sache ein erzielbares Entgelt in der gleichen Höhe entgeht. Ob der Verwender der fremden Sache noch einen gleichen Nutzen aus der Sache zieht, ist nach dem oben Gesagten ohne Bedeutung. Das schließt die Berücksichtigung besonderer Verhältnisse des Einzelfalles nicht aus. Ebenso wie nach dem Ende der Bestanddauer durch eine anderweitige Vermietung ein höherer Bestandzins erzielbar sein könnte, bildet der bisherige Mietzins keineswegs immer die Untergrenze des erzielbaren oder angemessenen Entgeltes. Dies trifft insbesondere auf bewegliche Bestandsachen zu, die nach der Art des Geschäftes auf eine kurze Vertragsdauer ausgerichtet sind, wie es gerade auf die kurzfristige Vermietung von Videorecordern und Videokassetten zutrifft. Diese haben nur eine beschränkte Lebensdauer, die durch die häufigen Transporte und immer wieder wechselnden (wohl zum Teil auch unachtsamen) Benützer noch verkürzt und auch Stehzeiten für Reparaturen notwendig machen wird. Eine vollständige nahtlose Vermietungsmöglichkeit durch 365 Tage pro Jahr ohne jedes zeitliche Ende, wie dies von den Vorinstanzen zugrundegelegt wurde, ist wirklichkeitsfremd.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher im einzelnen zu klären und festzustellen sein, wie lange der Videorecorder und die Videokassette im Betrieb der klagenden Partei zum Zeitpunkt der Vermietung an den Beklagten schon in Verwendung gestanden waren, wie lange und in welcher Häufigkeit eine Vermietung überhaupt noch möglich gewesen wäre. Erst dann kann beurteilt werden, welches angemessene Benützungsentgelt der Beklagte der klagenden Partei zu leisten hat. Eine Schadenminderung in der von der beklagten Partei angestrebten Weise, daß der Anspruch auf Benützungsentgelt nur bis zur Höhe des Zeitwertes der Gegenstände begehrt werden könnte, kommt allerdings nicht in Betracht, weil der Anspruch nach § 1041 ABGB wie schon ausgeführt, kein Schadenersatzanspruch ist und dem Vermieter die entgangene Nutzungsmöglichkeit nicht aber den Verkehrswert seines Eigentums ersetzen soll.

Die Kostenaussprüche beruhen auf § 52 Abs 1 und Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E22424

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00674.9.1018.000

Dokumentnummer

JJT_19901018_OGH0002_0060OB00674_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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